Die folgende Aufnahme dokumentiert den Zustand des bereits bekannten Gigabyte-Dispenser-Putties nach nunmehr insgesamt sechs Wochen Lagerung auf einfachem Kopierpapier, flach ausgelegt und in vollständig horizontaler Position. Bereits in meinem ersten Test zeigte sich deutlich, dass das als „Server-Grade Thermal Conductive Gel“ vermarktete Material unter statischer Belastung bei Raumtemperatur zur Migration von Bindemittelanteilen neigt – ein Effekt, der in der Fachliteratur als Bleeding bezeichnet wird und auf eine unzureichende Retention niedermolekularer Silikonöle in der Polymermatrix hinweist.
Was nun sichtbar wird, ist eine signifikante Verstärkung dieses Phänomens: Rund um die amorph verformte Masse des Putties hat sich ein großflächiger, dunkler Rand gebildet, der die Absorption flüchtiger Bestandteile durch das Papier dokumentiert. Diese ölartige Zone ist deutlich ausgeprägter als im ersten Versuch. Die Ausbreitung erfolgt radial in gleichmäßiger Weise und belegt, dass weiterhin ein kontinuierlicher Austritt ungebundener Komponenten erfolgt – und das unter völlig unbewegten Laborbedingungen, ohne thermische oder mechanische Fremdeinwirkung.
Die rechteckige Probe darunter – ein vorgeformtes Semi-Putty-Pad mit hoher innerer Kohärenz – zeigt hingegen keinerlei Abscheidung, keine Materialwanderung und keine erkennbaren Spuren von Ölfilm. Dieser Vergleich bestätigt nochmals eindrucksvoll, dass es sich beim Gigabyte-Material um eine rein auf Dispensierbarkeit und nicht auf Langzeitstabilität ausgelegte Formulierung handelt. denn der Durchmesser des Ölflecks hat sich extrem vergrößert. Das kann man so einfach nicht bringen, sorry.
Rückblick auf die ursprünglichen Erkenntnisse
Bereits in der ersten Analyse hatte ich auf folgende kritische Punkte hingewiesen:
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Überoptimierte Viskosität: Das Putty wurde offensichtlich so formuliert, dass es möglichst leicht durch Dispenser-Düsen extrudierbar bleibt. Dazu werden üblicherweise leichtflüchtige Silikonöle zugesetzt, die das Scherverhalten verbessern – jedoch zulasten der strukturellen Integrität.
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Schwache Adhäsion und geringe Matrixkohäsion: Die mikroskopische Analyse zeigte eine mangelnde Benetzung metallischer Oberflächen sowie eine unzureichende Bindung zwischen Trägermatrix und Füllstoff.
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Porosität und eingeschlossene Lufteinschlüsse: Diese begünstigen Sedimentation, Delamination und verstärken die Ölabscheidung unter statischer oder thermischer Belastung.
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Ungeeignet für vertikale Einbaulage: Bereits bei moderater Neigung kann es zu Kriechvorgängen kommen, bei denen das Material durch Eigengewicht langsam aus der Kontaktzone verdrängt wird.
Diese theoretischen Schwächen manifestieren sich nun erneut in Form eines praktisch nicht mehr zu übersehenden Bleeding-Effekts (siehe Foto).
Folgen und Bewertung
Die beobachtete Entmischung ist mehr als nur ein kosmetisches Problem. In realen Applikationen, wie etwa auf GPU-VRM-Zonen oder zwischen Speicherbausteinen, bedeutet dies:
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Reduktion der thermischen Kopplung, da das Öl die effektive Kontaktfläche mindert.
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Unkontrollierbare lokale Wärmeverteilung, was Hotspots begünstigt.
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Langfristige Materialwanderung, die zur partiellen Delamination oder gar zu Kurzschlüssen führen kann, wenn das Öl auf Leiterbahnen migriert.
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Wartungsproblem: Die Wiederaufbereitung solcher Systeme ist aufwendig, da sich das Material nicht rückstandslos entfernen lässt und Bindemittel in Poren und auf Oberflächen verbleibt.
Für einen Hersteller, der diesen Werkstoff flächendeckend in der Serienfertigung einsetzt, ist dies schlicht ein thermisches Risiko mit Ankündigung. Dass Gigabyte dennoch auf eine solche Lösung gesetzt hat, erscheint rückblickend nicht nur als fahrlässig, sondern als strategischer Fehler. Der kurzfristige Vorteil im Fertigungsprozess wird mit einem strukturellen Problem erkauft, das sich langfristig auf die Produktzuverlässigkeit auswirkt und letztlich auch auf das Vertrauen in die Marke.
Perspektive und weiterer Verlauf
Ich werde diesen Vorgang weiterhin beobachten und dokumentieren, da sich anhand der sichtbaren Ölabscheidung ein realistisches Bild über die zeitliche Entwicklung der Degradation abzeichnen lässt. Es bleibt zu klären, wie stark dieser Effekt bei thermischer Zyklierung oder unter mechanischer Belastung im eingebauten Zustand eskaliert, etwa in kompakten ITX-Gehäusen oder vertikal montierten Systemen, wie sie im Endkundenbereich zunehmend üblich sind. Gigabyte hat sich mit diesem Materialeinsatz keinen Gefallen getan, weder technisch noch in der öffentlichen Wahrnehmung. Wer mit dem Begriff „Server-Grade“ operiert, sollte auch servergerechte Langzeitstabilität liefern. Aktuell liefert das Putty jedoch primär eines: ein Lehrbeispiel für Materialversagen durch falsch verstandene Prioritäten in der Fertigung.
Neben den technischen Aspekten des untersuchten Thermal Putties drängt sich zunehmend auch eine strukturelle Frage auf: Warum hat Gigabyte bis heute keinerlei Kontakt zu mir aufgenommen, obwohl ich meine Einwände und erste Befunde frühzeitig kommuniziert habe, und zwar sachlich, belegbar und ohne polemische Zuspitzung? Es wäre ein Leichtes gewesen, auf meine Hinweise einzugehen, Rückfragen zu stellen oder zumindest den Austausch zu suchen. Stattdessen herrscht konsequentes Schweigen, eine Praxis, die sich leider nicht zum ersten Mal zeigt. Dass man in einem großen Unternehmen nicht auf jeden Kritiker reagieren kann oder will, ist verständlich. Doch in diesem Fall handelt es sich nicht um vage Vermutungen oder anekdotische Nutzerberichte, sondern um laborbasierte Materialanalysen mit ASTM-konformen Messverfahren, dokumentierter Mikroskopie und chemischer Rückführung per LIBS. Wer diese Art der Kritik einfach ignoriert, nimmt auch die darin aufgezeigten Risiken für eigene Kunden nicht ernst.
Vielleicht passt meine Art der Berichterstattung nicht zur weichgezeichneten Pressearbeit, die man in der lokalen PR-Abteilung von Gigabyte offenbar bevorzugt. Ich denke, dass man auch im Headquarter lieber den Aussagen interner Technologen oder Vertriebspartner der teuer angeschafften Maschienen vertraut, also Menschen, deren Aufgabe es ist, Prozesse zu verkaufen oder zu vertreten, nicht sie zu hinterfragen. In einer solchen Filzstruktur ist es offenbar einfacher, unabhängige Stimmen zu marginalisieren, als sich ernsthaft mit technischer Kritik auseinanderzusetzen.
Dass ich mich seinerzeit öffentlich zu abfackelnden Netzteilen geäußert habe und damit einen wunden Punkt traf, wird mir bis heute nachgetragen. Aber anstatt emotionslos in den Dialog zu gehen, den ich ja von mir aus aufgenommen hatte, wurde ich damals auf die schwarze Liste gesetzt, als vermeintlich unbequemer Journalist. Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern letztlich selbstschädigend. Denn: Ich bin nicht das Problem. Im Gegenteil: Ich bin gern bereit, meine Erkenntnisse zu teilen, transparent, quellengestützt und mit dem Ziel, die Produktqualität zu verbessern. Nur müsste man dafür eben auch einmal fragen. Ich beiße nicht. Ich messe, dokumentiere und veröffentliche. Und wer den Anspruch erhebt, Produkte für professionelle oder gar industrielle Anwender zu fertigen, sollte sich diesem Maßstab auch stellen. Nicht durch wortlose Verweigerung, sondern durch kritischen Diskurs.
Dass Gigabyte diesen Weg nicht geht, ist nicht mein Schaden. Ich arbeite weiter, finde heraus, was andere lieber verschweigen, und veröffentliche es. Am Ende straft sich das Unternehmen damit aber nur selbst und zwar mit einem Imageverlust, der nicht durch Marketingfloskeln oder Wortneuschöpfungen wie „Server Grade Gel“ zu kompensieren ist. Technik verzeiht keine PR-Taktik. Sie reagiert auf Physik, Chemie und Belastung – und genau da fängt das Problem an. Weitere Updates folgen.
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