Analyse der Materialbasis
Bevor thermische Kennwerte in ihrer isolierten Form bewertet werden können, ist eine präzise Einordnung der Materialbasis notwendig. Denn Wärmeleitfähigkeit allein sagt wenig über Applizierbarkeit, Alterungsverhalten oder Grenzflächenstabilität aus, solange nicht bekannt ist, was sich in der Paste befindet und wie es sich unter mechanischer oder thermischer Belastung verhält. Die hier analysierte Wärmeleitpaste wurde daher umfassend charakterisiert – nicht nur im Hinblick auf ihre Fließeigenschaften, sondern auch hinsichtlich der inneren Struktur und Zusammensetzung. Die Bewertung stützt sich auf mehrere methodisch kombinierte Ansätze, die nun Absatzweise abgehandelt werden.
Die Bewertung stützt sich auf mikroskopische Streiflicht- und Abrissbilder, um das rheologische Verhalten beim Verstreichen und die Homogenität der Partikelverteilung zu beurteilen und welche die vertikale Schichtstruktur, eventuelle Sedimentation und Füllstoffdichte sichtbar machen, auf eine quantitative Partikelgrößenvermessung, um Rückschlüsse auf die mechanische Kompressibilität und Packungseffizienz zu ziehen, sowie auf eine LIBS-gestützte Elementaranalyse, die Aufschluss über die chemische Zusammensetzung gibt, insbesondere über Art und Anteil der funktionalen Füllstoffe sowie der Matrixkomponenten. Erst wenn Klarheit über Morphologie, chemische Identität und Fließverhalten besteht, lassen sich Messwerte zur Wärmeleitfähigkeit oder thermischem Widerstand sinnvoll einordnen. Genau mit dieser Herangehensweise beginnen wir nun.
Fließverhalten und Verarbeitung
Die Paste zeigt im Streiflichtbild ein charakteristisches Abrissverhalten mit Inselbildung und filamentösen Strukturen beim Verstreichen. Diese Muster deuten auf eine mittelviskose, thixotrop eingestellte Rheologie hin, wie sie für hochgefüllte, silikonbasierte Systeme üblich ist.
Die Viskosität erlaubt eine kontrollierte Applikation ohne sofortiges Zerfließen, erfordert jedoch einen mechanischen Beitrag (z. B. Aufpressen oder Rakeln), um eine homogene Schichtverteilung ohne Lufteinschlüsse zu erzielen. Die Formulierung ist somit für strukturierte oder leicht unebene Kontaktflächen geeignet, solange eine definierte Verpressung gewährleistet wird.
Die Partikel liegen überwiegend im Bereich von 5 bis 12 µm und weisen eine sphärische bis leicht elliptische Form auf. Diese Morphologie spricht für schmelzbasierte Herstellverfahren wie Gasverdüsung (bei metallischen Phasen) oder Flammensynthese (bei oxidischen Füllstoffen). Die nahezu isotrope Geometrie ermöglicht eine effiziente Packung ohne signifikante interpartikuläre Reibung und unterstützt ein gleichmäßiges Einschwingverhalten der Paste unter Druck.
Die Aufnahmen ohne Laser-Abtrag der obersten schicht zeigen eine gleichmäßige Verteilung der Füllstoffe ohne erkennbare Agglomerationen, Sedimentationszonen oder strukturelle Gradienten. Die homogene Einbettung sowohl der mikroskaligen als auch der nanoskaligen Partikel spricht für eine geeignete Dispergiertechnik während der Herstellung. Die thixotrope Rückstellung der Paste verhindert eine Entmischung während des Applikationszeitraums und sorgt für langfristige strukturelle Stabilität.
Die Komprimierbarkeit auf eine minimale Schichtdicke von 16 µm ist angesichts der Partikeldimensionen mechanisch unkritisch. Das Bestreben, Wärmeleitpasten auf möglichst geringe Bond Line Thickness (BLT, also Schichtdicke) zu optimieren, ist (marketing)technisch nachvollziehbar, da der thermische Kontaktwiderstand maßgeblich vom Verhältnis zwischen Wärmeleitfähigkeit (λ) und Schichtdicke (d) abhängt. Jedoch existiert eine physikalisch-technische Untergrenze, ab der weitere Reduktion der Schichtdicke nicht mehr zu einer verbesserten Wärmeübertragung führt – oder sogar kontraproduktiv sein kann. Im Bereich unterhalb von etwa 15 µm treten dabei bei den üblichen Körnungsgrößen (2 bis 10 µm) mehrere limitierende Effekte auf, die sowohl materialphysikalischer als auch prozesstechnischer Natur sind.
Eine Ziel-BLT unterhalb von 15 µm würde bei dieser Paste un den Körnungen bedeuten, dass sich in der vertikalen Achse nur noch eine bis maximal zwei Partikelschichten ausbilden können. Dies führt zum Verlust an mechanischer Stabilität, denn einzelne größere Partikel oder leichte Agglomerate erzeugen punktuelle Überhöhungen und wirken wie Stützpunkte. Dies führt zu lokaler Überkompression oder Inhomogenität der Kontaktfläche. Dazu kommt ein potentieller Perkolationsverlust: Bei zu geringer vertikaler Schichtdicke können sich die Partikelkontakte entnetzen, wodurch durchgängige Wärmeleitpfade unterbrochen werden.
Eine Reduktion der Bond Line Thickness unter 15 µm führt in den meisten praxisrelevanten Fällen auf Dauer zu einem Anstieg des effektiven thermischen Widerstands, nicht zu dessen Reduktion. Ursache sind mechanisch-physikalische Grenzen durch Partikelgröße, Elastizität der Matrix und eingeschränkte Flächenanpassung. Die Viskoelastizität spielt dabei eine doppelte Rolle: Sie verhindert Sedimentation und stabilisiert das Material langfristig, limitiert aber zugleich die Fähigkeit zur vollständigen Spaltausfüllung in extrem dünnen Schichten. Eine optimale BLT für wärmeleitfähige Pasten mit sphärischer Füllstofffraktion und polymerer Matrix liegt laut Indistrie typischerweise im Bereich von 20 bis 50 µm, abhängig vom verwendeten Partikelsystem und der Oberflächenqualität der Kontaktpartner.
Chemische Zusammensetzung (LIBS-Analyse)
Die LIBS-Auswertung belegt ein hybrides Füllstoffsystem mit folgenden Hauptbestandteilen: Aluminium (41,2 Gew.-%) in Kombination mit Sauerstoff (25,1 %) weist eindeutig auf den Einsatz von Aluminiumoxid (Al₂O₃) hin. Diese keramische Phase ist elektrisch isolierend, chemisch stabil und thermisch leistungsfähig. Zink (7,8 %) liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit vollständig als Zinkoxid (ZnO) vor. Da entsprechende Partikel im optischen Schnittbild nicht eindeutig aufgelöst werden, ist von einer nanopartikulären Dispersion auszugehen.
Die ZnO-Nanopartikel füllen Zwischenräume im mikroskaligen Füllstoffgerüst und tragen zur Perkolationsvernetzung der Wärmeleitpfade bei.Silizium (11,4 %), Kohlenstoff (11,7 %) und Wasserstoff (2,8 %) sind der Polymermatrix zuzurechnen. Es handelt sich um ein silikonbasiertes Bindemittel, wie es für thermisch stabile, elektrisch isolierende Systeme im Elektronikbereich typisch ist. In Summe ergibt sich eine funktional abgestimmte Kombination aus sphärischen Aluminiumoxidpartikeln und fein verteilten ZnO-Nanopartikeln in einer thermisch beständigen silikonhaltigen Matrix.
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