Natürlich kann ich keine 14 Motherboards testen, denn einerseits muss ich die Samples ja aus dem Handel besorgen bzw. sogar selber kaufen und andererseits fehlen mir Zeit und Ressourcen, um das dann auch mit der nötigen Sorgfalt und ständigen Gegenmessungen auch zu realisieren. Da geht mein Dank erneut an X-Hardware, einen lokalen Händler aus Chemnitz, der mir (sicher auch nicht ganz ohne eigenes Interesse) immer wieder mal Motherboards zum Testen überlässt.
Deshalb beschränke ich mich letztendlich für diesen Artikel auf drei Motherboards von denen ich nach dem Kurztest eine größeren Auswahl an Motherboards weiß, dass sie alle Szenarien wirklich ausreichend abdecken werden. Also so etwas wie die Forschungsgruppe Wahlen, nur eben in Motherboards. Exemplarisch zur Auswahl gehören am Ende der Selektion ein Asus Prime X570-P, ein ASRock X570 Pro 4 und ein MSI X570-A Pro, also die jeweiligen Einstiegsmodelle der drei Hersteller. Ergänzend dazu habe ich aus gutem Grund von Gigabyte noch ein A320M S2H V2 gemessen – allerdings nicht nur um die Grenze nach unten hin auszuloten und etwas abzurunden, sondern auch weil der Chipsatz recht flott agierte. Dazu im Fazit noch mehr.
Eine Vorbemerkung muss ich allerdings noch kurz voranstellen, denn ich beziehe mich im Artikel sehr bewusst auf Allcore, also den Takt, der mit allen Kernen gleichzeitig möglich ist. Das, was aktuell an Diskussionen über der maximal möglichen Boost-Takt auf einem oder zwei Kernen läuft, ist hiervon nicht oder nur indirekt betroffen, denn solche Dinge liegen in der Firmware-Optimierung begründet, während die heutige Problematik auch und vor allem das Design und die Komponentenbestückung betrifft.
Sensorwerte jenseits jeglicher Logik
Warum ich den eigentlichen Motherboardtest nicht machen möchte und kann, ist schnell erklärt. Man kann sicherlich die Performance vergleichen oder einfach mal die Infrarot-Kamera auf die Spannungswandler richten, nur bringt dies kaum eine informativen Mehrwert, wenn man nicht auf die zum Teil doch erheblichen Unterschiede eingeht, die beim direkten Messen an der Hardware und dem indirekten Auslesen der Sensoren auftreten. Deshalb beginne ich Eingangs auch mit einer Tabelle dessen, was ich gemessen bzw. ausgelesen habe. Genau dies ist aber mit so vielen Fragezeichen versehen, dass es einem schlecht werden könnte. Für die Sensorwerte habe ich HWInfo64 6.10 genutzt und mit anderen Programmen wie z.B. Aida64 verglichen. Die Auslesewerte waren dabei stets identisch (fehlerbehaftet).
Der eigentliche Aufbau ist relativ einfach. Zum Einsatz kommt mit der Alphacool Eisbaer Extreme eine normale All-in-One Kompaktwasserkühlung und nicht der Chiller. Die Raumtemperatur ist kontstant, so dass ich auch auch das Temperaturverhalten zwischen 30 und 80 °C überprüfen kann. Bis auf die Motherboards sind die Komponenten stets dieselben und auch die Rahmenbedingungen sind im Rahmen meiner Möglichkeiten weitgehend gleich. Mit dem Ryzen 5 3600X nutze ich zudem eine 95-Watt-CPU, die sich auch in diesem TDP-Bereich sehr exakt als Wärmespender ausnutzen lässt. Mit einer Ausnahme, aber dazu komme ich gleich noch.
Werfen wir zunächst einen Blick auf erste die Tabelle, die die Boards im Auslieferungszustand zeigt (BIOS Defaults) und begreifen, warum man sich nicht auf reine Auslesewerte beschränken sollte und darf. Die Werte sind der Durchschnitt aus 15 Minuten Volllast mit Prime 95. Das A320-Board habe ich im VRM-Bereich aktiv gekühlt, weil sonst der sichere und stabile Betrieb nicht möglich gewesen wäre. Die passive GT 1030 messe ich am Slot und ziehe den Messwert vom 24-Pin-Anschluss ab.
Messwert/Auslesewert | Asus Prime X570-P |
MSI X570-A Pro |
ASRock X570 Pro 4 |
Gigabyte A320M S2H V2 |
12 Volt EPS (Messung) | 107.8 W | 118,9 W | 122.4 W | 114.7 W |
12 Volt 24-Pin (Messung) | 5.2 W | 6.4 W | 4,9 W | 5.8 W |
Package Power (Sensor) | 105.8 W | 119.2 W | 53.6 W | 97.1 W |
CPU-Power (CPU Kerne, Berechnung) | 91.5 W |
88.2 W |
92,2 W |
89.7 W |
CPU-Power (Sensor) | 59.9 W | 87.4 W |
38.1 W |
77.2 W |
SoC-Power (Sensor) | 14,1 W* | 7.71 W | 4,3 W | 8.9 W |
CPU + SOC (Sensor) | 73.9 W | 95.1 W | 42.4 W | 86.2 W |
CPU + SOC (Berechnung) | 105.6 W* | 94,7 W | 96,3 W |
98.3 W |
Core Clock (Average) |
4076 MHz |
4061 MHz |
4073 MHz |
4061 MHz |
Das Asus-Motherboard ist als einziges mit DrMOS bestückt. Die Power Stages (SiC639 von Vishay Siliconix) sind zwar noch nicht das obere Ende der Nahrungskette, aber für diesen Preispunkt sehr lobenswert. Das zeigt sich auch in der sehr hohen Effizienz der Spannungswandler, die im CPU-Bereich in der Praxis sicher nur knapp unter 95 Prozent liegen dürfte. Die anderen Boards, die alle mit Einzel-MOSFETs bestückt sind, schneiden da deutlich schlechter ab und liegen nur im unteren 80-Prozent-Bereich.
Die Folgen lassen sich recht einfach ausrechnen, denn das effizienteste Board ist nicht nur das schnellste, sondern auch das kühlste. Doch wenn wir uns dann die jeweiligen Sensorwerte der Boards anschauen, dann fällt auch auf, dass das, was das Motherboard kalkuliert, oft genug komplett daneben liegen muss, weil die Werte schlichtweg nicht plausibel sind. Die löbliche Ausnahme ist das MSI-Board, welches fast immer im Bereich plausibler Werte liegt, gefolgt vom billigen Gigabyte A320M, das zwar etwas daneben liegt, aber immer noch akzeptabel bleibt. Die größten Abweichungen liefert das Board von ASRock, dessen Sensorwerte komplett unbrauchbar sind. Zu diesem Board muss ich dann später auch noch ein paar weiterführende Ausführungen machen, denn das BIOS ist schlichtweg fehlerbehaftet bis bedenklich.
Inductor DCR als erster Erklärungsversuch
Ich will jetzt keinem stundenlang ein Ohr abkauen, aber etwas Theorie muss ich jetzt doch mal einschieben. Die Informationen über die fließenden Ströme erhält man entweder von den MOSFETs direkt (Drain-Messung), dann spricht man von einer MOSFET DCR (Direct Current Resistance). Aktuelle Smart Power Stages (SPS) bieten diesen Rückgabewert als IMON sogar in sehr kleinen Intervallen und sehr exakt. Allerdings ist auf keinem der Boards aus Kostengründen die nötige Kombination aus SPS und passendem PWM-Controller verbaut, so dass alle vier Motherboards auf die sogenannte Inductor DCR setzen müssen.

Die DCR (Direct Current Resistance) ist die Basis, um Temperaturen und Ströme zu kalkulieren. Doch wie erfährt der Controller nun genau, welche Ströme in welchem Regelkreis fließen? Die Spannungen sind ja bekannt, aber beim Stromfluss kann man hier auf Grund der extrem hohen Ströme nicht einfach mal so auf Shunts und den resultierenden Spannungsabfall setzen. Hier kommt nun die sogenannte Inductor DCR ins Spiel, also eine Strommessung über den induktiven Widerstand der jeweiligen Filterspulen im Ausgangsbereich. Die Genauigkeit dieser sehr günstigen Lösung ist allerdings deutlich geringer und wird zusätzlich noch durch Schwankungen der Bauelemente-Güte sehr stark beeinflusst. Zu große Toleranzen können also schnell auch einmal die komplette Balance kippen.
Außerdem sind diese Ergebnisse eher Schätzungen und Kalkulationen, jedoch keine direkten Messungen im herkömmlichen Sinne mit einem fest definierbaren Toleranzbereich. Was in den Werten der obigen Tabelle als recht verlässlich bzw. plausibel einzuordnen ist, sind einerseits meine Messungen an den Motherboard-Anschlüssen und der Rückgabewert der CPU über die einzelnen Kerne und deren Leistungsbedarf. Diese Angabe hat sich als zuverlässig herausgestellt. Da man den SoC-Wert, der z.B. den I/O-Controller, den Speicher-Controller und andere kleinere Verbraucher betrifft, mit 7 bis 10 Watt beziffern kann (je nach Modell, Auskunft eines Boardpartners), bleiben hier zumindest einige verlässliche Werte übrig, auf die sich aufbauen lässt. So sind die 14 Watt, die Asus hier ausgibt, eher unwahrscheinlich, sonst lägen die Spannungswandler bei der Effizienz ja schon fast im 100%-Bereich. Deshalb habe ich den Wert in der Tabelle mit einem * gekennzeichnet.

Betrachtet man abschließend die maximalen Taktraten (alle Kerne gemittelt über 15 Minuten) mit dem, was ich in der Tabelle als CPU + SoC (Berechnung) aufgeführt habe, dann korrespondiert diese Wattzahl ganz gut mit dem erreichten Takt. Die Boards liegen am Ende beim Takt einigermaßen gleichauf, wenn man mal die Messtoleranzen mit einbezieht, unterscheiden sich aber bei der realen Leistungsaufnahme. Bevor wir jetzt weitermachen, möchte ich noch eine wichtige Anmerkung einschieben, um das Nachfolgende auch emotionslos besser einordnen zu können:
Alle Boards mit VRM-Kühler hatten keine Probleme mit höheren Lasten, selbst wenn die Spannungswandlerverluste bei dem einen oder anderen Board höher lagen. Wenn ich später die Boards ohne Kühlkörper messe, dann geschieht dies lediglich zu Demonstrationszwecken und nicht deshalb, weil eines der Boards für seine Aufgabe ungeeignet gewesen wäre. Die Bauelementeauswahl unterliegt stets auch Kostenzwängen, so dass man natürlich auch Abstriche akzeptieren muss, solange die Funktionalität und mögliche Haltbarkeit nicht nachweislich beeinflusst werden.
Noch ein kurzer Blick auf das Testsystem und weiter geht’s:
Testsysteme und Messräume | |
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Hardware: |
AMD Ryzen 5 3600X 2x 8GB Trident DDR4 3600 1x 1 TB OCZ SSD 1x Seagate FastSSD Portable USB-C Seasonic Prime 1200 Watt Titanium Netzteil |
Kühlung: |
Alphacool Eisblock XPX Aphacool Eisbaer Extreme |
Gehäuse: |
Raijintek Paean (offen, ohne Glas) |
Monitor: | Eizo EV3237-BK |
Leistungsaufnahme: |
berührungslose Gleichstrommessung am PCIe-Slot (Riser-Card) berührungslose Gleichstrommessung an der externen PCIe-Stromversorgung direkte Spannungsmessung an den jeweiligen Zuführungen und am Netzteil 2x Rohde & Schwarz HMO 3054, 500 MHz Mehrkanal-Oszillograph mit Speicherfunktion 4x Rohde & Schwarz HZO50, Stromzangenadapter (1 mA bis 30 A, 100 KHz, DC) 4x Rohde & Schwarz HZ355, Tastteiler (10:1, 500 MHz) 1x Rohde & Schwarz HMC 8012, Digitalmultimeter mit Speicherfunktion |
Thermografie: |
1x Optris PI640, 2x Xi400 Infrarotkameras Pix Connect Auswertungssoftware mit Profilen |
Betriebssystem | Windows 10 Pro (1903, alle Updates), Treiber aktuell |
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