Aktuell ist irgendwie ja alles knapp. Egal, ob es es nun Grafikkarten, Motherboards oder schlichtweg simple weiße Ware samt Ersatzteilen aus dem Haushaltsgeräte-Sektor ist, in der ja auch meist mehr Elektronik steckt, als einem lieb sein kann. Und oftmals scheitert es auch schon an Dingen, die man so gar nicht auf den ersten Blick erkennen kann bzw. von denen man es gar nicht erwartet hätte. Passende Beispiele dafür habe ich leider genügend gefunden.
Ich habe mich selbst mal ein wenig auf Recherche begeben und diverse Quellen angezapft, Puzzlesteinchen und Schnittmengen gesucht. Das, was sich da als Trend abzeichnet, wirft eigentlich kein gutes Bild auf das, was man freie Marktwirtschaft nennt. Denn mit Markt und Wirtschaft hat Vieles schon nichts gar nichts mehr zu tun. Eher mit Mangelwirtschaft und zutiefst gestörten Lieferketten. Das, was NVIDIAs oder AMDs CEOs in den letzten Tagen zur Verfügbarkeit in der zweiten Jahrenshälfte gesagt haben, scheint im Zusammenhang mit dem Zustand der gesamten Branche nicht nur arg optimistisch, sondern eher wie das Rufen eines ängstlichen Kindes im Walde. Man kann sicher vieles wegimpfen und in Wuhan feiert man auch schon wieder Parties, aber irgendwie muss man ja die zappeligen Kunden bei der Stange halten, die noch downgelockt den Mund-Nasen-Schutz glattbügeln.
Jetzt könnte ich natürlich zum großen ideologischen Rundumschlag ausholen, aber das führt dann doch etwas zu weit und würde nur langweilen. Also bleiben wir heute mal allein bei den eher unverdächtigen Grafikkarten und Netzteilen. Ansonsten verweise ich natürlich auf meine vorausgegangenen Artikel zum Thema (Nicht-)Verfügbarkeit:
Es fehlt an fast allem
Dass die GPUs selbst auch reichlich knapp sind, ist ja kein Geheimnis. TSMC hat sich bei den Bestellungen verhoben und kann gar nicht alles liefern, was bestellt wurde. Gleichzeitig auf drei Hochzeiten zu tanzen (3, 5 und 7 nm) ist außerdem ressourcenmordend und auch in normalen Zeiten kaum schaffbar. NVIDIAs Move zu Samsung erweist sich da im Nachhinein fast schon als clever, denn Samsung kann sich zum Teil auf eigene Ressourcen und Lieferketten stützen, was die grundlegenden Komponenten bis hin zum Packaging betrifft. Doch auch da hakt und knirscht es, wenn auch nicht so krass wie bei TSMC und ASE als globalem Packager.
Ich muss, auch um die Quellen zu schützen, jetzt mal auf manche Firmennamen verzichten, aber es ist auch so hochinteressant genug. Beginnen wir mal mit der GeForce RTX 3060 Ti, die sich bei Minern leider einer sehr hohen Beliebtheit erfreut. NVIDIA produziert hier Stückzahlen an Chips, die normalerweise für eine Marktsättigung in “Friedenszeiten” wohl locker gereicht hätte. Man hat aber im Vorfeld eben nur so viel bestellt, wie die langfristige Vorhersage (“Forecast”) ergeben hatte. Und genau hier beginnt eines der Probleme, denn man kann ja nicht eben mal so losmarschieren und einfach alles nachbestellen.
So eine einfache GeForce RTX 3060 Ti wird derzeit in China bei Barzahlung mit bereits deutlich über 700 USD gehandelt. Krass, aber leider wahr. Für die Hersteller, die solche Karten direkt an Miner verkaufen, ist das also eine glatte Goldgrube, denn man umgeht dadurch ja auch die üblichen Folgekosten für die RMA, aber eben auch kostenintensive Dinge wie Support, Marketing, Logistik und Versand. Hersteller (AIC), die sich rein auf Consumer-Produkte versteift haben wie die allseits aus den Shops bekannten Marken, sollen internen Informationen zufolge oft genug nicht mehr als 2.000 GA104-200 GPUs pro Monat erhalten haben! Diese wiederum orientieren sich nun eher an der GeForce RTX 3070 mit dem GA104-300, weil dieser fürs Mining kaum besser geeignet, aber deutlich teuer im Einkauf ist. Aber auch da sind die Stückzahlen noch lange nicht bedarfsdeckend, wenn auch reichlich hoch.
Dass die AIC hier auch mit nach Gold/Geld schürfen, bleibt natürlich auch den Komponentenzulieferern keineswegs verborgen, die ihrerseits natürlich ebenfalls mit am großen Kuchen knabbern wollen. Ergo wird alles, bis zum letzten Stanzteil hin, Schritt für Schritt deutlich teurer. Und dann kommen die bereits aufgetretenen, echten Lieferengpässe. Doch beginnen wir mal mit den aktiven Komponenten neben der GPU, über die die meisten Leser in diesem Zusammenhang gar nicht nachdenken würden.
PWM-Controller als rationierte Goldstücke
Wusstet Ihr, dass z.B. sogar die PWM-Controller knapp geworden sind und fast mit Gold aufgewogen werden? Alles, was der NVIDIA-Referenz entspricht, seien es Komponenten von Monolith oder UPI, ist mittlerweile streng rationiert. Hier erfolgt eine exakte Zuteilung an die AIC, indem NVIDIA die Lieferstückzahlen der GPUs an die AIC mit den Anbietern der PWM-Controller koordiniert und diesen auch detailliert kommuniziert. Schöner Nebeneffekt für Neugierige wie mich: es kennen noch mehr Leute die wahren Stückzahlen und die Informationslöcher werden größer. Aber einfach mal so mehr herstellen? Ginge gar nicht!
PWM-Controller findet man ja nicht nur auf Grafikkarten (sondern auch auf Motherboards usw.) und es rächt sich mittlerweile schon ein wenig, dass man vor allem bei den größeren NVIDIA-Karten auf eine so aufwändige Phasenaufteilung setzt. Einfachere Controller sind nämlich durchaus lieferbar und so ergeben so manche Platinen-Layouts der Custom-Karten im Nachhinein auch wieder einen tieferen Sinn. Das betrifft aber auch AMDs AIB, denn auch Infineon hat diverse Nachschubprobleme, egal ob nun hochwertige PWM-Controller (Bild) oder hocheffiziente Smart Power Stages, die auch sonst in der Industrie reißenden Absatz finden.
Doch auch andere Chips sind knapp, von denen man es erst recht nicht vermuten würde. Dazu gehören auch die sogenannten Monitoring-Chips. Hersteller wie UPI oder ON Semi sind da nur ein Beispiel von vielen, denn diese Chips werden auch sonst in der Konsumgüter-Industrie gern genommen.
Wenn der Speicher knapp wird
Auch der Speicher ist von der Verknappung betroffen. Da hilft NVIDIA auch der exklusive Deal mit Micron beim GDDR6X nichts, denn der wäre ja eigentlich da, aber die GA102-GPUs fehlen bzw. lassen sich bei den Stückzahlen nicht flexibel in der Liefermenge steigern. Und abwärtskompatibel ist der auch nicht. Forecast is a bitch. Da hilft es NVIDIA auch nicht wirklich, zusammen mit Samsung in einem Boot zu sitzen, wenn es um die langsameren Module geht. Naja, ein bisschen schon, aber die grundlegenden Probleme bleiben.
Der deutlich einfachere GDDR6 ist nämlich auch von der Verknappung betroffen. Hier liegt der Ball allerdings bei NVIDIA (und auch AMD), weil die GPUs ja mit dem jeweiligen Speicher gebündelt geliefert werden. Es kann also durchaus vorkommen (und ist es auch schon), dass zwar GPUs zur Verfügung stünden, aber der Speicher fehlt. Stichwort Konsolen (aber nicht nur). Diesen Run hat so auch keiner voraussehen können/wollen und Sony bzw. Microsoft hätten ja auch gern was vom Kuchen ab. Und dann kommen noch die ganzen Notebook-Hersteller, deren Umsätze, auch wegen der Pandemie und dem Home-Office-Run, immer noch extrem steigen. GDDR6X braucht hier niemand, es muss schon GDDR6 sein. Dann aber muss NVIDIA wieder alles im Bundle liefern und der Kreis schließt sich.
Netzteil-OEMs in der Klemme
Zu behaupten, es gäbe keine Netzteile, ist komplett falsch und sogar irreführend. Es gibt nur keine für den Endanwender passenden. Hergestellt wird nämlich alles Mögliche und sogar mehr als noch im letzten Jahr, nur verschwinden die Ressourcen in höheren Wattklassen, die der Normalanwender so gar nicht braucht. Womit wir wieder beim leidigen Mining und der nötigen Infrastruktur angekommen wären. Mal abgesehen davon, dass ein Mining-Netzteil etwas anders konzipiert und mit mehr Kabeln bestückt wird – auch die Kapazitäten der ganzen OEM sind nicht unendlich ausbaubar. Und bei den Kabelanbietern hat sich nicht nur der höhere Kupferpreis rumgesprochen, sondern auch die Margen der PSU-Hersteller. Abhaben wollen ist da die erste Devise.
Selbst seriöse Hersteller wie FSP beliefern zudem die ebenfalls boomende Konsumgüter-Industrie mit Stecker- und Platinennetzteilen bis hin zu kompletten TV-Zusatzplatinen. Da teilen sich die Ressourcen natürlich auf, auch wenn es auf den ersten Blick meist andere aktive Komponenten sind. Allerdings sind die passiven Bauteile oft genug die gleichen und genau da beginnt dann wieder der Wettlauf um die Belieferung mit Nachschub. MLCCs sind nötig, gute Low-ESR und Low-Impedance Kondensatoren erst recht. Und bei den PC-Netzteilen sieht es besonders mau aus, denn Leistungs-MOSFETs, Gleichrichter-Brücken, einfache Dioden und Supervisor-Chips sind genauso rar und teurer geworden, wie passive Teile in Form von Transformatoren, Spulen und Widerständen.
Als qualitätsbewusster Anbieter kann man da nicht einfach auf Produkte der immer mehr werdenden, neu eröffneten Hersteller ausweichen, denen meist die nötige Zertifizierung fehlt und deren produzierte Bauelemente eher von fragwürdiger Langzeitqualität sind. Hier stehen sich kurzfristige Verfügbarkeit samt verlockender Preise und hohe Folgekosten durch spätere Mängel bzw. Ausfälle gegenüber. Ein Risiko, dass kaum ein seriöser Hersteller eingehen wird. Im profitgetrieben Mining-Business steht hingegen der schnelle Profit im Fokus, da ist das Morgen kein wirkliches Thema. Wobei mittlerweile auch FSP auf den lukrativen Mining-Zug aufgesprungen ist und zumindest Netzteile für den “Edel-Miner” herstellt, die den normalen Anschluss an der heimischen Steckdose gerade noch so ermöglichen..
Es gibt noch andere Defizite
Eine etwas erheiternde Randnotiz muss ich hier noch anheften, denn es hat zumindest indirekt etwas mit Grafikkarten zu tun. Viele GPU-Wasserblöcke sind nämlich derzeit nicht oder nur eingeschränkt lieferbar, weil die behämmerten, adressierbaren LED-Stripes knapp geworden sind und nicht das Kupfer oder Nickel. Das liegt weniger an den LED selbst, die gibt es inflationär, sondern an der ebenfalls dort verbauten Steuerelektronik. Das ergab eine kleine Anruf-Runde mit führenden Anbietern der Branche.
Während viele große Gehäuse- und Netzteil-OEMs wie z.B. HEC Compucase sogar seit mehreren Jahren schon eine eigene LED-Fertigung betreiben, sind die Zulieferer konfektionierter Teile vom Run geradezu überrascht worden. Abnehmer findet man auch in China zur Genüge und man erspart sich hierbei sogar die ganze Logistik bis hin zum Export. Die Paletten werden quasi oft genug einfach frei Ladekante bei den Fertigern verkauft und selbst abgeholt. Asien ist mittlerweile ein einziger Lampenladen und ein Ende des RGB-Wahns ist kaum absehbar.
Künstliche oder echte Verknappung – es macht gar keinen Unterschied
Es gibt drei wichtige Ursachen für eine Verknappung und den damit auch verbundenen Preisanstieg. Zum einen wäre da die echte Verknappung, die aus der gestiegenen Nachfrage und/oder fehlenden Ressourcen resultiert. Dann sind da zum anderen noch die Zulieferer, die Waren horten bzw. zurückhalten, um ihrerseits die Preise hoch zu treiben und selbst am Boom mit zu partizipieren und die natürlich auch nur so viel verkaufen und liefern wie nötig, weil der Lagerbestand morgen schon wieder deutlich mehr wert sein könnte. Genau da gruppiert sich auch die dritte Kategorie der Zwischenhändler und Börsen-Jongleure ein, die mit Optionen oder physikalischen Beständen jonglieren, als gäbe es kein Morgen mehr.
Wenn die Blase mal platzt, dann sicher mit einem größeren Knall als das oben abgebildete Billig-Mining-Netzteil. Stellt sich nur die Frage, wann das passiert und wie leidensfähig die Endkunden sind. Exakt dies kann momentan wohl niemand beantworten, so dass ich mich mit dieser offenen Frage an dieser Stelle erst einmal ausklinken muss. Aber ich bleibe dran, versprochen.
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