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Sharkoon B1 Stereo Headset im Test – Preiswert, günstig oder billig?

Mikrofon-Messung und Sound-Check

Zunächst messen wir auf Wunsch auch den Frequenzbereich des Mikrofons, um dem Feedback der Leser entgegenzukommen. Dafür nutzen wir erneut unseren Messraum, kehren den Vorgang aber quasi um. Natürlich übersteigt eine echte Reziprozitätskalibrierung als Ausgangsbasis unsere aktuellen Möglichkeiten und der Aufwand überstiege den Nutzen bei Weitem. Deshalb haben wir einen Kompromiss gesucht.

Da wir aber über ein kalibriertes Messmikrofon verfügen, lässt sich durch eine Vergleichsmessung und das Herausrechnen der Unterschiede zumindest eine für unseren Zweck gut verwertbare Kurve erzeugen. Somit ist es also nicht der exakte Frequenzgang des Mikrofons, das würden wir uns gar nicht anmaßen, jedoch eine aussagekräftige Annäherung, die unseren subjektiven Eindruck zudem untermauert.

Mess- und hörbar kann man feststellen, dass es einen echten Low-Cut gibt und der Verlauf der Messkurve unterhalb von 100 Hz steil nach unten abfällt. Die angegebenen 50 Hz erreicht man faktisch nie, aber das muss auch gar nicht sein. Den gleichen, extremen Abfall verzeichnet man aber auch oberhalb von einem Kilohertz und genau das sorgt dann auch dafür, dass das Mikrofon muffig, dumpf und viel zu basslastig klingt. Sibilanten werden kaum noch wiedergegeben und auch das Entfernen des Popschutzes lindert das alles nur marginal.

 

Kopfhörer-Messung

Wie wir testen, haben wir im Grundlagenartikel „Gaming-Headsets: Mythos, Wahrheit und wie wir testen“ bereits sehr ausführlich und transparent dargelegt, denn mit dem üblichen Audio-Geschwurbel von Bassgewittern und Hochtonpeitschen kommt man nicht wirklich weiter. Man muss schon subjektiv gut zuhören können und parallel dazu auch messen. Beginnen wir zunächst mit Letzterem.

Kommen wir nun zur Messung der Kopfhörer-Qualität. Ich habe den Frequenzverlauf wiederum bei 1 KHz auf 0 dB normiert, so dass man einerseits gut den Gesamtverlauf mit allen Zugaben und Frequenzabfällen bewerten kann und andererseits auch nicht ganz die Vergleichsmöglichkeit zu vorangegangenen Messungen verliert. Aber es ist trotzdem anders, weil ja die Glättung (1/1 Oktave) durch die nahezu ungeglättete Darstellung (1/24 Oktave) ergänzt wird. Das alles sieht dann natürlich deutlich „hibbeliger“ aus, passt aber auch wesentlich besser zur Realität. Denn eines ist auch klar: es gibt sie nicht, die ideale Kurve.

Doch beginnen wir zunächst mit der geglätteten Kurve, weil sie sich einfacher erklären lässt. Was wir sehen ist eine typische Badewanne mit Schwächen in den oberen Mitten und bis ca. 5 KHz. Der Bass ist da, aber sehr breiig und bei 70 bis 100 Hz reichlich überbetont, was auch auf Resonanzen schließen lässt. Dem Pegel und dem Schalldruck kommt das übrigens nicht entgegen. Die Anhebung zwischen ca. sieben und 11 KHz kommt dann schon viel zu spät.

Schieben wir nun die PR-kompatible Darstellung beiseite und betrachten den ungeglätteten Kurvenverlauf. Hier spielt natürlich auch noch das „nur“ semi-professionelle Messequipment eine Rolle, aber trotzdem fällt das Gemessene auch hier sehr ähnlich aus. Wir sehen hier noch einmal deutlicher, dass die Bassabstimmung im Peak bei ca. 72 Hz. Das ist sicher ein Kompromiss aus Tiefgang, Pegelfestigkeit und der aktiven Einbeziehung der Ohrmuschel als Resonanzkörper. So etwas schreit allerdings auch etwas nach Dämpfungsmaterial im Inneren, welches aber komplett fehlt.

Von den 20 Hz bis 20 KHz laut Datenblatt bleibt nicht viel übrig, würde man die normalerweise üblichen ± 3 dB als Toleranzgrenze ansetzen. Hier sind es eher ± 20 dB, was absolut neben der Spur liegt. mit 30 Hz bis 14 KHz bei ± 6 dB würde ich noch mitgehen, wenn ich bei den oberen Mittel mal beide Augen ganz fest zudrücke.

 

Kumulative Spektren (CSD und SFT)

Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Diese Analysen basieren auf dem bereits oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthalten aber zusätzlich noch das Element Zeit und zeigen nun als 3D-Grafik („Wasserfall“) sehr anschaulich, wie sich der Frequenzgang über die Zeit hin entwickelt, nachdem das Eingangssignal gestoppt wurde. Umgangssprachlich wird so etwas auch „ausklingen“ oder „ausschwingen“ genannt.

Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Zeitachse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber eklatante Schwächen aufweist, vielleicht sogar besonders „scheppert“ oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten.

Zwei Arten eines kumulativen Spektrums werde ich nun testen:

Cumulative Spectral Decay (CSD)
Der kumulative spektrale Zerfall (CSD) verwendet die FFT und ein modifiziertes Rechteckfenster, um den spektralen Abfall der Impulsantwort zu analysieren. Es wird hauptsächlich zur Analyse der Lautsprecher-Antwort verwendet. Der CSD verwendet normalerweise nur eine kleine FFT-Blockverschiebung (2-10 Samples), um Resonanzen im gesamten Frequenzbereich besser sichtbar zu machen und ist somit ein nützliches Werkzeug zur Erkennung von Resonanzen des Wandlers.

Das Bild zeigt sehr schön die Bassresonanzen, wobei sich der Pegel dort sogar noch frequenzabhängig verschiebt und es gefühlte Ewigkeiten nachvibriert. Das Resultat ist eine verwaschene und unpräzise Basswiedergabe, bei der sogar noch recht laute Töne aus dem Headset kommen, wenn das Signal schon längst verstummt ist. Es dauert sogar nahezu endlose 7 bis 8 ms, bis der Bass einigermaßen weg ist. Das passiert in etwas anderer Form auch knapp unterhalb von sieben Kilohertz, wobei hier der Treiber verantwortlich ist.

Short-time Fourier Transform (STF)
Die Kurzzeit-Fourier-Transformation (STF) verwendet das FFT- und Hanning-Fenster, um das zeitlich variierende Spektrum der aufgezeichneten Signale zu analysieren. Hier nutzt man im Allgemeinen eine größere Blockverschiebung (1/4 bis 1/2 der FFT-Länge), um einen größeren Teil des zeitvariablen Signalspektrums zu analysieren, wobei man besonders den Einsatzgebieten wie Sprache und Musik näherkommt.

Im STF-Spektrum sehen wir nun auch sehr schön die Arbeit der Treiber, die sich in einigen Frequenzbereichen leider so manche leichte Schwäche leisten. Dieses „Nachziehen“ bei einigen Frequenzen unterstreicht die Vermutung, dass hier der Hochton auch mechanisch vom Treiber etwas gepusht wird, was ich persönlich eher schade und übertrieben finde. Über den künstlich aufgeblasenen Bass schreib ich ja schon, zumal auch die Zerfallskurve direkt bei Signalauslösung im Bereich der unteren Mitten extrem schwächelt.

Was als Resümee bleibt, ist ein Einschwingverhalten, das der Preisklasse zwar noch angemessen erscheint, aber jegliche Präzision mit einer Geste von Nonchalance nahezu komplett unterbindet. Das ist wirklich schade, aber auch beim subjektiven Hörtest nicht wegzudiskutieren. Denn es ist hörbar, auch wenn man diese Kurven gar nicht gesehen hat.

 

Subjektives Hörerlebnis

Testen wir nun auch subjektiv, was man im Original geboten bekommt und zwar OHNE das angebotene Sounding. Ich habe das Headset vorher jedoch wie immer fast 5 Tage im Messraum eingesperrt und mit einem ausgewählten Sound-Loop gequält, um erst einmal Betriebsstunden zu schrubben. Was tut man nicht alles für unsere eingefleischten Einspielfanatiker unter den Lesern 🙂

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Der originale Bass ist eher schwach, aber anwesend. Allerdings lebt der Bass überwiegend vom sehr großvolumigen Gehäuse der Ohrmuscheln und neigt deshalb zum unpräzisen Wummern. Ein trockener Kick wird zum Wumm mit einigen Millisekunden „Nachhall“ und bei einer Bassgitarre steht der Ton noch, nachdem bereits die nächste Seite angeschlagen wurde. Man könnte mit einigen, eher trivialen Basslinien gängiger Deutsch-Rapper sicher ganz gut leben, aber es ist nichts für filigrane Klänge im Bassbereich, leider. Trocken geht anders und der Punch fehlt auch. Wenn das B1 eines nicht ist, dann pegelfest.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Männliche Vokals wirken etwas erdrückend und dröhnend, aber alles andere als souverän. Das ist insofern schade, als dass die Grundtonfrequenzen ja auch über Wärme und Fülle entscheiden und hier schon beim Fundament das Waten im Schokopudding zum Hauptgang wird. Nimmt man den Bass bei 125 Hz etwas zurück, wird auch der Bereich darunter wieder etwas friedfertiger und pegelfester und die Membran schiebt nicht sinnlose Wellen in die Mitte, die den Mitteltonbereich so extrem beeinflussen.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Weibliche Vocals sacken im Ansatz ab, was beide Zerfallsdiagramme oben auch sehr schön veranschaulichen. Dieser Bereich kommt erst nach fast einer Millisekunde wieder in Fahrt, was zu unschönen Verschiebungen führt, wenn die Klänge mal komplexer werden. Auch hier hilft der Equalizer etwas ab, wenn man die tieferfrequenten Anteile ein wenig dämpft. Es ist übrigens auch der Frequenzbereich, der von einer manuellen Einbringung von weichem Material in die Kapsel zur Dämpfung am meisten profitiert.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Das alles kommt mit steigender Frequenz wieder sauberer, deutlicher und auch differenzierter ans Ohr. Sogar eine Tiefenstaffelung ist ansatzweise hörbar, was mich dann wirklich positiv überrascht hat. Allerdings gehen die oberen Mitten nach oben hinaus ab in den Urlaub. Bis zwei Kilohertz ist die Abwärtsbewegung wie eine steile Rodelbahn und es ist auch dann noch nicht Schluss. Damit leidet die räumliche Ortung wirklich gehörig, vor allem die eher hellerer Geräusche wie Schritte auf Beton oder Raumhall.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Der Abwärtstrend setzt sich weiter fort, was Stimmen und vielen Instrumenten die individuelle Klangfarbe nimmt. Das alles wird zu einheitlich und austauschbar und der Wiedererkennungsfaktor vieler Solisten tendiert gegen null. Am auffälligsten ist dies bei gemischten Chören und wenn das gesamte Orchester zum Schlussakkord ansetzt. Dann gibt es Brei ohne eine wirkliche Differenzierung der Quellen, schade.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Das eben Erwähnte setzt sich sogar noch mit einer leichten Steigerung fort. Das unterstreicht den etwas muffigen Charakter, denn es fehlt jegliche Brillanz. Sibilanten gelingen nicht prägnant genug und so wird aus einem gehauchten S schnell mal ein F.  Art ab ca. sieben  Kilohertz wird alles wieder etwas spritziger, was aber zu spät ist. Das setzt sich dann bis weit über 12 KHz fort, nur dass die heiße Luft im Superhochton nicht zum Aufwärmen der eingeschlafenen kalten Füße im Bassfundament herunterreicht.

 

Zusammenfassung und Fazit

Der Hersteller wirbt dafür, dass dieses Headset bewusst nicht in die Skiller-Reihe aufgenommen wurde, weil es sich nicht nur an Gamer reichtet. Gut und schön, aber an wen denn dann? An den Musikliebhaber sicher nicht, der im gleichen Preisbereich auch anderswo deutlich bessere Kopfhörer bekommt. Und ein Anpappmikrofon á la Zalman, das zudem deutlich luftiger klingt, gibt es auch schon ab 4 Euro. Am Ende ist das Headset also weder Fisch noch Fleisch.

Für den Einsteiger, der entweder mit dem Gebotenen leben könnte, weil er seine Hörgewohnheiten noch nie nach oben geschraubt hat oder der finanziellen Zwängen Rechnung tragen muss, ist das Sharkoon B1 zu teuer. Für den Preisfuchs, der für ca. 40 Euro schon etwas mehr erwartet, ist es dann zu schlecht. Würde man es für 25 bis 30 Euro anbieten, würde ich es deutlich wohlwollender einschätzen, weil einfach nicht mehr geht. Aber so?

Sharkoon ist bekannt, preisgünstige Produkte mit einem Maximum an Performance für den ausgegebenen Euro anzubieten. Das B1 gehört aber nicht dazu und ist deshalb wohl eher ein grandioser Ausrutscher. Ich habe auch mittlerweile mit dem Hersteller telefoniert und mich über das Gehörte und Gemessene ausgetauscht. Auch hier wird es mit Sicherheit eine Lernkurve geben, denn auch Sharkoon wird ja bemüht bleiben, das Image nicht mit solchen Perlen zu ruinieren.

Was bleibt mir nun als Fazit? Wem die Form gefällt, der Sound akzeptabel scheint und auf marken keinen Wert legt: Geduld bewahren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Preis noch weiter in Richtung 30 Euro nachgeben wird. Dann kann man auch bedenkenlos kaufen, wenn man in dieser Preisklasse fischen möchte oder muss. Denn genau da gehört das Sharkoon B1 auch hin. Alles andere ist Zweckoptimismus vor dem Herrn.

 

Für die Lesefaulen habe ich natürlich auch noch das passende YouTube-Video 🙂

 

 

 

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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