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Nubert nuPro X-3000 RC im Test – der astreine Spagat zwischen neutralem Studiomonitor und vorlauter Wohnzimmer-Kompaktbox. Mit umfangreichem Teardown

Und nun setzen wir einmal genau dort an, wo es manchmal auch schon weh tut: beim Hörtest. Wer meine üblichen Messkurven vermisst, den kann ich beruhigen, es ist alles im grünen Bereich. Gemessen habe ich das Setup, rein schon aus Plausibilitätsgründen, diesmal nur bei mit mir im Video-Aufnahmeraum, da die eigentliche Messkammer auf Grund von größeren Bauarbeiten nicht sinnvoll nutzbar ist. Nur ist diese Räumlichkeit nicht wirklich geeignet, um so einem Lautsprecher auch gerecht zu werden.

Frequenzkurve

Die Kurve ist diesmal geglättet, da ich im Ersatzraum einige nicht ganz so optimale Voraussetzungen vorfinde, trotzdem will ich Euch das Gemessene natürlich nicht vorenthalten. Generell kann man den Herstellerangaben von 38 Hz bis 22 KHz in einem Toleranzbereich von +/- 2 dB trauen, denn genau dort bin ich auch gelandet. Engt man die Toleranz weiter ein, läge man bei 40 Hz bis 20 KHz laut Hersteller bei nur noch 2 dB Toleranz. Ich habe im Video-Raum jedoch leicht mit einigen Moden zu kämpfen, so dass sich die leichten Hügel im unteren Bereich erklären. Das ändert sich, je nach Aufstellungsort ein wenig, war aber nicht ganz auszuschließen.

Kumulatives Spektrum: Burst Decay

Das kumulative Spektrum bezeichnet verschiedene Arten von Diagrammen, die Zeit-Frequenz-Eigenschaften des Signals zeigen. Sie werden durch die aufeinanderfolgende Anwendung der Fourier-Transformation und geeigneter Fenster auf überlappende Signalblöcke erzeugt. Die nachfolgende Analyse basieren auf dem oben dargestellten Frequenzgangdiagramm, enthält aber zusätzlich noch das Element Zeit. Der Burst Decay Plot zeigt uns nun in Perioden (Cycles) das entsprechende Ergebnis. Man kann durchaus sagen, dass die Darstellung in Perioden durchaus sinnvoller sein kann als das CSD mit seinen Millisekunden, um z.B.  das Abklingen eines Lautsprechers mit einer großen Bandbreite zu bestimmen.

Normalerweise sollte der Treiber nach dem Wegfall des Eingangssignals ebenfalls möglichst schnell anhalten. Einige Frequenzen (oder sogar ganze Frequenzbereiche) werden jedoch immer langsam(er) abklingen und dann in diesem Diagramm als länger anhaltende Frequenzen auf der Y-Achse auch weiterhin erscheinen. Daran kann man gut erkennen, wo der Treiber ggf. Schwächen aufweist, vielleicht sogar “scheppert” oder wo im ungünstigsten Fall Resonanzen auftreten und das Gesamtbild stören könnten. Wobei hier leider auch der Messraum noch eine große Rolle spielt.

Das Bild zeigt sehr schön das vorbildliche Einschwingverhalten und die kaum anwesenden Bassresonanzen. Die Membran schwingt auch im Mitteltonbereich nicht nach und die Kalotte zeigt ein sehr neutrales Verhalten. Der ganze Hochtonbereich wirkt in der Summe sehr präsent, aber nicht spitz. Ein “Nachziehen” ist hier jedenfalls nicht zu verzeichnen und die sichtbaren kleinen „Fransen“ sollten hierbei den Räumlichkeiten geschuldet sein, also Entwarnung

 

Die Wiedergabe teste ich absichtlich OHNE Subwoofer, den ich in einem folgenden Review noch einmal genauer unter die Lupe nehmen werden. Die beiden Boxen müssen sich also allein helfen und ich habe auch den Hochpassfilter wieder auf die werksmäßigen 10 Hz zurückgesetzt, um möglichst fair zu bleiben. Damit sinkt zwar die Pegelfestigkeit bei sehr basslastigen Stücken ein ganz klein wenig, aber das Gebotene ist selbst dann noch so brachial, dass man sich verwundert die Augen reibt und fragt, wie diese Kompaktboxen es eigentlich schaffen, so ein fettes Fundament zu produzieren.

Basswiedergabe

Den Tiefstbass in der Subkontraoktave (16,4 Hz bis 32,7 Hz) testen mit einer Aufnahme von Bachs Toccata und Fuge D-Moll (19 und 25 Hz) sowie der Festival-Ouvertüre 1812 von Tschaikowsky (10 Hz und 12,5 Hz). Das gleiche gilt auch für die unteren Bereiche der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz). Die große Basstrommel (Kick Drum), die in der U-Musik ein gern gesehener Begleiter und meist auf ca. 55 bis 60 Hz abgestimmt ist, wird diese Beurteilung dann abrunden.

Die Boxen spielen sogar noch bis in die Subkontraoktave, allerdings muss man unterhalb von ca. 35 Hz schon genauer hinhören. Die Kontraoktave ist hingegen voll da und es ist tief, rabenschwarz und dabei trotzdem noch so knackig, wie frisch gezupfter Salat. Das Burst-Diagramm hatte es ja schon angedeutet: da wummert und wimmert nichts, das ist einfach nur da und tief wie der Bodensee. Da muss man jetzt noch nicht mal in die verbale Schatzkiste greifen, um seine Begeisterung standesgemäß auszudrücken. Fett, fetter, X-3000.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals.

Dieser Bereich klingt ebenfalls absolut sauber und man wird auch nicht von Fettaugen im Oberbass begleitet, die meist Volumen vortäuschen sollen. Die männlichen Vocals werden ausreichend satt, allerdings dabei noch erstaunlich staubtrocken wiedergegeben, die Instrumente werden absolut nicht verfälscht. Das hat schon fast etwas Analytisches und kann für die kuschelige Kamin-Szene nach getaner Arbeit gern noch etwas angehoben werden. Insgesamt liegt die Auflösung weit über dem Durchschnitt und lässt Orchesterstücke, Rock, Pop und Jazz aller Couleur in jeder Situation exzellent performen. Der Aufstellort sollte jedoch überlegt gewählt werden, wenn man lästige Moden umgehen möchte, aber das liegt dann nicht an den Boxen.

Mitteltonbereich

Die unteren Mitten (auch Grundtonbereich) liegen bei ca. 150 bis 400 Hz. Zusammen mit dem bereits erwähnten Oberbass spielt dieser Bereich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist in diesem Bereich zu finden.

Auch hier gibt es kein Grund zur Kritik, im Gegenteil, die Boxen sind fast schon zu ehrlich und legen gnadenlos jede Schwäche der Einspieler offen. Es schrammelt und knödelt nichts, alles bleibt staubtrocken wie bisher gehabt. Weibliche Vocals können geradezu brillieren und kommen klar auf den Punkt. Die Klangfarbe der Stimmen und eingespielten Instrumente ist fast schon zu neutral, aber nie kalt oder zu analytisch. Der weitere Verlauf nach oben hin ist ebenfalls frei von jeglicher Kritik. Die Präzision ist wirklich überdurchschnittlich und macht das System zum guten Allrounder für Arbeit und Bespaßung in gleichem Maße.

Die oberen Mitten zwischen 400 Hz bis etwa zwei KHz beinhalten bei einem KHz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider auch oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller oft versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen. Auch beim Gaming spielt dieser Bereich keine unbedeutende Rolle und eine ausgewogene Wiedergabe trägt nicht unwesentlich zu einer guten räumlichen Auflösung bei.

Die Bühne und die subjektiv empfundene Qualität der räumlichen Auflösung ist auch hier auf einem sehr hohen, dem Preis absolut angemessenen Niveau. Ein großes Orchester wirkt (rein subjektiv betrachtet) in der Breite sehr weit, in der Tiefe sehr gut gestaffelt und in der Summe auch exakt genug aufgestellt, was es sehr einfach macht, einzelne Instrumente bei den unterschiedlichsten Gesamtpegeln sehr klar und eindeutig zu lokalisieren. Die Sprachwiedergabe erfährt in diesem Bereich ebenfalls keinerlei Einbußen, egal wie viele Quellen gemischt wurden. Die Eignung auf dem Desktop wird durch die sehr gute räumliche Abbildung in Spielen mit vorzüglichem Audiomaterial noch unterstrichen, doch auch in der Tiefe des Raumes kommt man mit den Boxen bestens klar. Der Sweet-Spot ist erfreulich weit gefächert.

 

Hochtonbereich

Zwischen zwei bis etwa 3,5 KHz ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal dieser Bereich der unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig ist. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes; man spricht in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe.

Die Wiedergabe ist grandios offen, neutral und setzt nahtlos auf den sehr gut modellierten Mitten auf. Die Sprachverständlichkeit sowie die Qualität der Vocals bei der Wiedererkennung kann definitiv überzeugen, sogar im Nahfeld beim Schnitt. Gut auch, dass die aktive Frequenzweiche so abgestimmt wurde, dass es weder hier noch im weiteren Frequenzverlauf zu hörbaren Überbetonungen oder irgendwelchen Pegelabfällen kommt. Der Übergang zwischen den beiden Chassis ist angenehm fließend und vor allem eines: nicht wahrnehmbar.

Allerdings kommt den Lautsprechern beim Übergang ein klein wenig die eigene Kompaktheit in die Quere, wenn man es mit dem Pegel übertreibt (was sehr einfach gelingt, weil extreme Reserven vorhanden sind) und direkt an den Boxen klebt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Kalotten ein klein wenig höher sitzen würden, damit es nicht zu Intermodulationsprodukten kommt, wenn man seine Lauscher im Nahfeld nah am Monitor ausrichtet und der Pegel weit über dem Normalen liegt. Aber mal Hand aufs Herz, das macht ja eh kaum jemand.

Die mittleren Höhen (3,5 bis sechs KHz) entscheiden über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Die oberen Höhen reichen dann bis ca. zehn KHz, um in den Superhochton überzugehen.

Hoch- und Superhochton werden sehr gut abgeliefert, auch wenn die Boxen sehr agil werden, vor allem je höher es geht. Sibilanten und Atemgeräusche werden jedoch gut und nicht übertrieben abgebildet, damit kann man sehr gut leben. Es klingt auch nie zu spitz oder gar metallisch, sondern es bleibt immer sehr natürlich. Saiteninstrumente werden, komplett pegelunabhängig, ebenfalls nicht nach vorn oder weggespült, sondern sitzen genau dort, wo sie hingehören. Das verdient fast noch mehr Respekt, als der Bass aus dem Unterbau. Kammermusik oder großes Orchester im Finale Furioso, egal – das passt wie angegossen.

Zusammenfassung und Fazit

Die Teile machen süchtig und sind fast schon ein Fall für den akustischen Drogenbeauftragten. Einmal angefixt, kommt man so schnell nicht wieder davon los, es sei denn man hat als Ersatz noch ein großvolumiges Wohnzimmer-Setup für die Entziehungskur. Was die X-3000 abliefern ist großes, weltoffenes Ohrenkino und den Preis allemal wert. Mit 628 Euro pro Box im Direktvertrieb liegt die finanzielle Latte zwar reichlich hoch, aber man  bekommt wirklich etwas fürs Geld geboten.

Rechnet man den Langzeitfaktor mit ein, sind die Teile für das Gebotene und die Leistungsklasse sogar günstig. Denn es geht auch hier noch deutlich teurer, dafür aber kaum besser. Wenn man das dann wirklich will, sind dem Bestreben natürlich keine Grenzen gesetzt, allerdings sind solche Dinge dann eher nicht mein Fall. Doch was man aus den recht kompakten nuPro X-3000 RC herausgebekommt, ist wirklich erstaunlich und eigentlich auch der Grund für dieses doch recht umfangreiche Review. Denn nach dem ersten Probehören wollte ich wirklich und unbedingt wissen, was Nubert da so an Technik reingesteckt hat. Neugier siegt, weil provoziert.

Und genau da kann man auch im für den Normalanwender nicht sichtbaren Bereich richtig punkten. Solide Technik vom Allerfeinsten, ein stimmiges Netzteil und eine ordentliche Verarbeitung auch in den Ecken, die man normalerweise ja nicht zu Gesicht bekommt rechtfertigen den Preis in jedem Fall. Die Komponentenauswahl ist zudem zweckmäßig und gut überlegt, die Haltbarkeit sollte kein Thema sein. Man hat also auch nach dem Blick ins Innere noch ein gutes Gefühl, was wirklich nicht selbstverständlich ist.

Klanglich ist der Spagat zwischen analytischem Werkzeug und Wohlfühl-Box ganz gut gelungen. Die X-3000 RC sind auf Wunsch schonungslos und ehrlich, können aber eben auch gemütlich. Man kann sich drei Soundprofile hinterlegen und am Ende ist eigentlich für jeden etwas dabei. Wer es an dieser Stelle noch detaillierter wissen will, der sollte erneut auf Seite Eins beginnen, denn es wurde wirklich alles gesagt. Dem ist einfach nichts mehr hinzuzufügen und ich genieße jetzt erst einmal eine Runde Ludwig Güttler. Bachtrompeten gehen nämlich auch.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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