Der ehemalige Intel-CEO Pat Gelsinger hat sich erneut zu Wort gemeldet – dieses Mal mit einer deutlichen Skepsis gegenüber den Expansionsplänen des taiwanischen Auftragsfertigers TSMC in den USA. Laut einem Bericht der Financial Times vertritt Gelsinger die Ansicht, dass selbst milliardenschwere Investitionen in US-amerikanische Chipfabriken nicht zu einer echten Führungsrolle der USA in der Halbleiterindustrie führen werden, solange die Forschung und Entwicklung weiterhin auf Taiwan konzentriert bleibt.

Milliarden ohne Macht? Gelsinger sieht fehlenden Technologietransfer als Hauptproblem
Konkret bezieht sich Gelsinger auf die Ankündigung von TSMC, mehr als 100 Milliarden US-Dollar in neue Fertigungsstandorte in den USA – insbesondere in Arizona – zu investieren. Dabei geht es primär um den Aufbau neuer Foundries für die 4-nm- und 3-nm-Produktion. Für Gelsinger ist das jedoch nur ein Teil des Gesamtbilds. Die eigentliche technologische Souveränität liege nicht in der physischen Fertigung, sondern im geistigen Eigentum – sprich: in der Entwicklung der zugrundeliegenden Technologien. Er bringt es nüchtern auf den Punkt: „Wenn Sie nicht die nächste Transistorgeneration in den USA entwerfen, dann haben Sie dort auch keine Führungsrolle.“ Und weiter: „Ohne F&E in den USA wird es keine technologische Führungsrolle geben.“
R&D bleibt auf Taiwan – politisch und strategisch gewollt
Besonders kritisch sieht Gelsinger die Tatsache, dass TSMC nach wie vor seine gesamte Forschung und Entwicklung auf Taiwan konzentriert. Dies sei kein Zufall, sondern eine strategische Entscheidung – politisch flankiert durch die taiwanische Regierung, die ein Auslagern von Schlüsseltechnologien ins Ausland bisher kategorisch ablehnt. Für die USA bedeutet das: Sie bekommen zwar modernste Fertigungsstätten, aber ohne Know-how darüber, wie man diese weiterentwickelt. TSMC hat sich zu diesem Punkt allerdings bereits positioniert. In offiziellen Mitteilungen wurde mehrfach auf den Aufbau eines neuen F&E-Zentrums in den USA hingewiesen. Es handelt sich dabei um eine geplante Einrichtung in unmittelbarer Nähe zur Fab 21 in Arizona, deren Fokus auf der Prozessoptimierung und potenziell auch der Entwicklung zukünftiger Fertigungsstufen liegen soll. In welchem Umfang dort jedoch tatsächlich Grundlagenforschung betrieben wird – und ob diese mit dem Maßstab taiwanischer Labore vergleichbar ist – bleibt fraglich.
USA als Fertigungsstandort: „Besser als nichts“?
Gelsinger räumt ein, dass die protektionistischen Maßnahmen der Trump-Administration – konkret die Importzölle auf chinesische Elektronikprodukte – zumindest teilweise Wirkung gezeigt haben. Firmen wie TSMC oder Samsung seien durch die veränderten Rahmenbedingungen dazu motiviert worden, Werke in den USA zu errichten. Ob daraus jedoch ein nachhaltiger Strukturwandel hervorgeht, steht auf einem anderen Blatt. Kritisch sei laut Gelsinger, dass die USA historisch gesehen nie ein starker Fertigungsstandort für hochmoderne Chips gewesen seien – weder in Bezug auf die Skalierung der Fertigung noch auf deren Effizienz. Das Know-how liege in Asien – und dort bleibe es vorerst auch.
Geopolitik als Treiber – aber nicht als Lösung
Im Hintergrund all dieser Entwicklungen steht die fragile geopolitische Lage in Ostasien. Der wachsende Druck zwischen China und Taiwan lässt westliche Staaten nervös werden – insbesondere angesichts der enormen Abhängigkeit von TSMC. Gelsinger sieht diesen Druck als Chance für die USA, verlorenes Terrain zurückzugewinnen – jedoch nur, wenn auch die technologische Kompetenz zurückgeführt wird. Er kritisiert dabei nicht nur die asiatischen Strategien, sondern auch die politische und industrielle Naivität in den USA. Wer glaube, mit reiner Fertigung das Zepter zurückzugewinnen, übersehe die eigentlichen Wertschöpfungsketten. Ohne Zugang zur High-End-Forschung bleibe die US-Halbleiterindustrie ein nachgelagerter Player.
Fazit: TSMC investiert, aber die Macht bleibt vorerst in Taiwan
Auch wenn TSMC mit öffentlichen Erklärungen auf Fortschritte in den USA verweist – die Skepsis von Gelsinger ist nicht ganz unbegründet. Ein R&D-Zentrum in Arizona mag entstehen, doch der tatsächliche Umfang und Einfluss auf die globale Technologiestrategie bleibt offen. Entscheidend wird sein, ob TSMC in den kommenden Jahren bereit ist, mehr als nur Maschinen, sondern auch Know-how über den Pazifik zu bringen. Bis dahin bleibt die technologische Hoheit in Ostasien. Und die USA – trotz Milliardeninvestitionen – vorerst nur Produktionsstandort mit Ambitionen.
Source: The Financial Times
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