Grundlagenartikel Wieviel Watt muss ich in meine neue Grafikkarte investieren und was kostet mich das?

Xandros

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Dez 31, 2021
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Seit dem Erscheinen der Ampere- und RDNA2 Generation wurde viel über deren Leistungsaufnahme geschrieben und diskutiert.

Die mit den unterschiedlichen Modellen zu erreichenden Leistungsmaxima standen aufgrund der zwischenzeitlich astronomischen Preise in keinem vernünftigen Kosten-Nutzen Verhältnis mehr. Mittlerweile haben sich die Grafikkartenpreise zwar wieder einigermaßen stabilisiert, bewegen sich aber weiterhin, und wahrscheinlich auch absehbar in der kommenden Grafikprozessorgeneration, erheblich über den Verhältnissen der vergangenen GPU-Generationen.

Zusätzlich steigen die Preise nicht nur für die menschlichen, sondern auch für das Grundnahrungsmittel aller GPU, nämlich elektrische Energie. Und das absehbar auch für die kommenden Jahre, womit eine angepasste Bedarfsplanung bezüglich Kosten-Nutzen-Rechnung sinnvoll erscheint.

Auf ausgiebiges Benchmarking verzichte ich, da wesentliche Erkenntnisse auf den einschlägigen Hardware-Seiten in Hülle und Fülle verfügbar sind und die meisten Erkenntnisse dieses Artikels auch ohne konkrete Zahlenwerte nachvollziehbar sein dürften.



Limitierung der GPU-Leistung

Zumeist beruht eine Grafikchipgeneration eines Hersteller stets auf dem gleichen Grundgerüst, d.h. auf Einheitenblöcken mit einer spezifizierten Anzahl (teilweise funktionell unterschiedlicher) Transistoren. Im Regelfall werden unterschiedliche Mengen dieser Blöcke in den einzelnen Chipklassen freigeschaltet oder überhaupt erst verbaut (GA102, GA104, GA106 – bei den aktuellen nVidia-Modellen). Damit ist auch die Leistung zunächst einmal proportional zur Anzahl der verbauten, aktiven Blöcke. Zumindest sofern man unter gleicher Spannung und gleichem Takt vergleicht.
Was früher noch als Privatvergnügen mit diversen Hilfsmittelchen anhand des erworbenen Einzelstückes mühsam herausgefunden werden musste, präsentieren die Hersteller mittlerweile als automatisches Gratisfeature – nämlich die Übertaktbarkeit. Angegeben wird per se ja kein Maximaltakt mehr, sondern der minimal zu erreichende Boost-Takt. Das auch hier Marketing-Enten unterwegs sind, fällt bei Durchsicht der Testergebnisse unmittelbar auf. So zeigen insbesondere die bereits leistungshungrigen Oberklassekarten unter Dauerlast meist einen Rückgang ihres Taktes in den nominalen Non-Boostbereich. Aber auch die kleineren Karten kommen aufgrund der TBP an ihre Grenzen.
Auffällig bei den durchgeführten Tests ist die exorbitante Zunahme der Leistungsaufnahme in den maximalen Taktbereichen, d.h. für die letzten 5-10% mehr FPS sind annähernd 25% mehr elektrische Energie nötig. Damit einher geht eine überproportionale Zunahme der Abwärme, was sich schlussendlich auch in den Temperaturen und in der Lüfterdrehzahl negativ bemerkbar macht.

Daher erscheinen die Spielchen der Boardhersteller, mit deutlichen Aufpreisen auf Karten mit angehobener TBP, völlig abstrus – denn hier werden bei bereits ineffizientem Verhalten nochmals deutlich mehr Watt/FPS-Zuwachs eingeplant.


Wie spare ich denn nun Strom?

Einen kleinen Hinweis geben die Hersteller im Rahmen des angegebenen Basistaktes. Zumindest bei den von mir dahingehend durchgeführten Versuchsreihen mit einer RTX 3070 und 3080Ti lassen sich die Basistaktraten als sehr effiziente Bereiche, SweetSpots, identifizieren. Darüber hinaus kann auf dem Boden des passenden Undervolting dieser Hocheffizienzbereich weiter optimiert werden.

Energiekosten:

Was kostet mich der Strom im Jahr sowie in der zu erwartenden Kartenlebensdauer (3 Jahre), wenn ich diese 3h am Tag in Leistungseinstellung betreibe?
365Tage/Jahr x 3h/d = 1095h/Jahr; kWh Strom bei ca. €0,50


Typische RTX 3080Ti: 350W = 0,35kW *1095h*0,5€ = 192€/Jahr
x3 Jahre = 576€/3 Jahre

Typische RTX 3070: 220W = 0,22kW*1095*0,5€ = 120€/Jahr
x3 Jahre = 360€/3 Jahre



Einsparpotential:

Undervolting/Underclocking der RTX 3080Ti: Ca. 210W bei 0,76V im Basistakt (Ca. 1400MHz):
0,21kW*1095h*0,5€ = 115€/Jahr x3 Jahre = 345€

Ersparnis: 77€/Jahr x3 Jahre = 231€

Undervolting/Underclocking der RTX 3070: Ca. 100W bei 0,75V im Basistakt (Ca. 1500MHz):
0,10kW*1095*0,5€ = 55€/Jahr x3 Jahre = 165€

Ersparnis: 65€/Jahr x3 Jahre = 195€



Und wieviel Grafikleistung opfere ich dafür?

Bei der RTX 3080Ti:
Ohne Nutzung des Boost und mit entsprechend angepasster Spannungskurve liefert die Karte etwa 75% der maximalen FPS bei knapp 140W (40%) reduzierter Leistungsaufnahme.
Die Leistung liegt damit in etwa auf dem Niveau einer 3070Ti, es werden allerdings 70W weniger benötigt.

Bei der RTX 3070:
Ohne Nutzung des Boost und mit entsprechend angepasster Spannungskurve liefert die Karte ebenfalls etwa 25% weniger FPS bei aber knapp 120W (60%) reduzierter Leistungsaufnahme.

Mit der Stromdiät einhergehend lassen sich beide Karten quasi unhörbar betreiben. Die Verbrauchswerte orientieren sich an Vollauslastung des Grafikchips unter angegebener Taktfrequenz mit geeigneter Benchmarksoftware.



Was ist die Quintessenz aus dem ganzen Gefasel von da oben?

Natürlich die, dass es durchaus sinnvoll sein kann, über den Kauf einer Karte mit Leistungsreserven nachzudenken und diese dann auf Diät zu setzen.

Wie komme ich zur für meine Verhältnisse erforderlichen Grafikkartenleistung und damit zur für mich richtigen Kartenvariante?
  • In welcher Auflösung wird mein Monitor betrieben (Nativ)?
  • Einen LED-Monitor außerhalb der Nativparameter zu betreiben, ergibt aus Ergonomiegründen überhaupt keinen Sinn.
  • Was ist die von mir angestrebte Bildwiederholrate, bzw. wie viele FPS kann mein Monitor überhaupt ausgeben und will ich dies auf Biegen und Brechen ausreizen*.
  • Wieviel VRAM benötige ich (Abhängigkeit von der Monitorauflösung!)
  • Muss ich in zwei Jahren die neuesten Spiele noch auf maximaler Detailstufe betreiben können oder spare ich mir heute das Geld für eine aktuelle Kartengeneration in 3 Jahren.
*) Auf sehr spezielle, teilweise bereits paranoide, Betrachtungsweisen zur Auswahl von Monitor und Grafikhardware möchte ich dabei nicht näher eingehen. Hier seien die Stichwörter Darstellungs-, Ausgabelatenz und Input-Lag genannt. Typischer Spruch: „Es lag an der Hardware, meine Reaktion ist immer schnell genug“.

Zudem sollte man sich dringlich überlegen, wie viele FPS man in welcher Auflösung anpeilen möchte. Daher fängt die Entscheidung zum Kauf einer neuen Grafikkarte nämlich bereits bei der Auswahl eines geeigneten Monitors an. Wer auf ein Schnäppchenangebot für eine UHD-Monitor anbeißt, hat nachfolgend das Problem, diese Kiste auch mit Bildern in rascher Folge bedienen zu müssen, um Spaß daran zu haben. Und den hat man sicherlich dann nur mit einer Oberklasse-Grafikkarte für deutlich über 1000€. Wie extrem der Anstieg der Bildpunkte ausfällt, habe ich mal für die Standardauflösungen angefügt:

UHD 3840x2160 (ca. 8,3 Mio. Bildpunkte)
UWQHD 3550x1440 (ca. 5 Mio. Bildpunkte)
WQHD 2560x1440 (ca. 3,7 Mio. Bildpunkte)
QHD 2560x1080 (ca. 2,8 Mio. Bildpunkte)
HD 1920x1080 (ca. 2,1 Mio. Bildpunkte)

Bei UWQHD und insbesondere darunter besteht bezüglich der Grafikkarte ein breiteres Spektrum an Auswahlmöglichkeiten, entsprechend den persönlichen Präferenzen. Bereits WQHD besitzt nur noch weniger als die Hälfte der Bildpunktzahl eines UHD-Gerätes und benötigt deshalb auch nur weniger als die Hälfte der Grafikpower für die gleiche Darstellungsgeschwindigkeit. Da sich auch die Berechnung der zusätzlichen „Pixelinformationen“ weitgehend proportional verhalten, ändert sich an der Rechnung nichts relevant.

Ansonsten kann die Anschaffung einer Grafikkarte etwa eine Preisklasse höher als die eigentlich benötigte, einen erheblichen Teil der Betriebsenergie einsparen. Wie oben ersichtlich erreicht eine 3080Ti in deutlich kastrierter Taktrate immer noch ein besseres Ergebnis als eine voll ausgereizte 3070 und mit weniger Energie etwa die gleichen FPS wie eine dann leistungshungrigere 3070Ti (210 vs. 280W). Gleiches dürfte ebenfalls für die 3080-12 (also ohne Ti) gelten, während die undervoltete und untertaktete 3080-10 am ehesten gegen die 3060Ti/3070 pari gehen dürfte.

Zu guter Letzt bleibt noch der Vorteil, eine grundsätzlich leistungsfähigere Hardware ggf. noch ein Jährchen länger ohne Kopfschmerzen betreiben zu können, sollten die GPU-Preise mal wieder durch die Decke gehen oder falls man in absehbarer Zeit den Umstieg auf einen höher auflösenden Monitor plant.


Empfehlung:

Bei Neukauf sollte eine Grafikkarte auf maximalen Details ihre Zielauflösung flüssig wiedergeben, d.h. bestenfalls 100fps bei aktuellen, fordernden Titeln erreichen. Damit lassen sich dann mittels Undervolting noch gute Stromspareffekte erzielen und falls erforderlich kann, auch bei steigenden Anforderungen unter Aufgabe der Sparfuchseinstellung, für mindestens 3 Jahre ein zufriedenstellender Weiterbetrieb erfolgen. Außerdem kann bei weniger fordernden Anwendungen/Spielen, teils sogar in den Spareinstellungen, durchaus ein 165Hz-Monitor weitgehend ausgelastet werden.

Für die aktuelle Grafikkartengeneration hieße das:

Für eine Auflösung von 1080p empfiehlt sich daher eine RX6700XT/RX6750XT* oder 3060Ti/3070 im Betrieb mit ca. 100-120W.

Für eine Auflösung von 1440p empfiehlt sich eine RX6800XT oder RTX3080-12/3080Ti*, dafür werden um die 200-220W fällig.

In der Auflösung 2160p können nur noch die RX69x0XT oder RTX3090/3090Ti mit >300W empfohlen werden

*) Die RX6800 und die RTX3080-10 sind in 1080p und auch 1440p zu gebrauchen.



Insgesamt amortisieren sich die Mehrkosten für die größere Grafikkarte somit größtenteils aufgrund der erzielbaren Energieeinsparung und der vermutlich längeren Zeit bis zum erforderlichen Austausch.



Grüße, Thomas
 
Hallo Thomas

Interessante Überlegungen. (y)

Bei einem höher auflösenden Bildschirm kann man die Filterungseinstellungen etwas tiefer stellen und bekommt trotzdem etwa den selben Gesamteindruck. Wenn man das einrechnet, steigt der Bedarf an Grafikkartenleistung weniger stark als die reine Pixelzahl. Somit muss man sich nicht durch einen schlecht auflösenden Bildschirm einschränken wenn man gerade die Gelegenheit hat, einen höher auflösenden günstig zu erwerben.
 
Ja, als einer, der zwar mit UV nicht zuviel zu tun hat, aber doch generell halbwegs durchblickt, kann ich sagen, dass dein Beitrag schon in etwa korrekt ist.
Bei der geschätzen Jahresleistung hätt ich für viele wohl etwas tiefer angesetzt, da viele Spiele in den meisten Situationen trotz den 300 W Spitzenleistung in vielen Szenen merklich darunterliegt. Dafür spielen vielleicht einige mehr als die drei Stunden. Aber wenn man die Werte so annimmt, dann ist das schon ok.

Wobei die Hauptmessage, "etwas weniger FPS bringt deutlich weniger Verbraucht" steckt ja quasi in jedem zweiten Beitrag von Igor, zumindest wenn er grad keine RGB-Mäuse mit Surroundsound unter dem REM untersucht.
 
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