Grundlagenartikel Virtual Reality und Augmented Reality - was man darüber wissen sollte...

Oryzen

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Virtual Reality und Augmented Reality - was man darüber wissen sollte...​

Weil wir hier über die Basisausrüstung von Enthusiasten-PCs sprechen, möchte ich ein bisschen Grundlagen zu VR teilen, die dann hilfreich für Anwendungen sein könnten.

Bionische Grundlagen​

Wir nehmen die dritte Dimension stereoskopisch wahr, damit letztendlich jedoch über Bewegung, sowohl unseres Körpers wie der Augen. Aus den Bewegungsbildern und deren Unterschieden rechnet unser Gehirn dann eine 3D-Welt aus. Statisch kann das für passives Sehen nicht funktionieren, das kann man leicht mit den berühmten optischen Täuschungen prüfen, die man erst dann versteht, wenn man sich aus der "Täuschungsachse" bewegt.

FoV- Field of View​

Wir haben ein Sichtfeld von ca. 210° horizontal und 170° vertikal, an den Seiten abgeflacht und unschärfer werdend, darauf kommen wir später noch zurück.
Die Augen haben ein überlappendes Sichtfeld von ca. 90° -100°
Merke: Größer ist besser für die Immersion, aber über 210° ist nutzlos.

Auflösung und Farbraum:​

Unsere Auflösung (Visus) ist ungefähr 1,0. d.h. wenn das Auge aus einem Abstand von fünf Metern 1,5 Millimeter große Details an einem Objekt erkennen kann. Wir nehmen mehrere Millionen (2-20 Mio) Farbunterschiede (Farbtöne und Helligkeiten) wahr, je nachdem wir gemessen und gezählt wird. Da die Auflösung aber in der Fovea am schärfsten ist, und nach außen nachlässt, kommt man auf effektiv einige Megapixel pro Auge (geschätzt >10 MP), die nichtlinear verteilt sind. Auch das müssen wir uns für später merken.
Darüber hinaus ist der Kontrast (Hell-Dunkel) wesentlich für die Immersion, je besser desto größer die Immersion.

Abtastrate / Frames pro Sekunde​

Auch wir menschen "takten" wie nahezu jedes Tier mit verschiedenen Betriebsfrequenzen (Biorhythmen) Wir menschen erkennen ab ca. 30 FPS Bilder als "bewegt" an, bei 80-90 FPS wird es als fließend wahrgenommen, und die Auflösungsgrenze liegt bei ca. 250 FPS, was insbesondere bei schnellen Bewegungen relevant ist.
Merke: hohe FPS sind besser für die Immersion

Merken wir uns, es gibt Grenzen für unser Sehen, sowohl Untergrenzen als auch Obergrenzen.

Technische Umsetzung: Virtual Reality, Augmented Reality​

Vereinfacht werden zwei Bilder , die sich überlagern erzeugt, und in hoher Frequenz über eine Optik (Linsensystem) bereitgestellt. Ist das System blickdicht geschlossen, ist es ein VR-System. Ist es nicht blickdicht, und eine Interaktion bzw. Verschmelzen von Realität und VR möglich ODER die Außenbilder werden mit Kameras erfassst und mit eingespielt, spricht man von Augmented Reality.

VR-Brillen​

Die wesentlichen Unterscheidungsfaktoren sind
- Tragekomfort (Gewicht, Balance)
- IPD Anpassung, (Software, manuell, automatisch)
- FoV (H-FoV, V-FoV = horizontales und vertikales Sichtfeld)
- Auflösung (in der Regel pro Auge) in MP
- FPS
- Design (Apple-Jünger, Meta-Fans, Steam-Punks...)
- Betriebsart: Kabelgebunden oder Wireless, PC oder Standalone
- Farbsättingung und Farbraum (OLED; TFT, LED...)
- Schwarzwert (OLED; LED)
- Zubehör und Setup (mit oder ohne Lighthouse, Tracking)
- Ökosystem: Windows+Steam oder Meta oder Apple, Rest ist vernachlässigbar.
- Tracking: Inside-Out, Lighthouses...
- Preis!
...

Zur Unterscheidung verlinke ich mal auf ein paar Tabellen
- Wikipedia EN List ov VR Headsets
- VR-Compare
- HMD Chart - Spec Comparison

Die Frage stellt sich, wozu man eine VR-Brille möchte, und welche Ansprüche man hat.
Typische Anwendungen
- Video, auch 3D-Video (hier 3D-TV-Ersatz)
- VR-Spiele, Showrooms
- Simulationen und Design, auch CAD, Engineering,

Technische Grenzen (Stand 2024) im Consumer / Enthusiast Bereich:
Derzeit liegen die Auflösungen der Displays pro Auge bei ca. 4-5K (Apple Vision Pro, PIMAX 8KX), Eine weitere Grenze, und hier kommt dann der Touchdown, liegt in der Grafikleistung, die ein Consumer-PC derzeit maximal liefern kann, also FPS pro VR-Set mit 2 * 4K Displays beispielsweise.
Da leider kein SLI oder vergleichbare Technologie mehr bereitsteht, damit beide Displays von 2 oder mehr Grafikkarten betrieben werden, muss eine Grafikkarte sowohl die 3D-Berechnungen stereoskopisch für zwei Displays bereitstellen, neben Anwendungsspezifischen Anforderungen (CAD, Simulation, Spiele). Die Framerate (FPS wird also mehr als halbiert, gegenüber einem 4K-Display, der 3D-Overhead kann je nach Anwendung unter 30 FPS laufen, und damit ist die Applikation nicht wirklich benutzbar.
Technische Abhilfe: Haben wir DLSS&Friends, Supersampling, Framegeneration etc. pp. Das reicht aber nur für 2D-Displays. für 3D muss anders vorgegangen werden. Wir erinnern uns, Auflösung ist in der Mitte am schärfsten und lässt nach außen nach. Das wird mit dem sogenannten Foveated Rendering FR ausgenutzt, um sowohl die Rechenlast als auch die derzeit limitierte Ausgabe über Displayport maximal zu nutzen, um höhere FPS zu erreichen. Dafür erkauft man sich ein Augentracking.

Nun kommen wir zu den aktuellen Problemen bei den Headsets.

Immersion geht schief: Motion Sickness - Manche Menschen haben kein Glück, die Immersion ist zu klein für ihre Wahrnehmung, ihnen wird schlecht , wenn sie nur den Kopf drehen. Da heist es abwarten, bis wesentlich bessere Headsets herauskommen, und dann neu versuchen (>5 Jahre warten ab jetzt)

Für andere entstehen Kopfschmerzen durch unpassende Gesichtsmaskenformen, Headstraps und unaugeglichenes Gewicht. Man kann mit Gegengewichten arbeiten, aber ich finde das eher weniger gut. Die Linsen und IPD-Einstellungen können zu Augenbelastungen führen.

Optische Fehler: Chromatische Abberationen, MURA, Ghosting, Godrays können als störend bis unerträglich wahrgenommen werden. Je nach Linsentyp gibt es entsprechende Auswirkungen, und einen aktuellen Glaubenskrieg wegen Pancake- und Fresnell-Linsen.

Man sieht, die Headsets haben noch erhebliche Kinderkrankheiten, und sind vom echten Masseneinsatz meiner Meinung doch noch ein Stück entfernt, Stand heute. Mit Apple Vision Pro und den neueren Headsets der anderen Player ändert sich das aber Schritt für Schritt.

Apple hat mit der Auflösung schon mal einen riesigen Schritt gemacht, auch die AR und sonstige Integration ist gut. Was mir an PIMAX gefällt, ist die FoV, hier mit effektiven >160° bei der PIMAX 8KX. Wer darauf keinen großen Wert legt, bekommt ca. 120-130° FoV wenn er zur HP Reverb G2, Valve Index oder Sony PSVR2, Pimax Crystal o.ä. greift, alternativ im Apple-Universum mit der Vision Pro.

AR-Brillen​

Hier gilt das Gleiche für den VR-Bereich, man muss aber Abstriche machen, da mit AR (Rechen) Kapazität gebunden ist, die bei VR dann fehlt. AR-Headsets haben i.d.R. sehr kleine FoV, typischerweise 90/100°. Ausnahme: Apple (!)
Mir sind die Specs derzeit zu schlecht, dass ich mich damit befasse.

Eine Kaufberatung... gibt es hier nicht.​

Eine Kaufberatung kann es da nicht geben, das ist schlicht individuell verschieden. Aber raten kann ich, das Wunsch-Headset vorher einige Stunden auszuprobieren, entweder bei Freunden oder, soweit noch vorhanden, im Fachhandel. Alleine schon, um Motion Sickness zu erkennen, bzw. auch IPD-Probleme etc.

Zur Zeit nur Guckloch-VR​

Empfehlen würde ich, wenn es die jemals gibt, weil derzeit Vapor-Ware, eine PIMAX 12K mit 200° FoV oder etwas vergleichbares. Neben vielen anderen Kriterien ist hinreichend FoV für mich DAS Entscheidungskriterium für eine gelungene Immersion. Da bieten die Hersteller derzeit schlicht alle nix, es dümpelt bei 120° H-FoV, für mich ist das Guckloch-VR, das gilt auch für Apple.

Randbedingungen​

Darüber hinaus gibt es Randbedingungen: Soweit ein PC-System als Basis dient, muss das wirklich ein potentes System sein. Meine PIMAX 8KX benötigt z.B. die RTX 4090 tatsächlich als "Treiber", da gibt es Anwendungen, die nur mit Wasserkühlung einen relativ "ruhigen" Betrieb bei 350-400W+ für das GPU-Package ermöglichen. Ich hatte die 3090 ein Jahr lang als Heul-Staubsauger, bis ich auf "Bewässerung" umgestiegen bin, jetzt sogar mit Todes-Pömpel.
 
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