Die Stimmung ist angespannt – nicht etwa wegen einer verpatzten GPU-Vorstellung, sondern weil NVIDIA in China spürbar an Boden verliert. Im Rahmen einer Computex-Konferenz ließ CEO Jensen Huang durchblicken, dass der Marktanteil des Unternehmens im chinesischen KI-Markt von vormals 95 Prozent auf nur noch rund 50 Prozent gesunken ist. Schuld daran seien laut Huang vor allem die strikten US-Exportbeschränkungen, die unter der Biden-Regierung eingeführt und zuletzt verschärft wurden.
Exportstopp mit Nebenwirkungen
Was ursprünglich als Maßnahme zur Eindämmung der Technologieweitergabe an sogenannte „feindliche Staaten“ begann, entwickelt sich mittlerweile zu einem Schuss ins eigene Knie – zumindest aus Sicht der betroffenen US-Konzerne. NVIDIA war einst quasi Monopolist in Chinas wachstumsstarker KI-Branche. Doch seit die High-End-Beschleuniger der H- und A-Serie – etwa H100 und A100 – den Exportvorgaben zum Opfer gefallen sind, mussten viele chinesische Unternehmen umdenken. Die Folge: Abwanderung zu inländischen Alternativen und ein rapider Verlust an Marktanteilen für den kalifornischen Chipriesen.
Huawei nutzt die Lücke
Besonders Huawei scheint von der Situation zu profitieren. Mit den hauseigenen Ascend-Chips, insbesondere dem Ascend 910B und dem neuen 910C, positioniert sich das Unternehmen zunehmend als ernstzunehmender Konkurrent. Die Chips, die vorrangig für Inferenz-Workloads genutzt werden, finden laut Berichten bereits breite Anwendung bei Technologiekonzernen wie Baidu, ByteDance und Tencent. Auch auf Infrastruktur-Ebene zieht Huawei nach: Das neue Rack-System „CloudMatrix 384“ steht in direkter Konkurrenz zu NVIDIAs jüngst angekündigter Blackwell-Konfiguration GB200 NVL72.
Ein 50-Milliarden-Dollar-Fragezeichen
Huang bezifferte das Marktpotenzial in China auf rund 50 Milliarden US-Dollar – ein Betrag, der nun zunehmend in Richtung inländischer Hersteller zu fließen scheint. Während der CEO die Exportpolitik des früheren Präsidenten Trump überraschenderweise als „richtungsweisend“ einstuft, deutet er gleichzeitig an, dass der aktuelle Kurs unter Biden NVIDIA auf lange Sicht vollständig aus dem chinesischen Markt drängen könnte. Besonders brisant: Huang warnte davor, dass China bei anhaltender Exportpolitik ein eigenes KI-Ökosystem entwickeln könne – und damit die technologische Vorherrschaft der USA infrage stellt.
Politisch motivierte Deindustrialisierung?
Die restriktive US-Politik ist nicht nur ein geopolitisches Signal, sondern hat auch handfeste wirtschaftliche Konsequenzen. NVIDIA, das auf das China-Geschäft traditionell stark angewiesen war, steht nun unter Druck, alternative Absatzmärkte zu erschließen oder angepasste Produkte für den chinesischen Markt zu entwickeln. Ein Beispiel: Der „B40“, eine offenbar weichgespülte Version des H100, soll noch 2025 in großen Stückzahlen – kolportiert wird eine Million Einheiten – nach China exportiert werden. Ob der abgespeckte Beschleuniger allerdings mit Huaweis Chips auf Augenhöhe konkurrieren kann, bleibt fraglich.
Systemischer Machtwechsel im Gange
Der technologische Aufstieg Chinas scheint jedenfalls nicht mehr aufzuhalten zu sein. Zwar hinkt Huawei bei reinen Fertigungsprozessen noch hinterher – insbesondere durch das Fehlen moderner EUV-Lithografie – doch bei Systemintegration, Software und Inferenzarchitekturen hat das Unternehmen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Anders als im Consumer-Geschäft zeigt sich hier, wie schnell ein Markt kippen kann, wenn regulatorische Maßnahmen das Kräfteverhältnis neu justieren. Während sich NVIDIA in westlichen Märkten auf die neue Blackwell-Architektur vorbereitet, droht dem Unternehmen in Asien ein stiller Machtverlust. Der Rückzug aus China erfolgt nicht freiwillig, sondern durch politischen Zwang. Dass Huawei und andere chinesische Anbieter die entstehende Lücke binnen weniger Jahre schließen konnten, wirft Fragen über die Wirksamkeit und Weitsicht der US-Strategie auf. Sollte die Entwicklung so weitergehen, dürfte der chinesische Markt für NVIDIA mittelfristig zur strategischen Randnotiz werden – und das wäre nicht nur eine wirtschaftliche Zäsur, sondern auch ein Symbol für eine sich wandelnde Technologieweltordnung.
Source: Reuters
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