Messungen
Nun ja, traue keinem Diagramm, das Du nicht selbst erstellt hast. Allerdings war ich im Großen und Ganzen dann schon positiv überrascht. Die erste Messung habe ich omnidirektional gemacht, also mit dem Preset für die Kugelcharakteristik. Unterhalb von ca. 45 Hz und oberhalb von ca. 14 KHz kann man einen Pegelabfall messen und auch hören. Was aber nicht weiter schlimm ist, denn ich bin in erster Linie an der möglichst naturgetreuen Sprachwiedergabe interessiert.
Normalerweise verwende ich wegen der besser ausgeblendeten Nebengeräusche die Nierencharakteristik (“Cardoid”) und es ist interessant zu sehen, dass es auch elektronisch gelöst funktionieren kann. Der Frequenzverlauf ist nunmehr leicht anders und auch die Sibilanten werden ab 6 KHz leicht angehoben. Hier könnte man jetzt z.B. mit “Gain” ein klein wenig spielen, um mit der Crispyness zu kokettieren. Das ist also noch gar nicht einmal uncool. Nur der Oberbass samt den unteren Mitten geht etwas zurück.
Für ein 100-Euro-Mikrofon mit USB-Anschluss sieht das Gemessene besser aus, als man es hätte vermuten können. Doch wie immer gilt: die Wahrheit sitzt stets mit am Tisch und so werde ich natürlich auch subjektiv urteilen, was ich damit aufnehmen konnte.
Sound-Check
Im praktischen Einsatz setzt sich fort, was ich bereits messen konnte. Man sollte das hängende Mikrofon so drehen, dass man, falls man die Niere nutzt, die beste Empfindlichkeit für die eigene Sprache erhält und gleichzeitig auch die niedrigsten Nebengeräuschpegel aufzeichnet. Das kann beim Aufstellen etwas dauern, ist aber sehr gut investierte Zeit. Man sieht auch an meiner Einstellung, dass ich nicht direkt ins Zentrum der “Niere” spreche, zumal man ja etwas unterhalb sitzt.
Der Praxistest der Aufhängung konnte ebenfalls überzeugen, denn wo ich normalerweise mit einem extremen Low-Cut arbeiten muss, um nicht die sehr tieffrequenten Waschmaschinen- bzw. Schleudergeräusche aus dem direkt unter dem Büro liegenden Waschhaus mit einzufangen (Körperschall), wird hier nichts mit aufgenommen. Die leichte Drehung des Mikrofons resultiert übrigens aus den leichten Aufzugsgeräuschen, die man damit quasi ebenfalls einigermaßen wegbekommt.
Die Stimme klingt trotz des eher neutralen Verhaltens noch warm, aber ohne zu blubbern oder im Grundton alles zuzuschmieren. Damit kann man gut leben, zumal man es oben hinaus Dank des “Gain”-Reglers auch noch schön anpassen kann. Die Empfindlichkeit ist extrem und wer nicht erst einmal alles zudreht, wird erschreckt davon laufen, weil es gegebenenfalls schon verzerrt und prasselt. Weniger ist mehr und mit dem “Gain” sollte man es weder über- noch untertreiben.
Zusammenfassung und Fazit
Normalerweise stehe ich Produkten mit vordergründig optischem Touch und zu viel hipper Werbung erst einmal grundsätzlich skeptisch gegenüber. Aber das, was Blue da für ca. 200 Euro als Bundle anbietet, ist mechanisch solide, optisch ansprechend, haptisch eine Freude und akustisch eine sehr brauchbare Lösung. Mehr muss man dazu fast nicht schreiben, denn echte Schwachstellen findet man keine.
Sicher, es ist keine echte Studio-Technik und manches Detail hätte man wohl auch noch besser lösen können, doch das ist überflüssiges Jammern auf zu hohem Niveau. Wenn mich etwas neben dem Hauptfaktor Klang überzeugen konnte, dann waren es die vorzügliche Verarbeitungsqualität und die überdurchschnittliche Materialanmutung. Billig ist und wirkt das alles nicht, aber für das Gebotene ist es wirklich preiswert.
Für alle, die wie ich immer mit einer abrupten Geste von Nonchalance aus Versehen den Schreibtisch leerwischen, ist so ein aufgehängtes Mikrofon eine echt Wohltat. Wenn es dann auch noch gut funktioniert und nett aussieht: umso besser. Der Kauftipp ist somit redlich verdient und ich habe jetzt endlich noch mehr Platz auf der Platte, den ich vollstellen kann. Wenn, dann wäre das der größte Fehler, denn ich finden konnte.
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