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Shin Etsu MicroSi X-23-8195-4 Wärmeleitpaste im Test – In China-Tests gehypt und in der Realität gelandet

Wenn man in der Grauzone zwischen OEM-Fertigungsstraße und überteuertem Retail-Regal stöbert, stößt man früher oder später auf den Namen Shin-Etsu. Wer bei Wärmeleitpasten mehr erwartet als nur ein bisschen weißes Gekleckse aus einer fragwürdigen Spritze mit Gaming-Schriftzug, wird irgendwann bei einem der größten Spezialchemiekonzerne der Welt landen – nicht wegen großer Worte, sondern wegen kleiner Details. Shin-Etsu Chemical ist kein Neuling in der Welt der Wärmeableitung. Vielmehr stammen aus deren Pipelines seit Jahrzehnten halbleitertaugliche Materialien, die eher in Reinräumen als in Reviewtabellen auftauchen. Die Paste mit dem kryptischen Kürzel X-23-8195-4 ist so ein Kandidat – ein Produkt, das offiziell fast (noch) niemand kennt, aber bereits in zahlreichen Industriegeräten, Servern und OEM-Kühlkörpern zuverlässig mitarbeitet. Kein Marketing, keine LED-Kompatibilität, kein Tier im Namen – dafür aber eine silikonbasierte Matrix, die auf thermischen Dauerbetrieb getrimmt ist.

Shin-Etsu Chemical Co., Ltd. ist ein japanisches Chemieunternehmen mit Hauptsitz in Tokio, das 1926 gegründet wurde. Ursprünglich als Hersteller von Stickstoffdüngemitteln gestartet, entwickelte sich das Unternehmen zu einem der weltweit führenden Anbieter in verschiedenen Chemiesektoren. Heute ist Shin-Etsu der größte Hersteller von Polyvinylchlorid (PVC) und Silizium-Wafern für die Halbleiterindustrie weltweit und betreibt Produktionsstätten in 17 Ländern rund um den Globus un und besteht aus über 100 Tochtergesellschaften. Neben PVC und Halbleitersilizium produziert Shin-Etsu auch eine Vielzahl von Spezialchemikalien, darunter Silikone, Quarzprodukte und funktionale Materialien für die Elektronikindustrie wie eben diese Wärmeleitpaste. Was mich allerdings getriggert hat, ist der Hype, der nach Tests in Chinesischen Foren zu finden ist.

Die Shin-Etsu MicroSi X-23-8195-4 wurde erstmals auch hier im April 2025 im Einzelhandel gesichtet und es wird berichtet, dass die Paste zu diesem Zeitpunkt bei nur einem spezialisierten Anbieter erhältlich war. Vor ihrer Verfügbarkeit im Einzelhandel wurde die X-23-8195-4 allerdings bereits in OEM-Anwendungen eingesetzt.Die X-23-8195-4 ist eine Weiterentwicklung früherer Shin-Etsu-Produkte wie der X-23-7921-5 und der X-23-7783D. Sie wurde entwickelt, um eine leicht geringere Mindestschichtdicke und einen niedrigeren thermischen Widerstand zu bieten, was sie besonders für Anwendungen mit begrenztem Platzangebot und hohen thermischen Anforderungen geeignet macht. Allerdings hat man bei Shin Etsu eine minimale Stärke von 15 µm bewusst überschritten und ich werden heute auch einmal erklären, warum.

Die Frage ist also: Was steckt drin, wie gut verteilt es sich, und was passiert, wenn man versucht, das Zeug wie eine herkömmliche Paste zwischen IHS und Kühler zu zwängen? Gerade bei der BLT (Bond Line Thickness) scheiden sich ja die Geister – und die Finger derer, die es auftragen müssen. Die X-23-8195-4 verspricht laut Datenblatt wenig – und sagt viel zwischen den Zeilen. Sphärische Füllstoffe, keine elektrische Leitfähigkeit, keine offensichtliche Neigung zu Pump-Out oder Siloxan-Ausgasung. Stattdessen ein Verhalten, das unter realer Druckbelastung fast schon planbar erscheint – zumindest, wenn man den Begriff mittelviskos nicht mit „flüssig“ verwechselt. Denn hier entscheidet das Kraft-Weg-Verhalten mehr über die Performance als jede Laborangabe in Watt pro irgendwas. Auch dazu werde ich noch etwas schreiben.

Sie gehört zur Klasse der silikonbasierten Hochleistungspasten mit keramischer Füllstoffstruktur und wurde insbesondere für Anwendungen optimiert, in denen sowohl eine geringe thermische Kontaktwiderstandsschicht (BLT) als auch langfristige chemisch-thermische Stabilität gefordert sind. Die Formulierung basiert auf einer polydimethylsiloxanhaltigen Matrix, in die sphärische keramische Füllstoffe mit hoher Wärmeleitfähigkeit eingearbeitet sind. Die Paste zeichnet sich durch ein mittleres Viskositätsniveau mit thixotropem Fließverhalten aus. Dadurch lässt sie sich gut dosieren und kontrolliert applizieren, bleibt aber unter Temperatur und Zeit dimensionsstabil. Die typischerweise angegebene Wärmeleitfähigkeit liegt bei etwa 4.6 W/m·K, wobei dieser Wert unter praxisnahen Bedingungen durch die hohe Packungsdichte der Füllstoffe sicher auch realisiert werden kann. Aber das teste ich ja noch.

Die X-23-8195-4 wurde ursprünglich für BGA-, GPU- und Flip-Chip-Packages konzipiert und wird heute auch in Automotive- und Serverplattformen eingesetzt, bei denen ein niedriger thermischer Widerstand und eine elektrische Isolation essenziell sind. Sie ist nicht elektrisch leitend, weitgehend ausblutungsfrei und resistent gegenüber thermomechanischem Pump-Out, was sie für den Einsatz unter zyklischen Belastungen prädestiniert. Die Kombination aus werkseitig kontrollierter Partikelgrößenverteilung, hoher Reinheit und definierter Kompressibilität macht sie zu einer der am häufigsten als OEM-Paste eingesetzten Lösungen in professionellen Montageszenarien. Insbesondere ihre gute Langzeitstabilität bei Schichtdicken unterhalb von 50 µm hebt sie von vielen konkurrierenden Massenmarktprodukten ab. Und dass das jetzt kein inhaltsleeres Marketingewäsch ist, werden wir im heutigen Test sehen. Aber ist diese Paste auch DIE Überfliegerin, wie sie in manchen Foren bereits gehypt wird?

Test-Setup und Methoden Materialanalyse und Mikroskopie Grundlagenwissen
Hier erfahrt Ihr, warum effektive Wärmeleitfähigkeit und Bulk-Wärmeleitfähigkeit in der Praxis komplett unterschiedlich sein können, welche Rolle der Kontaktwiderstand zwischen den Flächen und der Paste spielt und wie man Wärmeleitpaste exakt messen kann. Dazu gibt es die genaue Beschreibung des Equipments, der Methodik und der Fehlertoleranzen. Ihr erfahrt hier, wie die Laser-induzierte Plasmaspektroskopie funktioniert und mit welchen Vorteilen und auch Einschränken man bei den Messungen leben muss. Dazu gibt es eine hochauflösende Digitalmikroskopie und die Analyse der Partikelgrößen. Diese Informationen dienen auch der Abschätzung der Langzeitkonstanz einer Paste. Wer schon immer einmal wissen wollte, was in so einer Paste drin ist bzw. was nicht und wie man diese Pasten herstellt, der wird hier noch einmal fündig. Der Grundlagenartikel dient zum besseren Verständnis dessen, was oft für viel zu viel Geld und mit manchmal auch abenteuerlichen Versprechen wirklich verkauft wird.

 

 

Kommentar

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konkretor

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370 Kommentare 397 Likes

Vielleicht kommt ja der Hype daher, wer vorher was schrottiges hatte und nun mal was besseres benutzt, den Unterschied merkt 😅

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Midnight Angel

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Hui, eine recht gute Paste mit etwas niedriger Viskosität, also leichter zu verarbeiten...

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D
Daniel#

Veteran

246 Kommentare 87 Likes

Der Preis für die Paste bei moddiy ist aber sehr hoch. 3g für >23€ wenn man 1 Stück bestellt.
Eine grobe Einstufung der Preis/Leistung und der Verfügbarkeit für den Privatkunden wäre vielleicht ganz gut für die Datenbank.
Hier werden durchaus öfter Exoten bzw. sehr teure Pasten getestet.

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M
Mudsee

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78 Kommentare 59 Likes

Nun der Preis wundert mich nicht, denn so im Handel ist sie wohl nicht zu bekommen. Den ein anbieter ist ja nichts und der wird es sich wohl nicht nehmen lassen, kasse zu machen. Vor allem wenn sie gerade gehypt wird.

Ansonsten ist sie an sich unspektaluär, Eine solide Arbeitspaste wo aber wenn man nicht auf das letzte Crad es abgesehen hat, und alle 4 Wochen den Rechner umbaut usw, ruhig ihren Dienst macht.

Eigendlich sogesehen in meinen Augen die richtige Paste für die meisten PCs.

Ich finde es schade bzw auch frustierend das es so viele Pasten gibt sie zwar tolle werte aufzeigen aber halt fix abbauen und dann wenn doof läuft schäden verursachen. Und diese Gibt es so viele Im Einzelhandel, aber solide Pasten sind da echt rar bzw gar nicht erhältlich.

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O
OCmylife

Neuling

6 Kommentare 4 Likes

Danke für den Test Igor. Nachdem ich auf meinem 14900K gute Erfahrungen mit der Shin-Etsu sammeln konnte, habe ich die KOLD auf der 4080 Super gestern auch gegen die Shin-Etsu getauscht. Ich bin auch hier wirklich zufrieden.

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Härle'sBöckle

Veteran

372 Kommentare 264 Likes

Ich hatte beim Lesen den Eindruck, dass die Einschätzung auf Seite 2 (z.B. zur minimale Schichtdicke) und Seite 4 ausführlicher ausgefallen sind (y). Auch für den Laien verständlich erklärt.

Der Preis ist happig. Mein Favorit bleibt weiterhin die TC-5550.

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R
Rooter

Veteran

229 Kommentare 81 Likes

Mit der Haltbarkeit und leichten Verarbeitung ist das eine ordentliche Paste. Angeblich wurde die speziell für Server entwickelt. Wegen der Haltbarkeit und leichten Verarbeitung oder warum?

Das ist ein starker Kontrast zur X-23-7921-5, die trotz der enormen Viskosität auch nicht besser lief. Sogar den W/m·K Wert hat Shin-Etsu ehrlich angegeben. Vielleicht geht sie in der Praxis noch ein wenig besser, siehe TC-5550. Ob ich die selber ausprobiere, weiß ich noch nicht. Ich könnte die immerhin mit der 8117 vergleichen.

Ob man von Hype sprechen kann, weiß ich nicht. Das sind Tests von 2-3 Accounts gewesen. Insgesamt gibt es sehr wenig zur 8195 (oder auch 8225). Bei Pasten von größeren Herstellern wird man schnell hellhörig. Shin-Etsu sollte mal ihre Webseite aktuell halten, weil deren neuesten Pasten nie zu finden sind. Die neueren tauchen zuerst bei irgendwelchen China Händlern auf. Wenn man Glück hat, werden solche Pasten dann später bei Moddiy angeboten. Ansonsten wird es schwer ranzukommen.

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Igor Wallossek

1

12,111 Kommentare 23,904 Likes

Das war auch der Sinn dahinter. Ich muss ja immer viele Mails und Nachfragen beantworten, was in der Summe dann meist aufwändiger ist :D
Eine Schlumperpaste muss man nicht verbal beweihräuchern, aber wenn etwas was taugt, muss man es auch erklären, warum :D

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R
RazielNoir

Urgestein

618 Kommentare 292 Likes

Eigentlich genau das richtige für die Renovierung/Aktualisierung eines günstig gebraucht gekaufen Certon Systems Integrita C4.
Passivkühllösung a'la Streacom/HDPlex/HFX übers Gehäuse. Den schraub ich genau 2x auf: Einmal um Bestandsaufnahme zu machen, 1x um zu Renovieren/upzugraden. Dann Daphile drauf statt dem Proprietären OS und wieder Ruhe für die nächsten 10 Jahre.

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R
Rooter

Veteran

229 Kommentare 81 Likes

Zum Thema " entwickelt für Server" habe ich tatsächlich ein aktuelles Beispiel gefunden.

Granite Rapids AP Shin-Etsu X-23-8195-4 Pre-Printed: https://www.dynatron.co/product-page/cp-7529al

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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