Update vom 30.05.2021
Basierend auf einem von mir für PayPal erstellten Gutachtens hat der Dienstleister nun zu Gunsten des geprellten Käufers entschieden und das Geld mittlerweile auch schon wieder zurücküberwiesen. Solange man also alles sauber belegen kann, nützt der Käuferschutz also durchaus, solange man sich an die wichtigsten Regeln hält, die ich auch unten im Originalartikel noch einmal beschreibe. Dokumentation und Zeugen, dann kann eigentlich auch fast nichts mehr schiefgehen.
Originalartikel vom 19.05.2021 06:00
Eine wichtige Vorbemerkung muss ich in diesem ganz speziellen Fall, der mir unlängst angetragen wurde und bei dem ich meine Hilfe nicht verweigert habe, unbedingt voranstellen. Auch wenn ich hier die eingehende Begutachtung kostenlos übernommen habe, bin ich weder qualifizierter Rechtsbeistand, noch habe ich über die Schuld bzw. mögliche rechtliche Vergehen Dritter zu urteilen. Dazu gibt es im Zweifellsfall Anwälte und die zuständigen Rechtsorgane. Aber man muss es, mit etwas Glück und Verstand, gar nicht soweit kommen lassen, wenn man ein paar Kleinigkeiten beachtet, die am Ende doch so wichtig sein könnten.
Was war passiert? Ein vermeintlich glücklicher Käufer erwarb über den Facebook-Marketplace zwei GeForce RTX 2080 Ti mit Wasserblock. Immerhin sind zwar 1600 Euro für zwei gebrauchte Karten (Asus RTX 2080 Ti Dual, Asus RTX 2080 Ti Turbo) sehr viel Geld, aber wenn sie noch funktionieren würden und die beiden Wasserblöcke auch fachgerecht montiert wären, wäre es in der heutigen Zeit durchaus noch ein gängiges Angebot. Geliefert wurden jedoch eine Asus GeForce RTX 2080 Ti Dual und eine günstige OEM-Karte aus einem Alienware-PC (Dell). Die Konversation habe ich bewusst zusammengeschnitten und entpersonalisiert, Datenschutz hat Vorrang. Es geht am Ende ja auch nur um eine kurze Übersicht, bevor ich zum eigentlichen Thema komme.
Käuferschutz und Verkäuferschutz
Beide Karten waren nicht mehr zu gebrauchen, allerdings war der Käufer klug genug, das alles über PayPal abzuwickeln und den Käuferschutz zu nutzen. Diesen Punkt muss man noch einmal hervorheben. Auch als Verkäufer sollte man, bevor man so eine Sendung abschickt, eine eindeutige Dokumentation der Ware erstellen, unbedingt auch mit einem Zeugen. Das Gleiche gilt auch für den Käufer, der so eine Sendung am besten mit Zeugen öffnet und den Inhalt sofort dokumentiert. Genau das hat in diesem Fall dem Käufer wohl ganz gut geholfen, auch wenn PayPal noch auf einer Begutachtung durch eine qualifizierte Person besteht, was verständlich ist. Sonst könnte ja jeder kommen. Genau hier komme stattdessen nun ich ins Spiel, denn ich habe diesen Part (ausnahmsweise!) mal übernommen.
Ich möchte darum bitten, mich jetzt nicht in Folge des Artikels mit solchen Dingen übermäßig zu bombardieren, denn es ist ein einmaliges Entgegenkommen für die Community, weil der Fall auch sehr eindeutig ist. Falls es ähnliche Fälle gibt, habe ich natürlich immer ein offenes Ohr, weise aber darauf hin, dass meine zeitlichen Ressourcen arg begrenzt sind. PayPal, ob man diesen Dienst mag oder nicht, kann mit dem Käuferschutz jedoch eine brauchbare Option sein, um sich abzusichern. Deshalb nutze ich dies auch selbst in dieser Form.
Wasserschaden und Folgen
Zunächst muss ich erst einmal voranstellen, dass beide GeForce RTX 2080 Ti definitiv von einem kapitalen Wasserschaden betroffen sind, der die Funktionalität in der Summe komplett einschränkt und vor dem Versand passiert sein muss. Es handelt sich somit bei beiden gefluteten Karten um irreparable Totalschäden, was ich gern noch im Detail erläutern möchte. Zumal man Spuren einer versuchten Rettung mittels Wassers feststellen konnte, was wiederum darauf deutet, dass der Verkäufer genau gewusst hat, was er da für einen Schaden fabriziert hat.
Der erste, bereits von außen sichtbare und protokollierte Schaden ist ein Eintritt der lila eingefärbten Flüssigkeit zwischen dem Terminal des Wasserblocks und der Platine im Bereich der oberen Speicher, gut zu erkennen an den eingefärbten Wärmeleitpads, die den Speicher an den Wasserblock thermisch anbinden.
Man erkennt am Acryl des danach abmontierten Wasserblocks noch Spuren einer zweiten Flüssigkeit, wobei festzuhalten ist, dass destilliertes Wasser allein keine solchen Spuren verursachen kann. Es ist davon auszugehen, dass hier im schlimmsten Fall mit Leitungswasser gespült wurde, um die eingefärbte Pastellflüssigkeit zu entfernen. Auch wenn die Karten später abgetrocknet wurden, verbleibt an vielen, versteckten Stellen im Inneren natürlich noch genügend Restflüssigkeit, um beim späteren Transport auszutreten und um dann ein solches Schadensbild beim Austrocknen zu ergeben.
Dass die Karten unsachgemäß mit einer zudem komplett ungeeigneten Flüssigkeit (höchstwahrscheinlich sogar unter Druck) gereinigt wurden, zeigen die Restspuren auf dem abmontierten Kühler. Der markierte Bereich ist der erhabene Kühlbereich des PWM-Controllers der Spannungsversorgung des Speichers, der zudem mit einem Wärmeleitpad versehen direkt auf diesem Schaltkreis aufliegt. Man sieht sogar sehr deutlich durch verbliebene Reste und dem Verlauf, in welche Richtung gespült wurde.
Im nächsten Bild erkennt man nun sehr gut das Gegenstück in Form des betroffenen PWM-Schaltkreises, auf dem sich sogar noch Reste der ausgetretenen Kühlflüssigkeit befinden. Da derartige Flüssigkeiten zudem gerinfügig elektrisch leitend sind, kann man an dieser Stelle zumindest von einem Feinschluss der externen 12-Volt-Leitung (Buchsen rechts) und den Bereichen um den Controller ausgehen. Die Flecken auf den Buchsen und der Platine resultieren aus Kühlmittelrückständen und dem genutzten, später eingetrockneten Wasser, sowie der beschädigten Schutzlackierung der Platine
Ein weiterer Grund für den Totalausfall der Karte ist die Flutung des hochsensiblen Bereiches unter dem BGA des Grafikchips. Man erkennt sogar mit bloßem Auge die farbigen Rückstände der eingetretenen Flüssigkeit im Bereich der MLCC-Stützkondensatoren.
Das ließe sich zwar aufwändig wieder reinigen, allerdings würde jede Reinigung die aufgebrachte Tropikalisierung (acrylbasierter Schutzlack gegen Umwelteinflüsse wie Luftfeuchtigkeit usw.) weiter schädigen bzw. komplett zerstören. Dass diese Schicht bereits partiell irreparabel geschädigt wurde, sieht man hier erneut an den dunklen Stellen. Inwieit es bereits zu Feinschlüssen und Bauelementeschäden gekommen ist, lässt sich im aktuellen Zustand auch nicht mehr überprüfen, da eine Inbetriebnahme zur Messung nicht mehr möglich ist.
Das letzte Bild dokumentiert zudem den Betrugsversuch, eine günstige OEM-Karte als Markenware (Asus) zu verkaufen. Die auf der Platine aufgedruckte, sogenannte UL-Nummer (E203413) verweist auf Micro-Star International Co Ltd (also kurz MSI) als Hersteller dieser Grafikkarte, wie sie oft in SI-Produkten verwendet wird (in diesem Fall bei einem Fertig-PC von z.B. Dell, die auch gern auf MSI-Motherboards setzen). Man sieht am PCIe-Slot auch die irreversiblen Schäden an den Datenleitungen der Lanes am Ende des Slots. Da auch hier die Lackierung der Platine sehr angegriffen aussieht, wäre bereits dies ein kompletter Totalschaden, da es in einem sehr sensiblen Bereich (Datenübertragung zum Motherboard) passiert ist und auch Langzeitschäden nicht auszuschließen sind.
Was tun, wenn es einem doch einmal selbst ein Wasserschaden ereilt?
Auch hier gilt Regel Nummer Eins: sofort alles stromlos schalten (Steckdose!) und danach bloß nicht in Panik verfallen!
- Das Stoppen eines weiterern Auflaufens und das Absichern des Netzteils vor eindringendem Wasser stehen an erster Stelle. Sicherheitshalber Pumpe abziehen, da das Netzteil noch Strom liefern kann.
- Das grobe Entfernen der Flüssigkeit mit geeigneten Materialien (Lappen Küchenpapier) von den Oberflächen. Dabei gilt: nie wischen oder verschmieren, sondern nur tupfen!
- Ausbau aller betroffenen Komponenten und grobes Abtrocken von außen.
- Bei betroffenen Grafikkarten MUSS der Kühler vorsichtig abmontiert werden.
- Flüssigkeitsreste können, je nach Flüssigkeit, vorsichtig abgetupft werden, nie wischen! Für Zwischenräume eignen sich auch Wattetupfer hervorragend.
- Bei ausgelaufenen sauberem, destillierten Wasser reicht eigentlich meist eine einfache, natürliche Trocknung.
- Alle gefärbten oder Pastellflüssigkeiten müssen VOR dem Austrocknen hingegen möglichst rückstandsfrei entfernt werden.
- Die Reinigung darf NIE mit Leitungswasser erfolgen! Maximal mit Isopropanol (kein Brennspiritus!), einem sauberen und sehr weichen (Kosmetik-) Pinsel sowie Tupfern.
- Vor dem finalen Trocknen muss eine sehr genaue Oberflächenprüfung erfolgen, etwaige Reste sind nachzuarbeiten.
- Das Trocknen sollte langsam erfolgen, also nie fönen oder in den zu heißen Backofen legen! Wenn Backröhre, dann maximal 50 bis 70 °C und Umluft. Trotzdem noch über Nacht warm und trocken lagern.
Zusammenfassung und Fazit
Gebrauchtware in den Marktplätzen der sozialen Netzwerke kann per Zufall und mit etwas Glück durchaus auch mal ein Schnäppchen sein, keine Frage. Aber selbst bei höherpreisigen, seriös assehenden Offerten kann der Teufel im Detail stecken, so wie hier. Denn da hat ein blutiger Laie seinen Schaden durch unsachgemäße Reinigungsversuche noch weiter verschlimmert und danach das Ganze mit vollem Wissen der Umstände als funktionsfähig verkauft. Dazu kommt, dass man versucht hat, eine günstige OEM-Karte als Markenware zu verkaufen, wobei die OVP so auch nicht zum verpackten Produkt passen kann. So etwas geschieht auch nicht aus Versehen, sondern in vollster Absicht.
Ich bin kein Richter oder Ermittler und werde deshalb auch keine Beurteilung des Verkäufers abgeben, denn ich kann und darf das gar nicht. Aber die ganzen Umstände deuten ziemlich eindeutig darauf hin, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging und ich nur hoffen kann, dass PayPal das von mir separat erstellte Gutachten inhaltlich auch vollumfänglich im Sinne des geprellten Käufers anerkennt und den Käuferschutz aktiviert. Den Rest muss jeder mit sich selbst und seinem Gewissen ausmachen. Wenn er denn überhaupt noch eines hat. Update folgt.
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