Kühlung mit der Chiller-Brechstange
Um überhaupt verwertbare (Übertaktungs-) Ergebnisse erzielen zu können, mussten wir, wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, von der normalen Wasserkühlung wieder auf den Alphacool Eiszeit Chiller 2000 ausweichen. Versuche mit AiO-Kompaktwasserkühlungen wie einer Corsair H100i sowie der Enermax LiqTech 240 liefen bereits beim Standardtakt und Prime95 ins thermische Limit, die Custom-Loop-Kühlung versagte dann später bei 4.6 GHz.
Doch Stopp! Normalerweise sollten derartige Kühllösungen doch in der Lage sein, eine solche CPU noch ausreichend zu kühlen? Immerhin konnten wir ja seinerzeit den Core i7-5960X noch mit 4,8 GHz und einer normalen AiO-Kompaktwasserkühlung betreiben, wobei ja auch damals schon bis zu 250 Watt Leistungsaufnahme zu verzeichnen waren. Wir waren diesmal am Ende aber einfach gezwungen, konstante 20°C im Kühlkreislauf zu erzwingen, um überhaupt noch irgendwelche Experimente anstellen zu können!
Hohe Delta-Werte als Kühlfalle
Der eigentliche Grund liegt an Intels unverständlicher Spaßbremse in Form unzweckmäßiger (aber wohl deutlich billigerer) Wärmeleitpaste anstelle eines sinnvollen Lotes. Da allerdings die DTS (Digitale Temperatursensoren) bei Intel erst ab ca. 35 bis 40°C einigermaßen belastbare Werte liefern, haben wir unsere Betrachtung dahingehend abgeändert und nur Werte oberhalb in der ersten Auswertung erfasst. Um nämlich das Elend mit der Wärmeleitpaste richtig einordnen zu können, zeigen wir jetzt die Temperaturunterschiede zwischen dem konstant 20°C kühlen Wasserblock und dem, was wir als CPU-Temperatur aus den Sensorwerten ermittelt haben.
Die nachfolgende Kurve zeigt extrem deutlich, dass die Abwärme nur schlecht und unzureichend abgeführt werden kann. Was bei einem thermischen 100-Watt-Sparbrötchen wie dem Core i7-7700K gerade noch so funktionierte, führt die Pasten-Strategie nun aber geradezu ins Absurde. Wir haben mittels eigener, sehr dünner Kupferplättchen analog zum Ryzen-Launchartikel auch die Temperatur des Heatspreaders gemessen, wobei das hier ermittelte Delta später mit in unsere Einzelkurve einfließt.
An Ende repräsentiert die nachfolgende Kurve somit die Temperaturunterschiede zwischen der Heatspreader-Oberseite und den Rechenkernen, wobei uns die Ergebnisse geradezu geschockt haben:
Obwohl wir mit unserem Chiller, dem Alphacool XPX Wasserblock und der Thermal Grizzly Kryonaut Wärmeleitpaste so ziemlich das Beste und Teuerste verwendet haben, was der Markt so hergibt, stehen am Ende satte 71 Kelvin als Temperaturdifferenz zwischen der Temperatur der Kerne und der Oberseite des Heatspreaders auf der Rechnung! Das ist vor allem insofern ärgerlich, dass es normale Kühllösungen bei Volllast und Werkstakt bereits recht albern aussehen lässt. Wie man solche Leistungsaufnahmewerte besser abführen kann, hat AMD mit Ryzen 7 eindrucksvoll bewiesen, auch wenn uns dort das Spielchen mit den künstlich per Offset umgebogenen Ausgabewerten der X-Modelle sauer aufgestoßen ist.
Um unser Unverständnis zu verdeutlichen, haben wir nun die Temperaturverläufe im Detail, so wie sie sich Out-Of-The-Box mit Prime95 bzw. Luxrender darstellen, in ein Diagramm gepackt. Dass hier der Chiller oder eine ordentliche konventionelle Custom-Loop-Kühlung noch gut funktionieren, ist einigermaßen logisch, aber jede andere Kühllösung wird bereits bei diesen Lasten an die Grenzen geführt. Selbst die Mainboardhersteller haben uns von der einsetzenden Schnappatmung der sonst verwendeten AiO-Kompaktwasserkühler berichtet, wenn Prime95 ohne AVX-Drossel losgelassen wird.
Bis zu 65°C Tcore bei einer Heatspreader-Temperatur von ca. 24°C ergibt bereits ein Delta von über 40°C. Diesen Wert erreichten wir mit einer Verlustleistung von knapp 230 Watt. Sobald man sich jedoch oberhalb der 300-Watt Grenze bewegt, die man sogar mit einfacheren Renderprogrammen bereits ab ca. 4.6 bzw. 4.7 GHz und den dafür nötigen Spannungen erreichen kann (je nach Chipgüte), geht auch mit dem Chiller kaum noch etwas. Bei den von uns erreichten Maximalwerten von etwas über 300 Watt läuft die CPU bereits permanent ist thermische Limit von 100°C, kurz darauf kommt es dann zur folgerichtigen Abschaltung.
Leakage
Wir haben die Leistungsaufnahmewerte bei identischer Last und verschiedenen Kühllösungen gemessen, wobei uns hier natürlich physikalische Grenzen gesetzt worden sind. Der Anstieg der Leckströme bei höheren Temperaturen hält sich in einem sehr überschaubaren Rahmen, wie es die nächste Kurve zeigt. Die Leistungsaufnahme steigt um ganze 5%, wenn sich die Kerntemperaturen um ca. 40 Kelvin erhöhen. Das ist mehr als nur akzeptabel, sondern richtig gut. Die Messwerte oberhalb von ca. 95°C sind jedoch bereits durch das einsetzende Throttling etwas ungenauer. Hier haben wir ausnahmsweise mit einem Low-Pass-Filter gearbeitet, der die kurzen Einbrüche einigermaßen glättet.
Zwischenfazit
Ja, es hätte alles so schön sein können, wäre da nicht das Ärgernis mit der Wärmeleitpaste zwischen Heatspreader und Die. Gut, der Normalanwender im semi-professionellen Bereich wird die CPU kaum übertakten, womit sich die Trauergemeinde wohl deutlich reduzieren dürfte. Aber selbst vernünftige Nutzer des Core i9-7900X werden nicht umhinkönnen, zumindest in eine gescheite Kühlung zu investieren. Ob man dann eine wirklich gute AiO-Kompaktwasserkühlung oder doch besser gleich eine richtige Wasserkühlung nutzt, sei mal dahingestellt. Luftkühlung scheidet im Volllastbetrieb, vor allem im Sommer, dann doch aus.
- 1 - Einführung und Übersicht
- 2 - Intels Fabric - Mesh statt Ringbus
- 3 - Cache und Latenzen, IPC, AVX und Kryptographie
- 4 - Chipsatz, Testsystem und -methoden
- 5 - Problemanalyse mit Civilization VI und VRMark
- 6 - AotS Escalation, Battlefield 1, Deus Ex: Mankind
- 7 - GTA V, Hitman, Shadow of Mordor
- 8 - Project Cars, Rise of the Tomb Raider, The Division
- 9 - Workstation und HPC
- 10 - Leistungsaufnahme und Übertaktung
- 11 - Temperaturverläufe und thermische Probleme
- 12 - Zusammenfassung und Fazit
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