Wo liegen die Grenzen?
So toll PCAT für die Messung und Datenerfassung ist – alles, was meine Seite hier ausmacht, kann auch PCAT nicht realisieren. Und das ist auch gut so, sonst wäre ich ja quasi über Nach obsolet geworden. Was aber gut funktioniert: PCAT ist eine ideale, weil sehr komfortabel einzusetzende Lösung, die meine aufwändigen Messungen ergänzen kann bzw. viele Wege abzukürzen hilft. Für alle Auswertungen der vorigen Seite ist das natürlich das Kuscheln in der Komfortzone schlechthin.
Detailmessungen bei maximaler Spielelast? Man kommt durchaus auch mit einer GeForce RTX 2080 Ti an die 400 Watt Grenze, doch das nur im Mikrosekunden-Bereich, wo PCAT natürlich keine Hilfe mehr ist. Man erkennt bei gestiegener durchschnittlicher Leistungsaufnahme, dass es zwar auch noch Spikes bis 400 Watt gibt, aber die Regelung sehr viel filigraner ausfällt. Die ca. 375 Watt über eine Millisekunde sind hier das Maximum und man sieht auch, dass Turing zwar häufiger regelt als frühel Pascal, dafür aber deutlich feiner abgestuft. PCAT kann dies aber leider gar nicht erst messen. Aber warten wir erst mal auf Ampere, der kommt ja bald! Dann gibt es PCAT für die Durchschnittswerte und meine Oszillographen für die Feinstarbeit.
Der Stresstest verursacht übrigens ein sehr interessantes Bild. Die Länge der echten Lastintervalle halbiert sich nämlich! Auch wenn man schon für eine einzige Millisekunde einmal ca. 330 Watt erreicht, ist es im 4,5-ms-Fenster dann ein Durchschnitt von ca. 300 Watt. Dann regelt die Karte für ca. 0.25 ms erst einmal komplett ab. Auch bei den Strömen wird es deutlich entspannter und man erreicht im Maximum gerade einmal 28 Ampere. Das liegt nun noch einmal deutlich unter dem, was gerade seinerzeit die GeForce GTX 1080 Ti lieferte und auf der gleichen Höhe, was eine RX Vega kurzzeitig erreicht.
Moderne Schaltnetzteile sollten bei den fließenden Strömen, wie sie Grafikkarten erzeugen, eigentlich keine Schwierigkeiten haben. Ich konnte bei keiner einzigen Karte und in keiner der unterschiedlichsten Lastsituationen wirklich sensationell hohe Ströme messen. Spikes bis ca. 10 Millisekunden sind vorhanden, keine Frage, denn das liegt nun mal auch in der Natur der Sache, weil fordernde Spiele auch sehr unterschiedliche Lastwechsel hervorrufen. Würde man bis in den Nanosekunden-Bereich skalieren, dann sind auch Spitzen bis 50 Ampere denkbar, aber wenn dann eine OCP oder OPP bereits auslöst, ist die Schaltung verhunzt und man muss die Schuld nicht bei den Grafikkarten suchen.
Wozu ich jedoch raten würde, Reserven hin oder her, ist eine emotionslose und in der Praxis auch deutlich differenzierte Betrachtung der möglichen Leistungsaufnahme bzw. das Fließen von Strömen an den einzelnen Rails. Die reine TBP (Typical Board Power), so wie sie auch PCAT misst, als Grundlage für eine Netzteilberechnung zu nehmen, wäre reichlich blauäugig und es zeigt sich plötzlich, warum Grafikkartenhersteller oft deutlich höhere Werte veranschlagen. Das ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Netzteilindustrie, sondern reine Vorsicht.
Man kann ohne ein wirklich detailliertes Review auf diesem Gebiet natürlich sehr schlecht abschätzen, wo die Leistungsspitzen liegen und wie lang die Intervalle der Spitzenwerte überhaupt sind. Die Einbeziehung der Transienten ist aber unerlässlich für den sicheren Betrieb, denn wenn die Hersteller von Netzteilen eines mit spitzem Stift kalkulieren, dann sind es die teuren Kondensatoren. In der nachfolgenden Übersicht habe ich noch einmal einige Werte zusammengefasst, die mir bei all den Messungen ins Auge gesprungen sind:
Die ganz kurzen Lastspitzen kann man getrost beiseitelegen und man sollte sich wirklich nur über Werte Gedanken machen, die über ein bis zwei Millisekunden liegen. Übrigens nicht nur wegen der möglichen Abschaltung des Netzteils durch einen Schutzmechanismus, sondern auch wegen der Haltbarkeit. Je hektischer so ein Grafikbeschleuniger am Netzteil saugt, umso schneller kommen die Sekundärkondensatoren in den Bereich der Pflegeversicherung. Wer dann am Ende spart, ist falsch beraten.
Wer knapp auf Kante kalkuliert und hofft, es würde schon irgendwie gutgehen, hat eigentlich auch schon verloren. So Pi mal Daumen können 50 bis 100 Watt Reserve eigentlich nie schaden. Die kurzzeitige Leitungsaufnahme von aktuellen Grafikkarten liegt zum Teil erheblich höher als die als Durchschnitt angegebenen Werte oder das, was die Chiphersteller als Typical Board Power bezeichenen. Diese Werte sind Durchschnittswerte über einen eher großen Intervall. Je nach Qualität der Sekundärseite eines Netzteils kann die kurzeitige Last (1 bis 10 ms) deutlich höher liegen.
Zusammenfassung und Fazit
Meine bisherige, mobile Version einer Riser-Platine (Bild oben) hat mit PCAT auch ausgedient. Den großen Messaufbau mit der MCU-basierten 10-Kanal-Überwachung des gesamten Systems mit Grafikkarte und Motherboard (einschließlich aufgetrennter Rails am Motherboard) kann PCAT zwar nicht ersetzen und auch die teure Oszillographen-Lösung bleibt so, wie sie ist. Aber für die anwendungsbezogenen Messungen zusammen mit der Low-Level-Erfassung der Renderzeiten ist PCAT ideal und kaum noch wegzudenken, weil es handlich und komfortabel einsetzbar ist. Vom Zeitgewinn mal ganz zu schweigen, der ist grandios.
Damit bleibt mir nur ein durchweg positives Fazit, den auch die Kinderkrankheiten der FrameView Software hat man mittlerweile beseitigt. PCAT ist für jeden, der sich nicht so intensiv mit der Leistungsaufnahme beschäftigen möchte, so wie ich, und auch den Aufwand eines Eigenbaus z.B. mit Tinkerforge-Modulen scheut, eigentlich DAS ideale Werkzeug schlechthin. Damit sind die ganzen Steckdosenmessungen eigentlich auch komplett obsolet geworden, endlich. Ich habe mit den ganzen Messungen fast 8 Jahre gebraucht, um den aktuellen Stand mit nunmehr drei verschiedenen Messaufbauten zu erreichen. Mit PCAT hätte ich Vieles deutlich abkürzen können, auch finanziell. Naja, obwohl, Basteln und dabei Lernen machen ja auch Spaß.
Kommentieren