Grafikkarten Testberichte VGA

Das Warten hat endlich ein Ende: AMD Radeon RX Vega64 im Test

Lieber spät als nie und ja, wir sind wirklich froh, dass dieses Kapitel der endlosen Salami-Scheibchen-Hinhalte-Taktik endlich vorbei ist. Nur hätte man sich den ganzen medialen Zirkus im Vorfeld sparen können, denn mit einer etwas entspannteren Einstellung zum eigenen Produkt und der Einsicht, dass man bestimmte Dinge nun mal nicht endlos aussitzen kann (egal wie sie sich darstellen), hätte man sicher auch seitens der Medien mit einer etwas anderen Beurteilung rechnen können.

Misst man AMD jedoch an dem, was uns die PR glauben machen wollte, dann ist das Ergebnis – um es vorsichtig auszudrücken – eine gewisse Enttäuschung. Die Hoffnung, dass Vega64 nach dem sehr erfolgreichen Threadripper-Launch ein wenig untergeht, hat sich zumindest bei Medien und Kunden so nicht erfüllt, dazu war die Spannung einfach viel zu hoch.

Dass man eine GeForce GTX 1080 Ti in Spielen wohl nicht schlagen können wird, das wäre sicher auch noch keine negative Sensation gewesen, wenn man es sich selbst nur früh genug eingestanden hätte. Aber dass es am Ende eine Karte geworden ist, die trotz aller möglichen technischen Neuerungen und Finessen, HBM2 eingeschlossen, noch nicht einmal in der Summe eine ein Jahr alte GTX 1080 durchgängig deklassieren kann, das deprimiert dann doch irgendwie.

Sicher gibt es Spiele, bei denen die Vega64 sich zum Teil recht gut in Szene und von der GeForce GTX 1080 FE teils sogar deutlicher absetzen kann, aber es gibt eigentlich genau so viele Gegenbeispiele, wo dies eben nicht der Fall ist. Zur Ehrenrettung der Vega64 muss man allerdings auch aufführen, dass die positiven Beispiele eher die neueren Titel und Engines sind. Da kann man sicher auch auf die Treiber schauen, denn in der Kürze der Zeit wird das Treiber-Team kaum auf- und nachholen können, was der Markt an Titeln hergibt. Da kommt dann wieder die alte AMD-Geschichte mit dem gereiften Wein ins Spiel und es wird sicher wieder etwas dran sein.

Nein, so richtig schlecht ist die Radeon Vega64 als solche nun auch wieder nicht, nur eben deutlich zu spät dran, viel zu energiehungrig und damit auch leider viel zu heiß und geräuschvoll. Im Schnitt rund 100 Watt mehr als eine GeForce GTX 1080 FE bei ähnlicher Performance sind weder zeitgemäß noch rundherum akzeptabel. Energiekosten hin oder her, die Folgen wie aufwändigere Kühlung und ein lauteres Betriebsgeräusch sind viel unmittelbarer.

Der Sweet Spot der Karte, dazu werden wir auch sicher noch ein einem Follow-Up etwas schreiben, liegt deutlich unter dem, was ab Werk auf den Kunden losgelassen wird. Die ganzen Energiesparoptionen per BIOS und Wattman sind täuschen optisch gefällig darüber hinweg, dass genau dann leider auch die Performance deutlich absinkt. Um den Nachfolgeartikel etwas anzuteasern: Wir haben nachgemessen, dass eine wassergekühlte Vega64 für ca. 10% mehr Performance im Turbo Mode gegenüber dem Power Save Mode dann schon über 100 Watt mehr an Leistung aufnehmen muss, was einer Steigerung um ca. 49 Prozent entspricht!

Wenn wir uns an die von uns getestete Vega FE zurückerinnern und das, was dort an finalem Takt wirklich zur Verfügung stand, dann war diese bereits vorab getestete Karte von beiden die sicher vernünftigere Variante. Man kann mit der Brechstange nichts mehr richten, das muss jedem klar sein, der noch nach einem weiteren, signifikanten Übertaktungsspielraum sucht. Zumindest nicht unter Luft. Sicher gibt es Anwendungsgebiete, wo Vega eine wirklich gute Figur macht. Aber High-End-Gaming gehört, das steht nach diesem Test auch fest, wohl eher nicht dazu. Gute, solide Oberklasse geht in Ordnung, das würden wir jederzeit so unterschreiben. Aber mehr auch nicht.

Fazit

Es ist nicht einfach, die Vega64 in eine passende Schublade zu stecken. Sie wirkt auf uns am ehesten noch wie seinerzeit die R9 FuryX, deren Marktverbreitung später ja nur in homöopathischen Dosen erfolgte. Die Vega56 könnte hingegen die neue R9 Fury werden, also das eigentliche Massenprodukt, welches dann auch über den Preispunkt deutlich ausgeglichener wirkt. Das Zeug dazu hätte sie sicher, nur müsste man für so eine Aussage zumindest zuvor auch einige Tests gemacht haben.

Ist die Vega64 jetzt ein Flopp? Nein, das nun wirklich nicht. Aber eine unbändige Begeisterung wäre dann schon ein wenig übertrieben, auch im Hinblick auf den Preis. Es ist eine solide Oberklassen-Karte, die AMD zudem zum Launch mit den Radeon Packs garniert – zum einen mit dem Games Bundle (Sniper Elite 4 + Prey) und zum anderen mit einem CPU + Motherboard Discount-Bundle. Zusätzlich dazu wird es die Radeon Vega64 Black auch als Standalone geben – also komplett ohne Bundle. Die Euro-Preisempfehlungen sehen aktuell so aus:

Modell
Bundle
UVP in Euro
Vega64 Black Standalone 499 €
Vega64 Black & Silver inklusive Games- oder CPU + MB Bundle 609 €
Vega64 Liquid inklusive Games- oder CPU + MB Bundle 715 €

Wir hätten eigentlich viel lieber die Vega56 getestet, die günstiger und sicher auch kaum langsamer ist. Leider hat sich AMD dazu entschlossen uns in Europa keine dieser Karten zu sampeln, auch wenn man deren Launch in letzter Minute hektisch vorgezogen hat. Da hilft auch die Anfrage von AMD nicht weiter, ob wir die Vega56 schnell noch auf den letzten Drücker gegenüber der Vega64 priorisieren könnten, falls uns das Wochenende nicht für beide Tests reicht. Geliefert wurde dann: exakt nichts.

Man kann aber mal nur das testen, was man auch physisch in den Händen hält. Da nützt es auch nichts, wenn man zwei Tage vor dem Launch noch Karten an Redaktionen verschickt (oder auch doch nicht), wir hatten hier in Deutschland jedenfalls keine. Eine derartige Konfusion vor einem Launch ist zudem auch nicht wirklich die beste Voraussetzung für ausführliche und objektive Reviews. Eine Absicht wollen wir da gar nicht unterstellen, nur hinterlässt es bei uns letztendlich schon eine gewisse Ratlosigkeit. Deshalb können wir uns an dieser Stelle nur entschuldigen, aber es lag und liegt nicht in unserer Macht.

 

Wir werden in Kürze noch einen Folgeartikel veröffentlichen, der die Vega64 auch wassergekühlt und mit Übertaktung behandeln wird. Allerdings ließ uns die aktuelle Version der Radeon Software beim Übertaken so ziemlich komplett im Stich, zumindest was die manuellen Eingriffe betraf. So steht am Ende der Mehrwert dessen, was an Takt aktuell überhaupt noch zusätzlich möglich war, dann auch in keinem Verhältnis mehr zur Leistungsaufnahme. Das Ganze ist für den Hausgebrauch im Moment zudem nahezu unkühlbar. Wir bleiben dran und berichten.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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