Audio Headsets Testberichte

Roccat Khan Pro im Headset-Test: Überflieger, Mittelmaß oder Bruchlandung?

Für immerhin aktuell knapp 100 Euro bietet Roccat mit dem Khan Pro ein neues Headset an, das ab sofort alles besser können möchte, als alle anderen Gaming Headsets links und rechts davon im Regal. Glaubt man der Homepage, dann lässt einen das natürlic...Mikrofon-Messung und Sound-Check Zunächst messen wir auf Wunsch auch den Frequenzbereich des Mikrofons, um dem Feedback der Leser entgegenzukommen. Dafür nutzen wir erneut unseren Messraum, kehren den Vorgang aber quasi um. Natürlich übersteigt eine ...

Mikrofon-Messung und Sound-Check

Zunächst messen wir auf Wunsch auch den Frequenzbereich des Mikrofons, um dem Feedback der Leser entgegenzukommen. Dafür nutzen wir erneut unseren Messraum, kehren den Vorgang aber quasi um. Natürlich übersteigt eine echte Reziprozitätskalibrierung als Ausgangsbasis unsere aktuellen Möglichkeiten und der Aufwand überstiege den Nutzen bei Weitem. Deshalb haben wir einen Kompromiss gesucht.

Da wir aber über ein kalibriertes Messmikrofon verfügen, lässt sich durch eine Vergleichsmessung und das Herausrechnen der Unterschiede zumindest eine für unseren Zweck gut verwertbare Kurve erzeugen. Somit ist es also nicht der exakte Frequenzgang des Mikrofons, das würden wir uns gar nicht anmaßen, jedoch eine aussagekräftige Annäherung, die unseren subjektiven Eindruck zudem untermauert.

Mess- und hörbar kann man feststellen, dass es unter ca. 100 Hz ein Art Low-Cut gibt. Das ist auch wichtig, weil das Mikrofon von Haus aus schon etwas basslastig ist. Ein Rumpeln kann damit noch akzeptabel vermieden werden. Die Sprachverständlichkeit ist gut bis sehr gut, der Pegel ist ausreichend hoch. Hier sollte man in den Systemeinstellungen (der Soundkarte) bei Bedarf trotzdem noch eine leichte Pegelanhebung vornehmen.

Was sehr angenehm klingt, sind Sibilanten bzw. Zischlaute, denn der Hochton ist nicht übermäßig dominant. Der Klang ist, auch auf Grund des starken Oberbasses und der präsenten unteren Mitten, eher als warm zu bezeichnen.

Kopfhörer-Messung

Wie wir testen, haben wir im Grundlagenartikel „Gaming-Headsets: Mythos, Wahrheit und wie wir testen“ bereits sehr ausführlich und transparent dargelegt, denn mit dem üblichen Audio-Geschwurbel von Bassgewittern und Hochtonpeitschen kommt man nicht wirklich weiter. Man muss schon subjektiv gut zuhören können und parallel dazu auch messen. Beginnen wir zunächst mit Letzterem.

Wenn man die originale Kurve betrachtet, dann sieht es bis auf zwei Dellen gar nicht mal nicht schlecht aus. Sowohl im unteren, als auch im oberen Grenzbereich sieht man, dass die Frequenzen unseres Begehrens auch dort noch in ordentlichen Pegeln vorhanden sind. Die Obergrenze von 44 KHz haben wir bewusst nicht miterfasst, denn man misst, vor allem mit semi-professionellem Equipment, schnell Mist. Also sonst irgendetwas, nur nicht das, worauf es ankommt. Zumal wir ja bekannterweise auch keine Fledermäuse sind. Die ausgelobten 44 KHz sind also eher hypothetischer Natur und Stoff für das PR-Nähkästchen.

Der Knick bei etwas über 325 Hz in den unteren Mitten ist jetzt nicht mega-dramatisch und resultiert ganz offensichtlich aus einer Bassanhebung (mechanisches Sounding) durch eine gezielte Abstimmung des Resonanzkörpers. Das provoziert dann als Folge meist auch ein Abrutschen des nachfolgenden Frequenzbereiches. Auch bei ca. 3,6 KHz sehen wir ein wohl eher treiberbedingtes Löchlein, wobei gerade in diesem Bereich das menschliche Ohr mit am empfindlichsten ist. Auch dies gleicht sich bereits subjektiv aber fast aus und kann per Equalizer noch zusätzlich gut nachkorrigiert werden.

Wir spielen zusätzlich noch etwas mit dem Tief(st)bass, indem wir ihn absenken. Klingt paradox, ist es aber gar nicht. Damit steigt nämlich gleichzeitig auch die Pegelfestigkeit enorm, was uns stets gelegen kommt. Weniger Klirr, sauberere Spitzen und eine deutlich gesteigerte Auflösung sind ein nettes Zubrot, mit dem man seine Ohren gern füttert.

Subjektives Hörerlebnis – Original gegen Optimierung

Testen wir nun auch subjektiv, was man im Original und nach der manuellen EQ-Anpassung am Ohr anliegen hat. Wir haben das Headset zuvor noch wie üblich zwei Tage lang an einer Quelle mit ordentlichem Pegel durchgehend betrieben, um auch den Einspiel-Fanatikern eine Chance zu geben.

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Der Bass ist im Original grottentief und fast schon schwarz, mit unserer Korrektur ab etwa 45 Hz abwärts zwar bereits hörbar zurückhaltender, aber immer noch genug präsent. Mit dem neuen Setting wirkt alles noch einen Tick differenzierter und klarer, ohne jedoch merklich an Druck zu verlieren, im Gegenteil. Ab ca. 30 Hz wird es dann mit Soundkorrektur nach unten hin zwar etwas dünn, aber das macht eigentlich nichts. Die Kontraoktave ist noch vollständig anwesend, das beruhigt dann auch den letzten Tiefgänger sicher ein wenig. Wer es hingegen dumpf blubbern und rollig-rollend mag, lässt den Regler halt auf dem Originalpegel.

Die große Basstrommel kommt ausreichend knackig und die Pegelfestigkeit stimmt für diese Preisklasse auch. Das Einschwingverhalten geht ebenfalls in Ordnung und insgesamt kann man festhalten, dass der Bass in beiden Interpretationen definitiv nicht zu den Schattenseiten des Roccat Khan Pro zählt.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Dieser Bereich klingt bereits im Original einigermaßen ausgewogen und natürlich, wenn auch etwas zu angefettet. Die männlichen Vocals werden (fast schon zu) satt und warm wiedergegeben, die Instrumente werden kaum verfälscht. Insgesamt ist die Auflösung sehr gut und lässt auch nicht zu dominant aufspielende Quellen noch gut performen und sogar orten.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Weibliche Vocals kommen sehr ordentlich auf den Punkt. Die Klangfarbe der Vocals und eingespielten Instrumente geht im Original eher in Richtung neutral und oben hinaus dann sogar ins Kühle, ohne aber gleich analytisch zu wirken. Der weitere Verlauf in Richtung 500-Hz-Marke ist beim optimierten Profil aber bereits deutlich besser, weil man so die fiese Delle bei 325 Hz fast komplett beseitigen kann.

Das manuell erstellte Setting lässt die Abstimmung dann auch schon eher wieder in Richtung warm und angenehm zurückgleiten – eigentlich ein Muss für Musikliebhaber, obwohl es dem reinen Gamer eher Wurst sein dürfte. Klaus-Kevin nimmt sicher auch die Eisbox noch mit Handkuss.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Das Drama und akustische Tal der großen Tränen liegt hinter uns und es geht wieder bergauf. Die Instrumente bieten die geforderten Nuancen und auch die Auflösung ist akzeptabel bis gut. Viele Details können durchaus begeistern und die Bühne, sowie die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung sind auf einem guten Niveau.

Für Musikliebhaber: Ein Orchester wirkt (rein subjektiv betrachtet) noch weit genug aufgestellt, auch wenn einzelne, eher leisere Quellen bei hohen Gesamtpegeln nicht immer zielsicher geortet werden können. Hier merkt man dann doch, dass es keine HiFi-Kopfhörer für die Freunde des grandiosen Finale Furioso sind. Für Gamer: dem Spiel tut das Ganze keinen Abbruch, sondern ist mal wieder unser übliches Jammern auf doch recht hohem Niveau.

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Das manuelle Setting kommt der originalen Klangfarbe eher entgegen und alles klingt etwas natürlicher und neutraler, auch wenn schon die originale Auslegung erträglich ist. Besser geht immer und vor allem die Ortung im Spiel ist in beiden Interpretationen zu jeder Zeit auf der Höhe des Geschehens. Sicher ginge es wohl sogar (noch) besser, aber es gibt deutlich schlechtere Headsets für ähnliches Geld. In der richtigen Relation betrachtet, passt es also.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Hoch- und Superhochton sind dominant, keine Frage. Es driftet aber nichts ins Metallische und Spitze ab, was zu überbetonen Sibilanten und Ausblasgeräuschen führen würde. Es klingt weitgehend neutral, was gefallen kann. Der angegebene Frequenzverlauf von 20 Hz bis 44 KHz ist zumindest bis zu der von uns gesetzten Grenze von 20 KHz realistisch, auch wenn man einen echten Toleranzbereich für den Verlauf so nicht setzen kann. Die Abstimmung ist für unseren Geschmack einen Tick zu basslastig, aber genau das liegt ja aktuell im Trend.

Zusammenfassung und Fazit

Die 99 Euro sind eine sehr selbstbewusste Ansage, wenn man auf Material und Leistung sieht. Wir sähen es hingegen sehr gut aufgestellt im 80-Euro-Bereich, aber eben nicht darüber. Würde der Preis jetzt stimmen, wäre es uns sogar einen expliziten Kauftipp wert, aber in der 100-Euro-Klasse muss dann einfach auch die Materialanmutung stimmen.

Das heißt nicht, das Roccat Khan Pro wäre ein haptisch oder optisch minderbemittelter Billigheimer, Gott bewahre. Aber es ist wie in einem höherpreisigen Restaurant, wo nicht nur die Qualität des Steaks zählt, sondern auch die Frische der Garnitur bis hin zum Dressing stimmen muss. Genau das geht dem Roccat Khan Pro aber ab. Kleinigkeiten zwar, aber der Preis…

Wir können Roccat nur raten, hier noch einmal in Klausur zu gehen und sich den Realitäten des Marktes und der Mitbewerberangebote nicht zu verschließen. Dann gibt es neben einem Lob der Kopfnote auch mal wieder eine positive Erwähnung des akustisch-kulinarischen Gesamtpaketes.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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