Ich werde den heutigen Artikel als Referenz für die eingesetzten Geräte und die verwendete Methodik in den kommenden Datenbanken für die Wärmeleit-Materialien (TIM, Thermal Interface Material) nutzen und basierend auf Fragen der Leser und auch Einwänden aus dem Forum den gesamten Messprozess transparent im Detail erklären. Dabei wird man natürlich auch um gewisse mathematische Formeln nicht herumkommen, aber für alle, denen das zu komplex wird, habe ich zusätzlich noch einfache Diagramme und schematische Grafiken erstellt, um alles besser zu veranschaulichen. Also keine Angst vorm Weiterlesen, denn es lohnt sich!
Auch wenn diese Methoden und die Berechnungsgrundlagen eigentlich trivial sind, musste ich leider feststellen, dass es immer noch Lücken im allgemeinen Umgang mit der Problematik rund um die richtige Wertermittlung von Wärmewiderständen und Wärmeleitfähigkeiten gibt. Ich war zudem erstaunt, dass sogar Leser, die seit Jahren fachlich stichhaltige Beiträge verfassen, sich mit den von mir ermittelten niedrigen (und damit realen) Werten für Wärmeleitfähigkeiten so schwer tun. Man sieht daran aber auch, dass das Marketing der Gaming- und Zubehörbranche besser funktioniert als es einem lieb sein kann. Das ist jetzt alles natürlich nicht weiter schlimm, denn man kann ja alles auch erklären. Und genau das werde ich heute tun, denn wir müssen sehr gut trennen in praxisrelevante Werte und das, was in der Theorie als Marketingaussage verwendet wird.
Ich messe die Wärmeleitpasten für meine Artikel und die Datenbank generell nach ASTM D5470-17 und ich versuche dabei auch, die meisten negativen Einflüsse vorab zu reduzieren. Genau deshalb arbeite ich nach dem jeweiligen Kalibrieren mit einer initialen Schicht von 500 µm, die ich zunächst ohne großen Druck langsam auf 120 °C erwärme, danach auf 20 °C abkühle, um sie am Schluss auf die konstanten 60 °C meiner Messungen zu erwärmen. Erst danach messe ich bei konstanten 60°C mittlerer Pastentemperatur und von 400 µm an abwärts in Schritten von jeweils 25 µm die Wärmewiderstände bzw. Wärmeleitfähigkeit identischen Laborbedingungen. Das erfolgt standardisiert, wobei alle störenden Faktoren (wie z.B. Die-Verzerrungen oder nicht-koplanare Kontaktflächen) ausgeschlossen werden können. Garantiert werden kontrollierte Oberflächenbedingungen, Unidirektionale Wärmeflussbedingungen, parallele Kontaktflächen und präzise bekannte Klemmkräfte.
Ich nutze den TIMA5 von Nanotest, ein kompaktes All-in-One Tischgerät, das den Messaufbau und den benötigten PC in einem Gerät vereint. Es ist ein autarker und vor allem auch automatisierter Messaufbau, den ich auch parallel zu anderen Aufgaben im Hintergrund laufen lassen kann. Denn wer will sich schon 6 Stunden und länger daneben setzen und zuschauen? Manuell ist so eine Testreihe faktisch kaum sinnvoll realisierbar. Die Speicherung aller Daten erfolgt über das Netzwerk direkt auf das NAS. Das Gerät wird vor jeder Messung neu kalibriert (Sensoren für Druck und BLT). Aber was steckt eigentlich dahinter? Das müssen wir nun klären.
Wärmewiderstand, Interface-Widerstand und effektiver Wärmewiderstand
Beginnen wir zunächst mit der Allgemeinbeschreibung Ein sogenannter Wärmewiderstand beschreibt den Widerstand, den ein Material der Wärmeübertragung entgegensetzt. Er basiert auf der Dicke d des Materials, seiner Wärmeleitfähigkeit λ und der Fläche A, über die der Wärmestrom fließt:Hierbei ignoriert der normale Wärmewiderstand die Kontaktstellen zwischen unterschiedlichen Materialien, was idealisiert ist und in der Praxis so gar nicht auftritt. Das ist Theorie und nützt es mir in dieser Form erst einmal nichts, denn es kommt ein weiterer Widerstand mit ins Spiel. Denn der sogenannte Interface-Widerstand entsteht, weil an der Kontaktstelle zwischen zwei Materialien Wärme schlechter übertragen wird als im Material selbst. Dies kann durch unebene Oberflächen oder unvollständigen Kontakt an der Schnittstelle (z.B. mikroskopischen Unregelmäßigkeiten) verursacht werden. Zum Beispiel in PC-Systemen, bei denen Wärme von einem Prozessor zu einem Kühlkörper übertragen wird, kann der Interface-Widerstand den Gesamtwärmewiderstand deutlich erhöhen. Außerdem haben wir ja auch noch den Faktor unterschiedlicher Medien, wenn die Wärme von einem festen in ein flüssiges Medium übergeht und umgekehrt
Kommen wir nun zur begrifflichen Erklärung dessen, was ich messen kann. Der effektive Wärmewiderstand berücksichtigt zusätzlich den gerade erklärten Interface-Widerstand Rinterface an den Grenzflächen zwischen den Materialien. Dieser Interface-Widerstand tritt an der Kontaktstelle zweier Materialien auf und entsteht aufgrund von oder unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit der Materialien. Der effektive Wärmewiderstand wird also durch die Summe aus dem normalen Wärmewiderstand des Materials und dem Interface-Widerstand bestimmt:Der Interface-Widerstand kann, vor allem bei sehr geringen Schichtstärken (BLT, Bondline Thickness) einen signifikanten Teil des Gesamtwiderstands ausmachen, besonders wenn zwei Materialien mit unterschiedlichen thermischen Eigenschaften aufeinandertreffen. Diesen so wichtigen Wert kann ich nicht messen oder aus dem Gesamtwert herauslesen, aber später berechnen.
Die Messung nach ASTM D5470-17 in der Praxis
Die ASTM D5470-17 Methode mit sechs Temperatursensoren ermöglicht eine präzise Bestimmung des effektiven Wärmewiderstands eines TIMs, indem der Wärmestrom und die Temperaturverteilung entlang der Metallblöcke gemessen werden. Der Interface-Widerstand an den Grenzflächen wird ebenfalls berücksichtigt, um eine möglichst genaue Messung des Wärmewiderstands zu gewährleisten. Betrachten wir nun noch kurz den schematischen und praktischen Aufbau des TIMA5 und der Messung des TIM zwischen zwei Testköpfen mit jeweils drei Sensoren:
In diesem Verfahren wird der effektive Wärmewiderstand eines TIMs zwischen zwei festen Oberflächen bestimmt, die durch Wärmestrom belastet werden. In der Konfiguration mit sechs Temperatursensoren wird die Temperatur an verschiedenen Punkten entlang der Wärmesäule gemessen, um den Temperaturgradienten und somit den Wärmewiderstand zu berechnen. Dabei wird eine Probe des TIMs zwischen zwei Metallblöcke gelegt, die oben durch ein Heizelement erwärmt und mit einem Laborwasserkühler auf der Unterseite gekühlt werden. Der Wärmestrom fließt von einer heißen zur kalten Seite durch das TIM. Drei Sensoren befinden sich typischerweise auf der heißen Seite des TIMs und drei auf der kalten Seite.
Die Temperaturverteilung im Metallblock folgt einem linearen Temperaturverlauf, da die Blöcke in der aus einem homogenen Material (Kupfer) mit bekannter Wärmeleitfähigkeit bestehen und zudem alle vorher ausgemessen und mit einer Kalibrierungsdatei versehen wurden. Der Temperaturgradient im Metallblock wird nun genutzt, um den Wärmestrom q zu bestimmen. Dieser Wärmestrom q wird mit dem gemessenen Temperaturgradienten im Metallblock und der bekannten Wärmeleitfähigkeit λ des Metalls berechnet, wobei ΔT die Temperaturdifferenz und dBlock die Dicke des Metallblocks ist:Die Temperaturen direkt an den Ober- und Unterseiten des TIMs (also an den Grenzflächen zum Metallblock) werden aus den Messungen extrapoliert. Dies liefert die Temperatur an der Grenzfläche, die zur Berechnung des Temperaturabfalls im TIM genutzt wird. Der effektive Wärmewiderstand Rth des TIMs wird einfach durch den Temperaturabfall ΔTTIM über die Dicke des TIMs dTIM berechnet, wobei der Wärmestrom q bekannt ist. Dabei ist ΔTTIM die Differenz zwischen den extrapolierten Temperaturen an den Ober- und Unterseiten des TIMs: Hierfür kann ich auch ein Kurvendiagramm für den effektive Wärmewiderstand nutzen, die viel praxisrelevanter als der Bulk-Wert ist (beste 10 der bisher getesteten Pasten).
Schließlich kann die Wärmeleitfähigkeit λTIM des TIMs berechnet werden, wenn der Wärmestrom und der Wärmewiderstand bekannt sind. Hierbei ist A die Fläche der TIM-Probe:
In einem Kurvendiagramm für die effektive Wärmeleitfähigkeit, die eigentlich viel praxisrelevanter als der absolute Bulk-Wert ist, sieht das dann so aus (beste 10 der bisher getesteten Pasten). Und wer sich jetzt wundert: je dicker die BLT wird, umso geringer auch der Einfluss von Rinterface, logisch:
Der Interface-Widerstand spielt bei der ASTM D5470-17 eine wichtige Rolle. Neben dem Wärmewiderstand des TIMs selbst gibt es auch beim TIMA5 immer auch einen zusätzlichen Wärmewiderstand an den Grenzflächen zwischen dem TIM und den beiden Metallblöcken. Dieser kann aber separat ermittelt werden, indem man mehrere Messungen mit unterschiedlichen Dicken des TIMs durchführt und die Ergebnisse extrapoliert, um den Interface-Widerstand bei einer Bondline Thickness (BLT) von 0 zu bestimmen. Genau das erfahrt Ihr jetzt nach dem Umblättern…
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