Die Befestigung des Heatsinks ist durchaus fragwürdig
Da AMD mit vier durchgesteckten Gewindehülsen und einem Spannkreuz arbeitet, kann man die Schrauben so fest anziehen, wie man will – das Drehmoment wird sich ab einem gewissen Moment nicht mehr ändern. Da jedoch alle Hülsen gleich lang sind (und damit auch das Drehmoment an allen Schrauben stets identisch ausfällt), funktioniert so etwas auch nur, wenn der Heatsink darunter wirklich absolut plan ist. Falls nicht, differieren nämlich die Anpressdrücke extrem, auch bei identisch festgezogenen Schrauben! Genau das mit der geraden Auflage aber war bei meinem Exemplar nicht der Fall. Das könnte dann auch erklären, warum in einigen Fällen ein Austausch der Wärmeleitpaste quasi gar nichts bringt und das Temperaturgefälle zwischen GPU-Temperatur und Hotspot identisch bleibt.
Im Vergleich zu NVIDIA, wo der Kühlerblock samt Vapor-Chamber und deren Heatsink vom Rest des Platinen-Mountings unabhängig und flexibel bleibt, setzt AMD statt auf einen lockeren Einsatz leider auf ein nahezu monolithisches Konstrukt. Der Heatsink kann sich also nicht noch unabhängig vom Rest des Aufbaus eventuellen Spaltmaßen und Ungenauigkeiten anpassen, sondern ist fest fixiert. Solange die horizontale Ausrichtung in allen Ebenen parallel und plan zur GPU erfolgt, ist daran auch nichts auszusetzen. Wenn…
Legt man nun die Platine drauf, dann sieht man, dass die Hülse sogar noch deutlich übersteht! Zusammen mit den Limitierungen des Federkreuzes kann jede der vier Schrauben also nur bis zu einem identischen und limitierten Wert fest angeschraubt werden. Wenn der Heatsink oder die GPU (oder sogar beides) nicht wirklich plan sind und auch noch Höhendifferenzen an allen möglichen Punkten aufweisen, dann ist der resultierende Anpressdruck natürlich an allen Stellen sehr unterschiedlich. Das merken wir uns einmal, denn jetzt wird gemessen!
GPU vs. Heatsink – da passt nichts zusammen
Die GPU ist leicht konvex, was nicht weiter schlimm ist. Ganz gerade wird man das eh nie hinbekommen und wer sich an die „Buckelwale“ bei NVIDIAs ersten Samsung-GPUs und meine Analysen erinnert, der weiß natürlich, was ich damit meine. Damals war es wohl die unzweckmäßig ausgeführte Laminierung der GPU-Platine (Mangel der Original-Folie), die leicht schrumpfte und sogar noch den Die mit verzog. Die hier gemessenen Werte sind im Gegensatz dazu noch echt verträglich. Die gemessenen 0,07 mm Unterschied zwischen Rand (Chiplets) und Mitte (GFX) sind nichts, was man nicht mit einem guten Gap-Filler locker ausgleichen könnte. Zumal diese Differenzen an allen Ecken fast identisch ausfallen. Die GPU scheidet also als ungleichmäßige Oberflächen-Zerstörerin erst einmal aus.
Womit wir wieder beim Heatsink angekommen wären. Diesmal habe ich die maximale Auflösung des Scanners genutzt, was leider auch zwei Tage für diesen kleinen Ausschnitt gekostet hat. Aber es hat sich wirklich gelohnt. Betrachten wir auch hier einmal die Höhenunterschiede. Von Links nach Rechts, also längsseitig zur GPU sehen wir jeweils außen und mittig einen leichten Anstieg von 0.04 mm. Der Heatsink steht also nicht ganz im gleichen Winkel zur GPU, sondern definiert eine leicht schiefe Ebene. Darüber hinaus ist er zwischen den schmalen Seiten hin auch noch unterschiedlich gewölbt.
Einzeln betrachtet, sind auch das normale und durchaus auch einigermaßen hinnehmbare Toleranzen. Legt man jedoch die „schiefe“ und in sich noch einmal leicht gebogene Ebene auf die ohnehin schon konvexe Fläche der GPU, dann landet man bei bis zu 0,11 mm Differenz. das ist schon eher hässlich aber auch noch nichts, was man nicht mit einer guten Paste irgendwie kompensieren könnte. Aber wenn man sich das Mounting betrachtet, dann nützt die beste Paste eigentlich nichts, wenn der Anpressdruck partiell nicht ausreicht, weil die Verschraubung nicht mehr hergibt.
Zusammenfassung und Fazit
Innerhalb solcher Toleranzbereiche ist es sicher möglich, die Stopper zu umgehen, passende Schrauben mit größeren Köpfen zu verwenden und die überstehenden Hülsen mittels höherer Unterlegscheiben zu neutralisieren, so dass man beim Verschrauben mit neuer, guter Paste den Anpressdruck besser dosieren kann. Da ich nicht AMD bin und auch die maximal zulässigen Werte nicht kenne, lasse ich hier aus Sicherheitsgründen mal ein Fragezeichen im Raum stehen. Hohl liegende Chipflächen mit Kraft krumm zu biegen, nur damit sie sich dem schiefen und in sich gewölbten Heatsink anpassen, ist sicher mit einem gewissen Risiko verbunden. Das aber ist etwas, was ich keinem meiner Leser unverantwortlich aufbürden möchte. Das muss dann jeder für sich selbst entscheiden.
Allerdings konnte ich mit einer passenden Wärmeleitpaste (Alphacool Apex B-Stock, also die festere), jeweils zwei Unterlegscheiben pro Hülse und passenden Schrauben anstelle des Spannkreuzes auch den bei mir aufgetretenen Hotspot sogar noch im Vergleich zur „normalen“ Karte auf ein leicht darunter liegendes Delta von 15 bis 17 Kelvin absenken, was mittels einfachem Pastentausch so nicht geklappt hat. Das nehme ich für mich persönlich als Fazit mit und weise trotzdem noch einmal explizit auf des Vorwort auf Seite Eins hin. Es war bei meiner Karte der nachvollziehbare und auch messbare Grund, er muss es aber bei anderen Karten nicht zwingend sein. Es kann auch direkt an der Chamber und möglichen Produktions- bzw. Konstruktionsfehlern liegen, da ist das letzte Wort mit Sicherheit noch nicht gesprochen. Nur braucht man dafür sehr viel mehr Zeit und Samples.
Es ist sicher auch gut vorstellbar, dass einzelne der in der GPU platzierten Sensoren Unfug messen und die Telemetrie solche Ausreißer nicht abfängt (Plausibilitätstest). Das wäre denn ja auch per Firmware-Update durch AMD gut lösbar. Dagegen spricht aber (zumindest bei mir) der heutige Versuch, wo nach der Neumontage ohne Spannkreuz plötzlich auch wieder die Temperaturen der sechs Chiplets annährend gleich hoch ausfielen, wo es vorher immerhin noch bis zu 8 Kelvin Unterschied waren und meine Karte sogar besser performte als das Original ohne Hotspot-Problem. Es ist auf alle Fälle ratsam, eine Stellungnahme von AMD abzuwarten. Ich für meinen Teil habe mein Problem zumindest lösen können.
Den leichten Unterschied zwischen vertikaler und horizontaler Montage hatte ich übrigens auch mit der „reparierten“ Karte und zwei weiteren, eher unverdächtigen Modellen, was man eindeutig der Vapor-Chamber und Kühlerkonstruktion als solcher anlasten könnte. Das hatte aber meines Erachtens nichts direkt mit dem Hotspot zu tun, weshalb es eigentlich ein anderes Thema ist. Falls jemand mit seiner RX 7900 XT(X) herumexperimentiert oder noch Probleme findet, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme sehr freuen. Inzwischen warte ich erst einmal, was das Schwarmwissen und AMD noch so alles ans Tageslicht bringen (oder auch nicht).
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