Eigentlich wollte ich die PCGH Gear Carbonite Ultra nicht schon zu Beginn mit testen, denn es ist immer schwierig, Produkte von Kollegen objektiv zu bewerten. Nicht deshalb, weil es an der eigenen Objektivität mangeln würde, sondern weil einem schnell von Dritten das Gegenteil unterstellt wird. Da ist es egal, ob das Ergebnis gut oder schlecht ausfällt, einen Grund zum Meckern gibt es immer. Ich mache es trotzdem und zwar aus zwei Gründen: Erstens war es die Paste, zu der mich mit die meisten Anfragen erreicht haben und zu der es die wenigsten belastbaren Tests gib. Zweitens dürfte es diese Paste in dieser Form sicher nicht mehr allzu lange geben, also muss ich mich dann doch beeilen.
Warum man sich auf genau diesen Namen eingeschossen hat? Keine Ahnung. Mal abgesehen davon, dass es Carbonite Ultra im Technik-Bereich schon seit Ewigkeiten als eingeführtes Markenprodukt gibt (Video-Profis wissen das), ist die Verwechslungsgefahr zur Carbonaut von Thermal Grizzly sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Da wird man mit Sicherheit handeln müssen (und wird es wohl auch). Aber es fördert zumindest die Neugier. Denn wenn ein einziges Gramm schon fast 10 Euro kostet (mittlerweile ausverkauft) und zwei davon fast 16 Euro, dann stellen sich mir die Nackenhaare auf. Das ist eine Gewinnspanne zum Träumen, wobei ich mir sehr sicher bin (ok, ich weiß es), dass die PCGH hier von allen Beteiligten wohl am wenigsten profitiert. Da muss man die Beteiligten bei PCGH mal in Schutz nehmen, denn sie haben sich definitiv auf den bzw. die Falschen verlassen und es einfach nicht besser gewusst.
Ich kann schon einmal spoilern, dass die Paste für Kurzeit-Einsätze sogar richtig gut ist, was auch an ihrer Zusammensetzung liegen dürfte. Allerdings sind Usability and Reliability nicht die großen Stärken. Sie wird sich an der Arctic MX-6 messen lassen müssen, sowohl von der Konsistenz her als auch in Bezug auf das Langzeitverhalten. Nur dass die MX-6 deutlich günstiger ist, wenn man das Gewicht betrachtet. Die Carbonite Ultra in der 2-Gramm-Tube kostet nämlich mehr als das Vierfache! Die angegebenen 14 W/(m·K) für die Wärmeleitfähigkeit sind allerdings wieder die übliche Marketing-Märchenstunde.
Ein wichtiges Vorwort zur “Bulk-Wärmeleitfähigkeit” und falschen Marketing-Versprechen
Ich stelle jetzt bewusst zwei Zitate voran, die mir nicht nur aus der Seele sprechen, sondern auch mit meinen Labormessungen absolut überein stimmen. Viel mehr als 4 bis 5 W/(m·K) gehen mit konventionellen Pasten unter den üblichen Bedingungen auf einer GPU oder CPU in Bezug auf Schichtstärke, Temperatur und Druck nämlich überhaupt nicht. Weil diese Zitate ehrlich sind und leider der Realität entsprechen, werde ich diesen Part ab sofort als Standardzitat in allen Pasten-Tests aller Hersteller verwenden und voranstellen. Physik kann man nicht verbiegen.
Wer sich fragt, wie man überhaupt auf Angaben oberhalb dieser Grenze kommt, dem sei gesagt, dass man Testbedingungen durchaus so anpassen kann, dass man in die Nähe astronomisch hoher Zahlen gelangt. Nur hat das Testen im Eimer mit der Realität nichts zu tun, auch wenn man ein bekanntes Messverfahren nutzt. Ohne Kenntnis der genauen Umstände sind solche Wert komplett irreführend und sinnlos. Man könnte zwar vielen Anbietern zu Gute halten, dass sie es einfach nicht besser wissen und nur die Datenblätter der OEM abschreiben, aber es macht eine Irreführung der Verbraucher auch nicht besser.
Die meist theoretisch bestimmten Wärmeleitwerte unterscheiden sich stark je nach Anwendung, da wichtige Faktoren wie Anpressdruck, Temperatur oder Oberfläche nicht einheitlich berücksichtigt werden können. All unsere Kühlprodukte geben daher seit dem 4ten Quartal 2020 keine konkreten Werte zur Wärmeleitfähigkeit mehr an. Wir setzen weiterhin auf die Testergebnisse unabhängiger Tests und Reviews, damit unsere Kunden einen realistischeren Eindruck unter vergleichbaren Umständen von der Leistungsfähigkeit unserer Produkte in der Praxis erhalten können.
Arctic
ARCTIC hat sich bewusst dafür entschieden, keine Werte zur Wärmeleitfähigkeit von Wärmeleitpasten und Wärmeleitpads anzugeben, da viele Hersteller diesen Wert erfinden, künstlich anheben oder beschönigen. Wärmeleitpaste hat eine Wärmeleitfähigkeit von 1 bis 4 W/mK. Werte außerhalb dieses Bereichs, wie zum Beispiel 12,5 W/mK, entsprechen nicht der Wahrheit. Viele Wettbewerber geben Werte über 4 W/mK an, um eine bessere Leistung zu suggerieren. Dies führt oft zu falschen Erwartungen und unzufriedenen Anwendern…
Unboxing
Neben der Paste erhält man zwei Spatel (einer hätte gereicht) und zwei Isopropanol-Pads samt Anleitung. Der Eingeweihte nimmt auch gern Brillenputztücher, die sind im Verhältnis deutlich preiswerter 🙂
Technische Daten
Lassen wir das Marketing mal beiseite und schauen auf die technischen Daten dieser Paste, die in verschiedenen Gebinden und Größen erhältlich ist. Wir sehen, dass die Angaben zur Wärmeleitfähigkeit mit der Realität nichts zu tun haben. Die grün hinterlegten Spalten enthalten Messwerte, die grau hinterlegten die meist fehlenden Herstellerangaben
Technische Daten | |
Bulk-Wärmeleitfähigkeit λ | 14 W/(m·K) (Marketing) |
Effektive Wärmeleitfähigkeit λeff, | 3,383 W/(m·K) (Test method ASTM D5470-17) |
Effektiver Wärmewiderstand Rth 400 µm | 1.28900 mm²K/W (Test method ASTM D5470-17) |
Effektiver Wärmewiderstand Rth 200 µm | 0.68130 mm²K/W (Test method ASTM D5470-17) |
Effektiver Wärmewiderstand Rth 100 µm | 0.40036 mm²K/W (Test method ASTM D5470-17) |
Effektiver Wärmewiderstand Rth min | 0.18004 mm²K/W (Test method ASTM D5470-17) |
Minimale Schichtdicke | 9 µm (bei 60 PSI und 60 °C nach 30 Minuten) |
Wärmeleitpartikel | Zinkoxid (ZnO), etwas Aluminium-Oxid (AL2O3), Silikonöl (Test method LIBS, Keyence EA-300) |
Volatilization Rate (Verflüchtigung) | n/a |
Density | 3.74 g/cm³ |
Viscosity | 110 bis 170 Pa·s (1100 bis 1700 Poise), nicht plausibel |
Arbeitstemperatur | -250°C / +350°C, nicht plausibel |
Durchbruchsspannung | n/a |
Durchgangswiderstand | n/a |
Maximaler Druck | n/a |
Farbe | blau |
Zubehör |
2 Spatel, Alko-Pads |
Gebinde |
Tube 1 g, 2 g |
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