Intel deaktiviert nun “AVX-512” doch komplett auf allen Alder Lake CPUs mit einem kommenden Microcode-Update in neuen BIOS-Versionen. Mainboard-Hersteller konnten den angeblich abgeschalteten Befehlssatz ja zum Launch doch zugänglich machen, was einen erheblichen Leistungszuwachs bei den P-Kernen der neuen CPUs mit sich brachte. Nun zieht Intel die Schlinge doch komplett zu und hat unseren Quellen zufolge die Mainboard-Hersteller angewiesen, das „nicht unterstützte“ Feature komplett zu deaktivieren.
Pünktlich zum Launch der neuen kleineren CPU-SKUs und Mainboard-Chipsätze zur CES nächste Woche, sollen alle bisherigen Z690 Mainboards über ein BIOS-Update den Befehlssatz AVX-512 komplett sperren. Über die Beweggründe lässt sich bisher nur spekulieren. Es liegt aber nahe, dass man damit für kommende Workstation- und Server-Produkte ein Kaufargument künstlich schaffen möchte. Denn besonders Applikationen im Enterprise-Bereich profitieren oft am meisten von der Beschleunigung durch den AVX-512 Befehlssatz. Eigentlich völlig fähige „Consumer“-Hardware soll, wenn es nach Intel geht, hier nicht mehr mitreden können. Zum Schutz unserer Quellen möchten wir diese nicht nennen.
Aber damit nicht genug, denn auch der verbleibende AVX2 Befehlssatz ist von Intel bereits sein dem Launch hart auf einen Multiplikator von x51 limitiert. Während in Anwendungen ohne AVX2 wie Cinebench die eingestellte Taktrate von beispielsweise 5,2 GHz durchgehend anliegt und Benchmark-Highscores erzielt werden können, sieht das Bild in Anwendungen wie LinpackXtreme anders aus. Selbst wenn man den CPU-Takt im BIOS statisch einstellt, sämtliche Leistungslimits aufhebt und für ausreichend Kühlung sorgt, drosselt sich die CPU bei der Ausführung von AVX2-Instruktionen selbst auf 5,1 GHz herunter. Dabei ist es auch völlig egal, wie warm die CPU läuft, wie viel Leistung sie aufnimmt oder wie die Anwendung heißt. In HWInfo ist das Eingreifen der Taktbegrenzung an „IA: Max Turbo Limit – Yes“ erkennbar.
Wieso Intel die Taktrate für AVX2 limitiert, ist bisher auch nicht bestätigt. Ein möglicher Grund könnte Angst vor Degradation durch Elektronenmigration bei zu hohen Stromstärken sein – ein Phänomen, bei der sich die CPU im Laufe der Zeit langsam selbst beschädigt. Fairerweise muss man dazu sagen, dass aufgrund der generell sehr hohen Wärmedichte der neuen CPUs nur sehr wenige Anwender eine entsprechende Kühlung verwenden dürften, um jemals derart hohe Taktraten mit AVX2 betreiben zu können. Aber wer beispielsweise eine custom Wasserkühlung verwendet oder die CPU gar köpft, um das absolute Leistungsmaximum aus den neuen CPUs gewinnen zu wollen, wird früher oder später an dieses künstliche Limit der sonst „entsperrten“ CPUs stoßen. Übrigens war dieses Limit bereits bei Rocket Lake CPUs vorhanden und wurde wohl nur nicht wirklich thematisiert, weil die Generation generell weitaus weniger interessant war.
Für beide thematisierten AVX-Hürden, die Drosselung von AVX2 und die Entfernung von AVX-512 gibt es aber zum Glück bereits Abhilfen. So hat beispielsweise Asus in ihren BIOS-Versionen für Mainboards der „Maximus“ Serie einen Patch implementiert, der die AVX2 Drosselung abschaltet. Hierbei ist lediglich wichtig, dass der Takt bereits zur Boot-Zeit im BIOS gesetzt sein muss. Eine nachträgliche Änderung über in-OS Software bleibt sonst wieder in Intels Fangnetz stecken.
Um weiterhin AVX-512 nutzen zu können, bedarf es etwas exotischerer Methoden, aber nichts unmöglichem. So haben es Community-Mitglieder bereits geschafft, in neue BIOS-Releases eine ältere Microcode Version zu injizieren und so effektiv ein modifiziertes BIOS Image mit AVX-512 Unterstützung anbieten zu können. Natürlich ist mit solchen inoffiziellen BIOS-Versionen immer ein gewisses Risiko verbunden, da ein Fehler im Image beispielsweise zu Schäden an der Hardware führen könnte. Die Verwendung solcher BIOS-Images erfolgt also immer auf eigene Gefahr! Aber immerhin zeigt dies auch, dass die Deaktivierung von AVX-512 reversibel ist und nicht etwa ein Schreibschutz auf die Microcode Version gesetzt wurde – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Da die Kompatibilität mit DDR5 teilweise noch problematisch ist und Mainboard-Hersteller nahezu täglich Lösungen in neuen BIOS-Versionen anbieten, stehen nun viele Anwender vor einer Weggabelung: Entweder neue BIOS-Updates für bessere DDR5-Kompatibilität installieren und das Abschalten von AVX-512 in Kauf nehmen, oder nicht updaten, AVX-512 behalten und dafür in der DDR5-Kompatibilität eingeschränkt bleiben, oder ein BIOS aus unbekannter Quelle installieren, das beide Probleme löst, aber vielleicht andere neue mit sich bringt.
Es bleibt die Frage an Intel: Wieso diese ganzen künstlichen Limitierungen? Hat man bei Team Blue wirklich solche Angst vor der Konkurrenz, dass man sich nicht nur Asse im Ärmel behält, sondern bereits gespielte Karten wieder zurückziehen muss? Starke Markt-Segmentierung ist bei Intel nun eigentlich nichts neues, Stichworte „vROC“ oder „nur Quad-Core Mainstream-CPUs in den ersten 7 Intel Core Generationen“. In beiden Fällen bewegte sich der blaue Riese erst, als die Konkurrenz ihn in Zugzwang brachte. Aber dass nun bereits verkaufte CPUs in ihrer Funktion nachträglich eingeschränkt werden, hinterlässt doch irgendwie einen besonders faden Nachgeschmack, auch wenn AVX-512 auf Alder Lake nie offiziell unterstützt wurde.
In unseren Tests konnten wir bereits belegen, dass AVX-512 auf den Golden Cove P-Kernen tatsächlich effizienter ist als AVX2 und sogar mehr Rechenleistung bei weniger Stromverbrauch ermöglicht. Einzige Voraussetzung für AVX-512 ist natürlich das Deaktivieren der Gracemont E-Kerne, denen für diesen Befehlssatz schlichtweg physikalisch die Transistoren fehlen. Aber wir haben in unseren Tests auch gesehen, dass die E-Kerne nur in sehr wenigen einzelnen Fällen überhaupt einen Leistungszuwachs bringen, wenn nicht sogar das glatte Gegenteil durch Ausbremsen des Cache/Ring und Verzögern von Speicherzugriffen. Steht das „E“ dann wirklich noch für „Efficiency“ und nicht eher „Error“ oder „E-Waste“? Wäre eine CPU mit nur P-Kernen und AVX-512 nicht der weitaus okönomischere und ökologischere Ansatz?
Und auch wenn uns normalen Endanwendern AVX-512 wieder weg genommen wird und wir uns letztendlich damit abfinden müssen, könnte man von Intels Seite doch wenigstens zukünftig vorausschauende und klare Kommunikation erwarten. Intel wusste oder hätte vor dem Launch wissen müssen, dass Alder Lake CPUs AVX-512 ausführen können und bereits im Vorfeld klare Anweisungen an die Mainboard-Hersteller geben sollen, ob das Feature nun freigeschaltet werden dürfe oder nicht.
Und auch für die Drosselung von AVX2 wäre eine Fußnote bei den Spezifikationen von „unlocked“ K-SKUs wünschenswert. So könnte man im Vorfeld klarstellen, unter welchen Umständen und wieso sich die CPU selbst herunter taktet. Eine weitere Zeile für jede Rocket/Alder Lake CPU auf ark.intel.com „Maximaler AVX2-Takt: 5,1 GHz“ und „Schutzfunktion vor Schäden durch zu hohe Vcore-Ströme bei AVX2-Instruktionen“ wäre schon mal ein Anfang. Denn auch wenn man streng genommen den effektiven Takt noch immer über 5,1 GHz anheben kann, indem man die BCLK von 100 MHz erhöht, so ist dies doch wirklich keine intuitive Interpretation oder einfache Benutzung einer Intel „K“-CPU.
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