Langzeitbetrachtung und Pump-Out-Test
Auf Grundlage der beiden nachfolgenden Diagramme und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Bläh-Tests („Bondline Thickness Increase over Temperature“) lässt sich das Pump-Out- und Formstabilitätsverhalten der Shin Etsu MicroSi X-23-8195-4 differenziert bewerten. Die Paste zeigt dabei ein thermomechanisches Verhalten, das sie klar im Bereich der langlebigeren und strukturstabileren Systeme positioniert. Im Testaufbau wurde die Paste unter konstantem Druck (9 N/cm²) langsam von Raumtemperatur (30 °C) auf 100 °C erhitzt, wobei kontinuierlich die Veränderung der Schichtdicke gemessen wurde. Die weiße Linie repräsentiert die X-23-8195-4.
Im absoluten Vergleich der Bond Line Thickness (BLT) zeigt sich, dass die X-23-8195-4 mit einer Startdicke von knapp über 15 µm zu Beginn im sehr flachen Bereich der Kurve ansetzt. Während des Temperaturanstiegs wächst die Schichtdicke moderat auf rund 23–24 µm an, was einem relativen Anstieg von unter 60 % entspricht. Dieser Wert liegt klar unterhalb der als kritisch bewerteten Grenze von 100 % und belegt, dass die Paste auch bei steigender Temperatur keine übermäßige Volumenzunahme zeigt, wie sie etwa bei der Thermal Hero Quantum (rote Linie) deutlich sichtbar ist.
Im prozentual normalisierten Vergleich der Schichtdickenzunahme zeigt sich ebenfalls ein kontrolliertes Verhalten: Der Anstieg ist kontinuierlich, aber flach, ohne plötzliche Volumensprünge, wie sie typisch für Systeme mit niedriger Matrixkohäsion oder instabiler Füllstoffbindung wären. Ab etwa 70 °C pendelt sich die Zunahme auf einem nahezu stabilen Niveau ein, was auf ein viskoelastisch ausgeglichenes Verhalten hindeutet.
Interpretation des Pump-Out-Verhaltens
Die thermisch bedingte Volumenzunahme ist ein direktes Maß für die Pump-Out-Tendenz. Eine geringe relative BLT-Zunahme bedeutet, dass sich die Paste unter Wärme zwar ausdehnt, dabei aber nur geringfügig seitlich verdrängt wird – ein Effekt, der besonders bei glatten Kühlflächen relevant ist, wie sie auf Grafikkarten, GPU-Heatspreadern oder polierten Kupferböden typisch sind. Die X-23-8195-4 hält dem konstanten Druck bei steigender Temperatur gut stand, ohne dass es zu einem signifikanten Materialverlust aus der Kontaktzone kommt.
Die Kombination aus hoher Matrixkohäsion, strukturviskosem Fließverhalten und sphärischer Partikelpackung wirkt stabilisierend auf das System. Die viskoelastischen Eigenschaften der silikonbasierten Matrix kompensieren thermische Ausdehnung teilweise, ohne dass sich die Füllstoffstruktur entnetzt oder die Paste bei Abkühlung Luft in die Schicht zurückzieht. In realen Szenarien – insbesondere bei GPUs – ist genau dieses Verhalten entscheidend: häufige Temperaturwechsel, glatte Kontaktflächen ohne definierte mechanische Retention und hohe lokale Leistungsdichten. Hier kann die Paste ihre Vorteile voll ausspielen. Im Gegensatz zu weniger kohäsiven Formulierungen zeigt die X-23-8195-4 ein Verhalten, das weniger zu Lückenbildung, Luftblasen und thermischem Abbau führt.
Mit einem moderaten, gut kontrollierten BLT-Anstieg bei gleichzeitig begrenzter Volumenverdrängung gehört die Paste laut vorliegendem Test in die Klasse „estimated good durability“, was ihre Eignung für langlebige Anwendungen unter zyklischer thermischer Belastung bestätigt. Im Unterschied zur TC-5888 von Dow Corning, die im Diagramm als Maßstab für extrem formstabile Systeme gilt, bietet die Shin Etsu X-23-8195-4 eine etwas höhere Anfangskompressibilität – was die Verarbeitung erleichtert –, erreicht aber dennoch ein belastbar stabiles Endverhalten.
Die Shin Etsu X-23-8195-4 zeigt im thermisch-dynamischen Bläh-Test ein überzeugend stabiles Verhalten mit begrenzter, kontrollierter Schichtdickenzunahme und nur moderater Volumenausdehnung. Sie widersteht der thermisch induzierten Verdrängung (Pump-Out) deutlich besser als viele marktübliche Pasten mit geringer Matrixkohäsion und eignet sich damit besonders für Anwendungen mit zyklischer Last auf glatten Flächen, wie etwa GPU-Kühlungen. In Kombination mit ihrer moderaten Viskosität und guten Applizierbarkeit stellt sie eine robuste, langzeitstabile Lösung im professionellen wie auch semiprofessionellen Umfeld dar.
Obwohl der Test nicht alle Aspekte des praktischen Einsatzes abbildet, bietet er doch bereits eine recht gute Grundlage für die Beurteilung der langfristigen Stabilität und Effizienz von Wärmeleitpasten. Das mechanische Auflösen einer Mischung und chemische Veränderungen kann man so natürlich nicht ermitteln. Das muss man fairerweise auch mit anmerken. Aber auch nach mehreren Stunden mit harten Zyklen sieht die Paste noch wirklich ordentlich aus, und dass da es vereinzelte Abrisse gibt, liegt am Druck und dem Anheften an den beiden Testkörpern. Aber die herausgepresste Paste beim BLT-Test sieht wirklich noch homogen und fast schon cremig, vor allem aber auch blasenfrei aus. Damit kann ich gut leben.
Fazit und Zusammenfassung
Die Shin Etsu MicroSi X-23-8195-4 ist eine mittelviskose, thixotrope Wärmeleitpaste auf Silikonbasis mit sphärischen Mikrofüllstoffen und fein verteiltem ZnO. Ihre chemische Zusammensetzung, gleichmäßige Partikelstruktur und gute Kompressibilität bis auf 16 µm machen sie zu einer technisch ausgereiften Lösung für Anwendungen mit glatten Kontaktflächen und wiederholter thermischer Belastung. Die gemessene Wärmeleitfähigkeit liegt im oberen Bereich klassischer Silikonpasten, während ihr Verhalten im Bläh-Test eine gute Langzeitstabilität ohne ausgeprägte Pump-Out-Tendenz bestätigt.
Die Paste lässt sich kontrolliert verarbeiten, bleibt dimensionsstabil und neigt nicht zu Luft- oder Hohlraumbildung bei Erwärmung. Damit erfüllt sie die Anforderungen in professionellen und OEM-nahen Umgebungen solide. Und was auch zählt: die Angaben zur Wärmeleitfähigkeit stimmen exakt. Auch das ist leider keine Selbstverständlichkeit.
Der in asiatischen Foren teils überschwänglich betriebene Hype ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Die X-23-8195-4 ist keine Wundermaterial, sondern eine konservativ konstruierte, zuverlässige Wärmeleitpaste mit klaren Eigenschaften, aber ohne außergewöhnliche Spitzenwerte. Ihre Stärken liegen in der Stabilität, nicht im Spektakel. Wer auf reproduzierbare Resultate statt auf maximalen Marketingeffekt setzt, findet hier eine nachvollziehbar leistungsfähige Lösung – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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