Grafikkarten Testberichte VGA

Schneller Sausebraus: Zotac GTX 1080 Ti Amp! Extreme Edition im Test

Tatsächlich erzielbare Taktraten

Der tatsächlich erreichbare Takt unterliegt einigen Einflüssen. Auch wenn die GPU-Qualität hier eine größere Rolle spielt – beeinflussen kann man sie als einziges Element leider nicht. Und so ist es am Ende gut möglich, dass eine nominell langsamere Karte eines Herstellers A schneller ist, als die Karte des Herstellers B, bei der der Kunde im GPU-Lotto eine Art Niete gezogen hat. Somit sind Vergleiche zwischen den Modellen eigentlich immer auch mit einem leichten Beigeschmack des Unwägbaren versehen.

Was jedoch stets in der Hand der Hersteller liegt, sind die Vorgaben und Umstände, mit denen Boost sonst noch arbeitet, um sich dann letztendlich situationsbedingt auf Taktraten festzulegen. Neben Vorgaben wie dem Power Target oder einem Takt-Offset, sind es vor allem die im Betrieb erreichten Temperaturen, die über die Performance entscheiden.

Während man mit der Zotac GTX 1080 Ti Amp! Extreme Edition im Gaming-Loop im kalten Zustand noch bis zu 2012 MHz Boost-Takt verzeichnen kann, sind es im aufgewärmten Zustand immerhin noch bis zu 1974 MHz als Mittelwert über einen langen Run von 30 Minuten. Das ist schon eine Menge Holz für eine durchgewärmte Karte.

Mit einer manuell deutlich aggressiver eingestellten Kühlung und einem etwas höheren Power Target ließen sich die Boost-Takt-Raten sicher auch dauerhaft über 2,0 GHz im geschlossenen Case halten, wenn nicht sogar noch höhere Werte. Das gilt auch für den Boost-Takt bei Dauerlast im Stresstest.

Übertaktungsversuche

Natürlich verträgt die Karte auch größere Übertaktungsversuche, die bei uns in stabil zu erreichenden 2050 bis 2067 MHz mit Luftkühlung endeten. Dafür muss man vorher jedoch die Lüftersteuerung etwas anpassen und es wird dann als Folge auch deutlich lauter. Was man unbedingt tun sollte, ist eine Heraufsetzung des Power Targets auf das mögliche Maximum. Nachfolgend zeigen wir die Ergebnisse, die wir mit unserer Karte und dem MSI Afterburner Extreme nach langer Aufwärm- und Testzeit in Witcher 3 erreicht haben.

Takt-
anhebung
Power Target
Afterburner
Voltage
Afterburner
Durchschnittl.
Boost-Takt
Durchschnittl.
Spannung
Leistungs-
aufnahme
Keine    100% Standard 1974 MHz 1.043 V 307.0 W
Keine 100% Maximum 1987 MHz 1.050 V 313.2 W
Keine 120% Standard 2012 MHz 1.050 V 320,7 W
+30 MHz 120% Maximum 2050 – 2067 MHz 1,062 V 327.9 W

Solange die Temperaturen dann unter ca. 65°C im Gaming-Loop blieben, waren auch 2067 MHz Boost Takt drin, die fast konstant gehalten werden konnten, wenn man von einigen kleineren Einbrüchen absieht. Aber das alles ist GPU-Lotto in Reinkultur und keine Verallgemeinerung.

Beim Speicher muss man Glück und vor allem Ausdauer besitzen, denn nicht alles, was stabil erscheint, ist es auf Dauer auch. Mit geeigneten Spielen (z.B. Witcher 3 oder Metro LL) lässt sich dies aber über einen längeren Zeitraum hin schon recht gut herausfinden. Die 300 bis 350 MHz Dreingabe auf den ohnehin schon etwas übertakteten Speicher waren noch drin, dann ging die Performance aber wieder leicht zurück – bis hin zum Crash.

Infrarot-Analyse der Platinentemperaturen

Wir messen an der GPU-Diode im offenen Aufbau 66°C als GPU-Temperatur, gleichwohl ist der Sockel darunter mit fast 73°C erschreckende sieben Kelvin heißer. Der Grund ist in der eher nachlässigen Kühlung der VR-Komponenten (MOSFETs, Spulen) zu suchen, da die Abwärme zum großen Teil auch über das Mainboard abgeleitet wird. Die vielen Kupferbahnen der Multi-Layer-Platine von der VR zur GPU-Spannungsversorgung sind da quasi eine Art Hitze-Highway ohne Tempo-Limit und Stau.

Im geschlossenen Gehäuse steigt die GPU-Temperatur auf 68°C an, der Sockel hingegen bereits auf knapp 76°C! Das sind jetzt fast schon acht Kelvin Differenz und man vermisst schmerzlich eine bessere VRM-Kühlung. Die Platine wird somit über den CPU-Sockel durch die GPU hindurch mitgekühlt, was bei dem potenten Kühler und den gesetzten Lüfterrichtlinien zwar immer noch zu niedrigen GPU-Temperaturen, wohl aber auch zu unnötig hohen Lüfterdrehzahlen führt.

Nicht anders sieht es beim Stresstest aus, denn bei 65 bis 66°C GPU-Temperatur sind es knapp 73°C am Sockel und somit schon bis zu acht Kelvin Unterschied!

Doch es geht sogar noch extremer, denn beim Stresstest im geschlossenen Gehäuse sind es dann sogar acht bis neun Kelvin Unterschied, was uns schon etwas grübeln lässt.

Generell liegen bei dieser Karte die gemessenen Sockeltemperaturen zwischen sechs und neun Kelvin (!) über denen der GPU-Diode, was auf eine nicht optimale Kühlung der Spannungswandler zurückzuführen ist. Wenn wir uns an die eher kleinen Rippenkühlkörper auf Seite Zwei Erinnern, dann verstehen wir nun auch die Ursache und deren Folgen.

Es wird zwar keine Komponente wirklich grenzwertig thermisch belastet, aber allein der Umstand, dass der GPU-Kühler auf indirektem Weg die Aufgaben der VR-Kühlung mit übernehmen muss, zeigt uns das verschenkte Potential dieses Grafikkartenkühlers. Die daraus entstehenden Nachteile sind nämlich nicht zu überhören, wie wir jetzt gleich sehen werden.

Lüfterdrehzahlen und Geräuschemission („Lautstärke“)

Zunächst aber erinnern wir uns noch einmal kurz zurück an die An-Aus-An-Aus-Problematik der Zotac GTX 1080 Amp! Extreme Edition, bei der uns der Anschubimpuls immer und immer wieder nervte, da die Lüfter danach auf viel zu niedrige Drehzahlen (unter 650 U/min) zurückfielen, die sie einfach physikalisch zum Stehenbleiben zwangen. Wobei sich das Spiel genauso lange wiederholte, bis laut Kurve nach dem weiteren Erhitzen endlich ausreichend hohe Drehzahlen (über 800 U/min) anlagen und die Lüfter, ohne sich selbst zu stoppen, sicher durchlaufen konnten.

Ein BIOS, welches einfach die Trägheit und Anlaufdrehzahlen der damaligen Lüfter zugrunde legte, um den Einschaltzeitpunkt für das Anlaufen auf die erforderliche Temperatur zu setzen, wurde von Nvidia berechtigterweise nicht genehmigt. Und nun? Werfen wir nun einen Blick auf die Lüfterkurven! Der kurze und deutlich niedriger gesetzte Einschaltimpuls wird von einem längeren, statischen Halten der Mindestdrehzahlen von etwas mehr als 800 U/min gefolgt, bis sie dann später analog der Erwärmung auch der gesetzten Lüfterkurve folgen.

Allerdings verbaut Zotac immer noch ähnliche, wenn nicht sogar gleiche Lüfter, so dass wir uns natürlich gefragt haben, wie diese Umsetzung des semi-passiven Lüfterbetriebs nunmehr so plötzlich möglich ist. Da das Ganze eher nach einer zweiten, selbst gelösten Lüfterzu- und Abschaltung neben des BIOSes aussieht, haben wir dazu ein kleines ein kleines Experiment durchgeführt. Wir haben im Idle bei ca. 38°C GPU-Temperatur das PWM-Signal per Override auf 100% gesetzt, so dass man eigentlich die Maximaldrehzahlen hätte erwarten können. Doch obwohl die Überwachungssoftware wie GPU-Z und der Afterburner die angelegten 100% bestätigen, standen die Lüfter still.

Also haben wir die Karte nun im Gaming-Loop erwärmt. Bei exakt 50°C an der GPU-Diode, sprangen die Lüfter plötzlich auf 100%, was unsere Theorie einer proprietären Lüftersteuerung bestätigt. Nach Beenden des Gaming-Loops kühlte die Karte ab, bis bei 49°C die Lüfter schlagartig ausgingen, obwohl die Software immer noch den Override mit 100% anzeigte. Ob und wie Nvidia diese doch sehr ungewöhnliche, aber clever gewählte Maßnahme kennt und billigt, sei mal dahingestellt, es funktioniert zumindest so, wie man es auch ohne diese Trickserei erwartet hätte.

Was wir aber in jedem Fall anmerken müssen, sind die recht hohen Drehzahlen im geschlossenen Gehäuse, die natürlich auch zu einem deutlich wahrnehmbaren Betriebsgeräusch führen. Zunächst haben wir einmal das Hochlaufen der Lüfter nach dem Einschaltimpuls gemessen und als Frequenzspektrum dargestellt. Dabei ist uns erneut die sehr prägnante Klangcharakteristik aufgefallen, die vor allem im Tieftonbereich dominiert.

Der zweite Punkt, der uns etwas störte, weil er noch nicht von den komplett hochgedrehten Lüftern überdeckt wurde, ist das Geräusch aus Richtung der Spannungswandler. Betrachten wir anhand des abgebildeten Spektrums einmal den Bereich zwischen ca. 8.2 und 16 KHz, dann sehen wir einen sehr deutlich ausgeprägten Pegel.

Bei vielen Karten liegt dieser Frequenzbereich deutlich höher (16 KHz und mehr), da auch die DC/DC-Konverter mit einer offensichtlich deutlich höheren Schaltfrequenz (400 KHz und weit darüber) arbeiten. Doch solche Feinheiten sind nur mit guter Kühlung der MOSFETs möglich, denn dann steigt auch deren Temperatur. Wir schlussfolgern daraus, dass Zotac eine eher niedrigere Schaltfrequenz gewählt hat, die zwar die Wandler etwas kühler agieren lässt, jedoch auch die akustischen Nebenprodukte besser zu Gehör bringt.

Wir messen im temperierten Spezialaufbau unseres reflexionsarmen Messraums dann respektable 38,5 dB(A), was auf Grund der vergleichsweise niedrigen GPU-Temperatur ein noch akzeptabler Wert ist. Was uns aber etwas ärgert, ist das sinnlos verschenkte Potential des schweren Kühlers, der die Abwärme nur über den GPU-Heatsink aufnimmt.

Zwischenfazit

Die Karte besitzt einen bärenstarken Kühler mit sehr viel Potential und eigentlich auch richtig guten Reserven fürs Übertakten. Wäre da nicht die Sache mit der mangelhaften Kühlung der viel zu heißen Platine über die GPU, was unnötig hohe Lüfterdrehzahlen provoziert. Mit einem echten VRM-Heatsink hätte man sicher auch die Spannungswandler schneller schalten und trotzdem kühler halten können.

Die eine, separat lokalisiert Phase, hätte ja weiterhin mittels des kleinen Alukühlers gekühlt werden können. Palit hat übrigens genau dieses Problem bei der GTX 1080 Ti Game Rock Premium Edition deutlich besser gelöst, wo neben dem VRM-Heatsink noch eine improvisierte Kühlfläche durch um 90° abgewinkelte Kühlfinnen geschaffen wurde. Doch dafür hat diese Karte dann andere, kaum kleinere Baustellen.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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