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TaoTronics TT-SK019 Soundbar im Test – Preisbrecher oder Brechreiz?

Preiswert oder einfach nur billig? Ich mache heute mal den Selbstversuch mit einer 75-Euro-Soundbar von TaoTronics, bei der jeder Zentimeter Länge mit fast schon unglaublich günstigen 75 Cent zu Buche schlägt. Analoge und optische Eingänge, Bluetooth und ein Display – alles soll bei der TaoTronics TT-SK019 dabei sein. Doch geht das überhaupt?

Ich meine, welche Kompromisse bei Technik, Klang und Verarbeitung muss man eigentlich eingehen, um überhaupt auf so eine (fast schon albern geringe) Summe zu kommen? Ob das dann am Ende gut ausgeht, das werden wir alle gleich noch sehen bzw. hören – ich für meinen Teil war jedenfalls enorm gespannt, als der brüllende Meter hier im Labor eintrudelte.

Unboxing und Lieferumfang

Karton aufgemacht und eifrig ausgepackt: Sapperlot, es ist wirklich alles dabei. Die Soundbar als solche, ein passendes Steckernetzteil mit knapp 40 Watt Maximalleistung, eine ordentliche Fernbedienung, ein optisches Kabel, ein Cinch-Klinkenkabel, sowie Schrauben, Dübel und Abstandshalter für die Wandmontage. Das kann man so lassen, zumal man sogar noch ein ausgedrucktes Handbuch dazu erhält.

Optik, Haptik, Funktionalität

Das 1,01 Meter x 6,4 Zentimeter x 7,9 Zentimeter große Teil besteht aus einem Kunststoffkorpus in blendender Klavierlackoptik, wobei wenigstens die Front und die Oberseite vom Lochmetall in Gun-Metallic abgedeckt sind. Auch die Seiten sind beide matt, womit man auch etwas hätte, was man gefahrlos anfassen kann. Der Rest ist die personifizierte Fingerabdruckskartei und die Freude eine jeden Daktyloskopen.

Mit knapp zwei Kilo ist dieser schwarze Meter Klangmöbel nicht sonderlich schwer und sperrig, aber er will trotz allem auch unter- oder angebracht werden. Doch dazu gleich mehr.

Die Bedienung am Frontpanel beschränkt sich auf den Standby-Taster, Mute, sowie die Lautstärke. Die IR-Fernbedienung bietet zusätzlich noch die Bereichsauswahl für den analogen, Koax- und optischen Eingang, sowie Bluetooth. Solange die Soundbar mit Bluetooth verbunden ist, klappen auch noch die Playerfunktionen wie Start/Pause, Vor und Zurück. Das Display ist nicht sonderlich hell, macht aber, was es soll.

Die Rückseite wird von den Hochglanzflächen dominiert, die neben der Vorliebe zur Fingerabruckssammlung auch noch sehr kratzempfindlich ist. Man sieht neben dem eingesetzten Panel für die Eingänge auch noch die zwei Wandhalterungen samt der benötigten Öffnungen.

Hier hat der Hersteller clever mitgedacht, denn man liefert neben den Dübeln und sehr langen Schrauben auch noch zwei praktische Kunststoffhalterungen aus Schaumgummi, um den Abstand zur Wand zu schaffen und die Soundbar auch akustisch etwas zu entkoppeln. Das hatte ich so zum ersten Mal und es passt.

Die Konnektivität ist ausreichend, denn man hat Eingange satt. SPIF, Koaxial und Cinch sind mit an Bord, dazu kommt dann noch der Stromanschluss für das Steckernetzteil, fertig ist der Lack. Bluetooth ist ja drahtlos.

Verstärkerleistung und Leistungsaufnahme

TaoTronics nutz eine recht simple Class-D Umsetzung mit DSP, wobei dem Gerät leider eine Höhen- und Tiefenregelung verwehrt bleibt. Ich habe im Standby leicht mehr als 0,5 Watt gemessen, wobei dies zu gleichen Teilen auf Steckernetzteil und Verstärker entfallen sollte. Während es im Durchschnittsbetrieb knapp 10 Watt waren, liegen die Peak-Werte bei der Leistungsaufnahme primärseitig bei maximal 26 Watt.

Die ausgelobten 40 Watt werden nie und nimmer als elektrische Leistung anliegen, im Gegenteil. Vergleichsmessungen der Schallpegel ähnlicher Soundbars mit bekannter Leistung und Leistungsaufnahme lassen hier eher auf maximal 10 bis 12 Watt pro Kanal schließen, also in ungefähr die Hälfte. Das ist immer noch eine Menge, aber eben auch nicht das, was man versprochen bekommt. Hier muss man also bereits Abstriche machen.

Der nächste Wermutstropfen ist das recht deutlich hörbare Grundrauschen. Der Hersteller scheint das Problem allerdings durchaus zu kennen, denn nach ca. 2 Sekunden Leerlauf schaltet der Verstärker in den Leerlauf und das Rauschen ist weg. Sobald ein Signal anliegt, ist das Rauschen mit der Endstufe allerdings schlagartig wieder da. Bis zum nächsten Mal.

Das ist zwar auf diesem Weg dann schon einigermaßen kaschiert, aber wirklich nicht schön. Womit wir mittlerweile mit Minderleistung und hohem Grundrauschen bereits zwei herbe Einschränkungen am bisher so positiven Erscheinungsbild verzeichnen müssen. Schade, aber es gibt eben auch Pferdefüße. Damit musste man ja sogar rechnen.

Messung des Frequenzverlaufs

Ich nutze für die Messung den analogen Eingang und eine total lineare Ausgabe ohne irgendwelche externen Verfälschungen. Das ist insofern der ehrlichste Weg, weil man so einer möglichst objektiven Einschätzung des Frequenzverlaufs doch relativ nahe kommt. Verschlimmbessern, also versalzen und überpfeffern, kann es der geneigte Benutzer dann ja immer noch selbst am besten. Wenn es die Quelle hergibt, denn an der Soundbar selbst geht ja nichts.

Kommen wir bei der ersten Grafik zur neuen Messung. Ich habe den Frequenzverlauf zwar weiterhin bei 1 KHz auf 0 dB normiert, so dass man einerseits gut den Gesamtverlauf mit allen Zugaben und Frequenzabfällen bewerten kann und andererseits auch nicht ganz die Vergleichsmöglichkeit zu vorangegangenen Messungen verliert. Aber es ist trotzdem anders, weil ja in der ersten Grafik die Glättung wegfällt. Das alles sieht dann natürlich deutlich “hibbeliger” aus, passt aber auch wesentlich besser zur Realität. Denn eines ist auch klar: es gibt sie ja gar nicht, die ideale Kurve.

Die zweite Kurve repräsentiert die selbe Messung, glättet jedoch die Kurve wieder wie gehabt (wie sie auch die PR gern verwendet). Man sieht sehr wohl den Unterschied und jeder kann sich nun an dem orientieren, was er lieber hat. Profi (oben) oder Consumer, der eher einen groben Anhaltspunkt sucht (unten)

Soooo schlecht sieht die Kurve dann für schlappe 75 Euro doch gar nicht aus. Die zwei aktiven Lautsprecher (einer pro Kanal), sowie jeweils ein passiver Subwoofer spielen ganz passabel auf. Bis zum tieferen Oberbass ist alles auch klassenüblich angefettet, ab ca. 70 Hz abwärts geht es dann, auch physikalisch bedingt, in den Keller des Nimmerwiederhörens. Der Rest verläuft nach oben hin erstaunlich linear, was ich so gar nicht erwartet hatte. Der Normalhörer wird jedoch garantiert Höhen und Tiefen vermissen. Hörgewohnheiten können gar grausame Wegbegleiter sein.

CSD (Cumulative Spectral Decay)

Die Kurven der spektralen Zerfallsanalyse bieten weitere sehr nützliche Informationen über die Leistung der verbauten Treiber im Zusammenspiel mit der mechanischen Ausführung der Box. Diese Analyse basiert auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthält aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigt nun als 3D-Grafik (“Wasserfall”) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch “ausklingen” oder “ausschwingen” genannt.

Normalerweise sollte der Lautsprecher nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo das Chassis vielleicht besonders “scheppert” oder wo sogar Resonanzen (auch und vor allem im Gehäuse) auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Was wir sehen, ist ein ziemlich mitagierendes Gehäuse von den Mitten bis hinab zu den unteren Mitten und dem Oberbass. Kunststoff in Ekstase also, aber zu erwarten. Der Hochtonbereich ist hingegen erstaunlich perfekt.

Subjektiver Höreindruck

Setzen wir zunächst erst einmal den optimalen Standort voraus, also die Wand samt Abstandshaltern. Die ganze Fuhre agiert für die Größe nicht mal schlecht, allerdings fehlen aber leistungsbedingt etwas die großen Pegel. Wer den TV analog anschließt, sollte versuchen, Höhen und Tiefen am TV zu regeln, am Kopfhörerausgang klappt das meistens. Dann kann man noch etwas Höhenschaum und Tiefenreinigung beisteuern.

Basswiedergabe

Der Tiefbass ist abwesend. logisch. Die Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz) ist in Teilen so ab ca. 50 Hz noch präsent, aber die Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) fehlt hingegen komplett, was der Physik und der technischen Umsetzung geschuldet ist. Es geht einfach nicht, damit muss man rechnen und auch leben.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, ist existent und soll mittels Anfettung subjektiv das ersetzen, was da unterhalb als Fundament fehlt. Die Idee ist branchenüblich, funktioniert aber nur teilweise. Musik ist erträglich, Stimmen hingegen, vor allem männliche, sind gut ausgeprägt. Immerhin.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich genannt) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden – auch noch ganz gut gelungen und zudem nicht so überbetont wie gerade eben noch bei den Herren. Die oberen Mitten bis etwa zwei Kilohertz werden zudem recht sauber und fast schon linear wiedergegeben.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Obertonwiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe. Hier finden wir keinerlei Gründe zur Beschwerde, erstaunlich. Man kann es wirklich anhören.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die leichte Delle bei ca. 6 KHz lässt die Sibilanten etwas zurück in den Hintergrund treten, was eher warm und nicht metallisch klingt. Diese Interpretation ist eigentlich ganz ok. Die oberen Höhen und der Superhochton sind danach bis ca. 13 KHz etwas angehoben worden, womit man sich dem Mainstream andient, aber ebenfalls nicht falsch macht.

Fazit und Zusammenfassung

Es ist am Ende dann doch nicht DIE P/L-Bombe schlechthin, wo man die maximale Gewinnausschüttung bereits für lau bekommt. Das Grundrauschen (das sich clever selbst abschaltet, wenn man es bei fehlendem Signal wahrnehmen könnte) und der Fake mit der doppelt so hoch angesetzten Verstärkerleistung vereiteln hier einen Kauftipp. So ehrlich muss man dann doch sein.

Aber es ist trotz allem ein Preis-Leistungskracher, wenn man bloß mal eben so einen Tröt-Meter für den Balkon braucht, weil der im Flat-TV verbaute Akustik-Rödel den schlechten Grotten-Olm gibt. Dann ist es die Neugeburt, auch wenn zum echten Schluck an der Soundbar auch noch etwas hochprozentiger gehen könnte. Hier fehlen Tiefgang, Brillanz und ein paar Spielmöglichkeiten für den Klang.

Und sonst? 75 Euro kann man dafür schon ausgeben, trotz der kleinen Mängel. Denn Das Teil hat bei 30 Grad und in praller Sonne über sechs Stunden im freien zeigen dürfen, wie haltbar es ist. Die Soundbar geht übrigens noch, nur die Ohren verlangen nach Abwechslung. Womit sich der Kreis schließt, denn mehr als eine nette und sehr konnektive Option ist das alles nicht.

Technische Daten und Handbuch

Die technischen Daten haben wir in einer Tabelle noch einmal zusammengefasst:

Lautsprecher
Prinzip: Aktives 2.0 Lautsprechersystem als Soundbar
Chassis: Breitband, keine näheren Angaben
Subwoofer: Passivmembran
Frequenzweiche: keine
Frequenzbereich: keine Angaben
Ausgangsleistung: ca. 2 x 10 Watt (40 Watt Herstellerangabe)
Korpus: Kunststoff
Anschlüsse: Digitaler TOSLINK-Anschluss, Koax, Cinch (analog)
Bluetooth: A2DP Standard für kabellose, digitale Signalübertragung (ab BT 2.1)
Bedienung: Infrarot-Fernbedienung für alle Steuerfunktionen
Gewicht: ca. 2 Kg
Leistungsaufnahme: 0,5 Watt (Standby), 10,4 Watt (Durchschnitt), 25,8 Watt (Peak)
Preis
ab ca. 75 Euro bei Amazon

Für ganz Neugierige haben wir auch noch das Handbuch als PDF parat:

User-manual-3841437

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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