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NVIDIAs Rules und AMDs Protektionismus – Cleveres Qualitätsmanagement, Gewinnmaximierung und Nischenhersteller – Einblicke hinter die Kulissen

Bevor ich aufs GLP näher eingehe, möchte ich exemplarisch zeigen, wie man als AIB oder AIC ganz schnell in Zeitnot geraten kann. Deshalb betrachten wir einmal als Übersicht, wie so ein Ablauf von der Material-Liste bis hin zu einer fertigen Karte und deren Auslieferung aussehen kann.  Hier geht es jetzt ausschließlich um die Eigendesigns der Boardpartner. Das Zauberwort der Kooperation zwischen Chiphersteller und Boardpartner lautet FAE. Field Applications Engineering (FAE) ist nichts anderes als ein technischer Support, den z.B. NVIDIA oder AMD den eigenen Kunden, also den Boardpartnern geben.

Hierbei werden die Kollegen der Entwicklungsabteilungen bei den Boardpartnern mit allen nötigen Unterlagen versorgt, die sie von den FAE-Abteilungen der jeweiligen  Chiphersteller bekommen (regionale Kontaktperson). Ich hatte seinerzeit mal einen zeitlichen Ablauf zur RX Vega gepostet, der sehr schön zeigt, dass man mindestens drei Monate benötigt, bis überhaupt ein eigenes Produkt vom Band kommen kann. Das sieht bei NVIDIA übrigens nicht anders aus.

Prozess Beschreibung Aktion / Zeitraum
BOM release Bill Of Materials Release Beginning to end of June
EVT Engineering Validation Test End of June to beginning of July
DVT Design Validation Test Early to mid-July
WS Working Sample (all with engineering hardware and software) Mid-July
EMI Test Electromagnetic Interference Test Mid-July
PVT Production Validation Test End of July to beginning of August
PVT sorting ? Beginning of August
PPBIOS Meals the final source BIOS from AMD Beginning of august (final source-bios should come on august 2nd )
Ramp & MP Start of mass production Will be set later, because the appointment by AMD is missing
Schnellschuss. Degradiert von der Extreme Edition zur Gaming OC

Das mal dazu, denn man erkennt die Schritte und Abläufe bereits recht gut.  Und genau deshalb komme ich jetzt geradewegs auf NVIDIAs GLP zu sprechen, dessen Konsequenz durchaus logisch scheint, wenn man die Entgleisungen der letzten beiden Seiten einmal mit einbezieht, die ja nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Das sogenannte Green Light Program ist ja nicht neu und es schlug ja bereits 2012 ordentlich Wellen, als man damit das Ende der Übertaktung von Grafikkarten eingeläutet sah. Das war es aber gar nicht.

Doch hinter dem GLP steckt eigentlich etwas völlig Anderes, eher Unspektakuläres. NVIDIA setzt diese nette Broschüre von Generation zu Generation fort und sieht es als internen Leitfaden und wichtigen Bestandteil eines ziemlich restriktiven Qualitätsmanagements. Das kann man finden wie man will, aber es funktioniert recht gut. Und nein, es hat auch nichts mit dem Vermiesen der Kundenbefindlichkeiten zu tun, wie so oft vermutet. Das schreibt NVIDIA selbst dazu:

Trotzdem werde ich aus Rücksicht auf meine Quellen und auch NVIDIA nicht alles veröffentlichen, weil es sich einfach nicht gehört. Dazu gehört auch das komplette PDF, das sich natürlich unter irgendeinem NDA befindet. Deshalb werde ich nachfolgend die Abfolge mit eigenen Worten schildern, denn die Abläufe beim Hersteller zu beobachten ist ja nicht verboten.

  1. Der Boardpartner (Partner) erhält und überprüft die Programmrichtlinien und -spezifikationen.
  2. Partner reicht das CDP (Virtual Customer Design Project) gemäß den Richtlinien bei NVIDIA ein.
  3. NVIDIA prüft und genehmigt das CDP.
  4. Der Partner reicht die mechanischen Entwürfe (Grafikkartengehäuse) und die Board-Design-Dateien zur Prüfung ein.
  5. NVIDIA schickt nun Chipmuster an den Partner (Engineering Samples).
  6. Der Partner stellt NVIDIA Platinenmuster zur Generierung der dBA-Kurve (U/min vs. dBA) zur Verfügung, wenn er diese Kurve nicht in einem eigenen Akustiklabor erstellen kann.
  7. Der Partner führt die Green-Light-Prüfung mit der PREL-Software (VBIOS und Treiber) durch und reicht die Ergebnisse bei NVIDIA ein, um grünes Licht für die Weiterführung zu erhalten.
    – Falls NVIDIA grünes Licht erteilt, wird ein Partner Production (PP) VBIOS zur Verfügung gestellt.
    – Falls nicht, teilt NVIDIA den Partnern mit, was korrigiert werden muss, und der Partner muss den Vorgang erneut mit allen korrigierten Punkten einreichen.
  8. Der Partner stellt NVIDIA die sogenannte Box-Art zur Überprüfung zur Verfügung. Diese Box-Art wird NVIDIA über das Portal für bevorzugte Partner zur Verfügung gestellt und muss den GeForce Richtlinien der Marke entsprechen.
  9. Der Partner beginnt mit der Massenproduktion.
  10. Der Partner ist verpflichtet, alle Produktionsplatinen mit dem von Green Light genehmigten Design auszuliefern. Etwaige Änderungen am Produkt nach Genehmigung sind nicht erlaubt.
  11. Die Partner müssen die Genehmigung haben, bevor sie der Presse überhaupt Karten zur Verfügung stellen und sie müssen das endgültige, genehmigte Design für die gesamte Pressearbeit verwenden. Die Weitergabe nicht genehmigter Designs an die Presse könnte die GPU-Belieferung von NVIDIA beeinträchtigen.

Das liest sich erst einmal recht logisch und sieht bei den AMD-Boardpartnern übrigens kaum anders aus. Fakt ist, dass auf diesem Wege die gesetzten Standards geradezu erzwungen werden und man solche Abweichungen, wie sie auf Seite 2 und 3 beschrieben wurden, heutzutage sicher nicht mehr finden dürfte.

R&D – Funktionstest am lebenden Objekt

Betrachtet man die wirklich wichtigen Punkte, dann fällt der Punkt mit dem Liebesentzug bei NDA-Verstößen gar nicht mehr so schwerwiegend aus, den Betriebsgeheimnisse gibt es in jeder Branche. Und genau für solche Situationen gilt ja auch das so gern kritisierte Schlagmichtot-NDA, das für die angesprochenen Irritationen und sogar zum Streit unter den Kollegen geführt hat. Man muss den Firmen zugestehen, dass sie versuchen, ihre eigenen Interessen zu schützen, muss aber auch zwischen Warnung und realen Aktionen unterscheiden können. Dies gilt übrigens in gleichem Maße auch für AMD und Intel, da gibt es kein Gut oder Böse.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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