Schnell noch einmal zurück zur Bastelarbeit. Beim Mikrofoneingang (aber nicht nur dort) nutze ich nun die Soundblaster AE-9 samt externem Panel, das ist einfach praktischer und die Vorspannung stimmt auch. Wichtig ist ja, dass möglichst nichts rauscht oder verzerrt, auch wenn die Pegel natürlich weit über dem Grundrauschen liegen. Die AE-9 liefert hier sogar bessere Ergebnisse als das Steinberg-Interface und die Kopfhörer sind an der Front der AE-9 sogar besser aufgehoben, als an der Asus Xonar Essence STU. Stichwort Impedanz und maximale Spannungsverstärkung.
Die Harman Kurve
Die sogenannte Harman-Kurve ist eine (optimale) Klangsignatur, die die meisten Menschen bei ihren Kopfhörern bevorzugen. Sie ist somit eine genaue Darstellung dessen, wie z.B. hochwertige Lautsprecher in einem idealen Raum klingen und sie zeigt den Zielfrequenzgang eines perfekt klingenden Kopfhörers. Damit erklärt sie auch, welche Pegel angehoben und welche gedämpft werden sollten, wenn man diese Kurve zugrunde legt. Damit erklären wir auch in einem Aufwasch noch den Begriff der oft zitierten „Badewannen-Abstimmung“, bei dem die Harman-Kurve jedoch völlig überzogen missbraucht und überhöht wird.
Aus diesem Grund ist die Harman-Kurve (auch „Harman-Ziel“ genannt) einer der besten Frequenzgangstandards für den Musikgenuss mit Kopfhörern, denn im Vergleich zum flachen Frequenzgang (neutrale Kurve) sind bei der Harman-Kurve die Bässe und Höhen leicht angehoben. Diese „Kurve“ wurde 2012 von einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung des Toningenieurs Sean Olive erstellt und veröffentlicht. Die Forschung umfasste seinerzeit auch umfangreiche Blindtests mit verschiedenen Personen, die unterschiedliche Kopfhörer testen mussten. Auf der Grundlage dessen, was sie dann mochten (oder auch nicht), fanden und definierten die Forscher die allgemein beliebteste Klangsignatur.
Die Abstimmung von Kopfhörern kann aufgrund der menschlichen Anatomie wirklich problematisch sein. Jeder Mensch hat eine etwas andere Ohrmuschel und einen etwas anderen Gehörgang, was sich darauf auswirkt, wie die einzelnen Personen bestimmte Frequenzen wahrnehmen. Im Extremfall gibt es von Person zu Person ein paar dB Unterschied, was dann auch die kleinen Unterschiede in manchen Messungen mit künstlichen Ohren erklärt. Außerdem wird der Schall, wenn er nicht absorbiert wird, von anderen Oberflächen zusätzlich reflektiert. Theoretisch wäre also auch ein Torso im Testaufbau mit einzubeziehen, aber das wäre viel zu aufwändig.
Ein Vergleich mit Oratory
Ich bin dem Rat und meinen Messungen gefolgt und nutze basierend auf der 1/8 Regel für die Ausgangsimpedanz mit der Sound Blaster AE-9 einen Verstärker mit unter einem 1 Ohm. Und warum das Ganze? Die Impedanz des Kopfhörers sollte mindestens 8x so groß sein wie die Impedanz des Verstärkers, um mögliche Klangveränderungen zu vermeiden, was sich vor allem beim Bass negativ bemerkbar machen kann (Pegelabfall, geänderte Kurve). Will man auch noch Kopfhörer mit 16 Ohm Impedanz messen, dann sind wir schon bei 2 Ohm als Maximum für den Verstärker! Das ist dann der sogenannte Impedanzverlauf, der aber z.B. bei meinen Elektrostaten keine Rolle spielt, so dass man da auch schon ganz gut vergleichen und urteilen kann.
Ich hatte für den ersten Vergleich und als Diskussionsgrundlage mal das beliebte und bekannte Beyerdynamic MMX300 mit 600 Ohm gemessen und mir bei Oratory aus der Datenbank die passende Messung geschnappt. Leider steht dort nicht, welche Generation mit welcher Impedanz dort gemessen wurde, aber die Kurven sehen schon sehr ähnlich aus. Ich nutze bei meiner Messung die zweite Generation, aber hier zunächst einmal die Referenz von Oratory:
Die Messung erfolgte zwischenzeitlich am Beyerdynamic A20 hinter einem sehr guten USB-DAC (192 kHz), die Kurven wurden (im Gegensatz zu Oratory) bei 1 kHz als Bezugspunkt auf null normiert. Da deckt sich die Kurve bin hin zu den oberen Mitten schon ganz gut mit dem Messergebnis von Oratory. Die weiteren Spitzen liegen etwas auseinander, auch wenn der Charakter noch ganz gut der Harman-Kurve folgt:
Stunde der Wahrheit: Exemplarischer Test eines Gaming-Headsets
Hi-Fi ist die eine Sache und da ich noch weitere Kurven verglichen habe (und die sich verblüffend gut deckten), bin ich mir mittlerweile recht sicher, dass alles so stimmt, wie es dasteht und man auch mal was Günstigeres messen kann. So weiß ich wenigstens, das die Kurvenverläufe im Notfall wirklich so schlecht sind und es nicht am Messaufbau liegt. Kommen wir somit zur ersten Messung im günstigeren Segment, denn hier sieht man ja Fehler noch viel deutlicher. Man sieht sehr schön die recht gut ausgeprägte Badewanne, die jedoch beim Bass etwas schwächelt. Außerdem habe ich die Chartsgrafik angepasst, denn ich will Oratory ja nicht kopieren.
Das Problem bei diesem Headset ist hier allerdings weniger der Abfall im Tiefbass unterhalb von 40 Hz, das ist eigentlich noch locker zu verkraften. Was hier echt stört, ist der doch sehr ausgeprägte Oberbass, der dann ab 200 Hz zum etwas unangenehmen „Papp-Sound“ führt. Eingeweihte kennen das aus dem Party-Keller, wo billige China-Schrammelboxen wummern und dröhnen. Ich hätte den Buckel der Kurve lieber noch etwas weiter links gesehen, aber ok, es ist ein Gaming-Headset. Die dunkle Kurve ist das Harman-Ziel, siehe oben.
Der Bereich der unteren Mitten bricht etwas ein, weil der Bass alles etwas in den Hintergrund schiebt. Der Einbruch bei ca. 550 bis 600 Hz ist aber nicht wirklich wahrzunehmen, auch wenn es etwas Kühle verbreitet, weil die Grundtonfrequenzen nach oben hin etwas schwächeln. Bei 2,5 bis 3 KHz sehen wir den gehörbedingten Pegelanstieg, der etwas stärker als die Ideallinie der Harman-Kurve ausfällt. Außerdem hibbeln die Treiber im Superhochton bei ca. 10 KHz etwas, aber auch das wird man beim Gaming kaum subjektiv wahrnehmen. Aber wir werden diesen Bereich gleich noch einmal wiedersehen. Interessant ist auch, dass die Treiber noch bis 20 KHz sauber spielen, was auch nicht selbstverständlich ist. Man kann also auch Musik damit hören, auch wenn es keine Hi-Fi Kopfhörer sind. Aber es ist auch keine Tröte, nur etwas kopflastig beim Oberbass. Das kann man mögen, oder auch nicht (so wie ich).
Kumulative Spektren (CSD, SFT, Burst)
Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde.
Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt. Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.
Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Treiber-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers. Das Bild zeigt sehr schön das Einschwingverhalten und einige anwesende Bassresonanzen im Oberbass. Irgendwo muss das ja herkommen. Die Membran schwingt nämlich unterhalb von 250 Hz etwas nach. Miese, hochkomprimierte MP3-Dateien oder lausige YouTube-Streams werden durch die Spitzen etwas im Hochton kristallisiert, aber bei sehr guten Einspielern ist das für mich schon etwas too much. Man kann es lieben, muss es aber nicht hassen. Eigentlich passt das sogar ganz gut.
Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt. Im STF-Spektrum sehen wir nun auch sehr schön die Arbeit der Treiber, die sich in einigen Frequenzbereichen diverse Schwächen leisten. Dieses „Nachziehen“ bei den niedrigeren Frequenzen unterhalb von 500 Hz wiederholt sich dann noch und bei ca. 2,5 bis 3 kHz und dann kommt ja auch noch noch die hibbelnde Peitsche im Superhochton bei ca. 10 kHz.
Burst Decay
Beim CSD wird der Plot im Zeitbereich (ms) erzeugt, während der hier verwendete Burst Decay Plot in Perioden (Cycles) dargestellt wird. Und während beide Methoden ihre Vor- und Nachteile (oder Einschränkungen) haben, kann man durchaus sagen, dass die Darstellung in Perioden durchaus sinnvoller sein kann, um das Abklingen eines Treibers mit einer großen Bandbreite zu bestimmen. Und genau da schneidet das getestete Headset eher mittelprächtig ab. Wir sehen eine starke Resonanzschwingung im Oberbass mit dem maximum bei ca. 200 Hz, ein paar kleine Nachhänger um die 2 bis 3 kHz und im späteren Verlauf dann wieder so ein Peak zwischen ca. 8 und 12 kHz. Aber zumindest der Hochton ist nichts, was subjektiv als echtes Negativum wahrgenommen wird. Der Bass ist aber nicht nur hörbar, sondern hier auch sichtbar schon etwas zu matschig und pappig.
Das sind die Metriken, die ich bei den kommenden Tests natürlich weiter nutzen werde, basieren auf dem neuen Testaufbau und Arta als Software.
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