Aktivlautsprecher Audio Audio/Peripherie Testberichte

Nubert nuPro X-3000 RC im Test – der astreine Spagat zwischen neutralem Studiomonitor und vorlauter Wohnzimmer-Kompaktbox. Mit umfangreichem Teardown

Zunächst schraube ich erst einmal die gesamte Einheit vom Korpus ab und bin froh, dass man hier eben nicht auf die üblichen Kreuzschlitze setzt. Die kompakte Einheit lässt sich relativ einfach entnehmen und die Kabel lassen sich auch sicher abziehen. Einzig die in den endlosen Wolken der weißen Dämmwolle etwas willkürlich vergrabene BT-Antenne mit den Klebeflächen wirkt etwas hilflos platziert, funktioniert aber. Der Korpus macht eine grundsolide verarbeitete Figur, auch im Inneren. Wir sehen hier auch die Rückseite des sehr lang-hubigen Mittel-/Tieftöners einschließlich des Magneten und der Öffnung in der Mitte. Da sollte auch die Kühlung der Wicklung kein Problem werden.

Der Hochtöner sitzt übrigens genau unter dem Bassreflex-Rohr aus getränkter Hartpappe, dessen Länge von ca. 17 cm Brutto (inklusive der angeklebten Kunststoffblenden) auf eine recht tiefe Abstimmung schließen lässt. Die Innendämmung ist recht kompakt ausgeführt, so dass man hier auch von einer ordentlichen Dämpfung ausgehen kann.

Die entnehmbare Einheit trägt die Audio-Platine einschließlich der über die Montageplatte gekühlten Endstufen in der unteren Platinen-Schicht. Darüber ist mit Abstandshaltern die Netzteil-Platine über Kopf verschraubt. Die Anordnung des Haupttransformators ist übrigens recht clever gewählt, um nicht unnütz in die empfindlichen Bereiche der Audio-Platine einzustrahlen.

 

Die Spannungsversorgung

Netzteile werden oft unterschätzt bzw. einfach außer Acht gelassen, dabei sind sie ungemein wichtig, vor allem für die Absicherung einer konstanten Nennleistung, unverzerrter, kurzeitiger Impulsspitzen und eines gescheiten Fremdspannungsabstands. Die Single-Layer-Platine wird von SHENZHEN SHENZE ELECTRONIC CO. LTD gefertigt und ist identisch mit der Platine der nuPro A300. Bestückt wird dann beim Auftragsfertiger. Die Maximalleistung liegt bei ca. 200 Watt, wobei ca. 180 Watt typisch sein sollten. Das harmoniert auch mit den verwendeten Komponenten, denn bei einer angegebenen Nennleistung von 150 Watt pro Box zuzüglich der üblichen Verluste und der ganzen anderen Peripherie kommt man schnell in diese Bereiche.

Eine einfache Vergleichsmessung an Primär- und Sekundärseite ergab einen Wirkungsgrad von bis zu 95% für das Gesamtkonstrukt, wobei man das zweite, kleine Netzteil fürs Gedöns und den Leistungsausgleich mit inkludieren muss. Hier sollten dann im Normalbetrieb geschätzt noch einmal einige Watt dazukommen. Was jedoch der Effizienz zugutekommt, ist diese Zweiteilung auf alle Fälle. Hier lohnt sich so ein Aufwand immer, der zudem über die reine Standby-Schaltung hinausgeht. Die Lötqualität der gesamten Platine ist ordentlich.

Man möchte meist gar nicht wissen, was so alles in ein Netzteil mit eingespeist wird, denn die Netzspannung kommt recht selten allein und sauber aus der Dose. Spätestens wenn weitere Verbraucher mit an einem Verteiler hängen, kann es schnell eklig werden. Man setzt beim Netzteil nach dem physikalischen Ein-/Aus-Schalter auf eine ordentliche Eingangs-Filterung und die Glättung gegen Spikes sowie die unerwünschte HF-Einstrahlung, samt eines MOV als Überspannungsschutz. Was optisch fehlt, sind eine Schmelzsicherung auf der Platine und ein echter Supervisor-Chip auf den Spannungschienen der Sekundärseite samt Shunts, wenn es doch mal einen Kurzschluss gibt. Die beiden ordentlichen Primär-Elkos besitzen jeweils eine Kapazität von satten 680 µF, was sogar kurze Spannungsdrops wettmachen kann. Zum Hersteller komme ich gleich noch.

Trotz der hohen Kapazität hält sich der Einschaltstromstoß (Inrush Current) pro Box noch in einem erträglichen Rahmen. Allerdings würde ich zwingend davon abraten, beide Lautsprecher und vielleicht noch einen Subwoofer hinter eine gemeinsam genutzte Funksteckdose zu hängen (macht man ja eh nicht). Wer sehr empfindliche 16-A-Sicherungen im Schaltkasten sitzen hat, wird hier unter Umständen mit etwas Pech auch schon mal schneller im Dunkeln sitzen, als es ihm lieb ist. Aber das ist das Problem aller Schaltnetzteile.

Beide Netzteile funktionieren als klassische Schaltnetzteile, wobei man den Umweg über ein aufwändigeres DC-DC-Netzteil für die unterschiedlichen Teilspannungen der Abnehmer gar nicht gehen muss, weil es von vornherein zwei getrennte Netzteile sind. Der MOC3043 von On Semiconductor ist beim größeren Netzteil der übliche Opto-Koppler, der schon zu den besseren gehört. Mit dem TNY280PN setzt man zudem auf einen angemessenen AC/DC-Wandler von Power Integrations. Passt also.

 

Die komplette Kondensatorbestückung der Elektrolyten setzt auf sehr zweckmäßige 105°C Modelle von Jianghai, sowohl auf der Sekundärseite (im Bild unten) und der Primärseite, sowie der Spannungswandlung. Mit den fast 1500 µF auf der Sekundärseite schafft man einen ordentlichen Puffer für Leistungsspitzen. Es ist also kein „hartes“ Netzteil, das wie ein Cutter am Limit klebt, sondern eher „weich“. Diese ausgewiesenen Low Impedance und High Ripple Current Kondensatoren sind bestens geeignet, auch ein paar Jahre zu überstehen.

Und wer jetzt beim Hersteller auf einen Chinesischen Ramschhersteller tippt, liegt schon mal grundverkehrt. Jianghai ist einer der ältesten chinesischen Hersteller und aus einem ehemaligen Lieferanten der Volksarmee hervorgegangen. Außerdem hat man mittlerweile die komplette Kondensatorproduktion von Hitachi gekauft. Also hat man im Endeffekt Hitachi-Qualität zum fairen Preis. Die Teile müssen sich hinter denen von Chemicon wirklich nicht verstecken.

 

Die Audio-Platine

Diese Multi-Layer-Platine stammt als Hauptplatine von SHEN ZHEN SUN & LYNN CIRCUITS CO LTD und auch hier gehen Bestückung und Lötqualität beim Endfertiger völlig in Ordnung. Das aufgesetzte Funkmodul stammt als Single-Layer-Platine wieder vom Netzteilfertiger. Fast zentral liegt das Herzstück der gesamten Konzeption: der D2-92634 D2Audio von Renesas.

Dieser D2-3(S) Audio SoC fungiert als Digitaler Soundprozessor (DSP) und ist quasi das Mädchen für alles. Das hier verbaute System-on-Chip (SoC) bietet eine effiziente und konfigurierbare Audio Signalwegverarbeitung einschließlich Entzerrung, Dynamikbereich-Komprimierung, Mischung und Filterung sowie eine vollständig konfigurierbare High Level-Programmierschnittstelle. Die integrierte PWM-Engine unterstützt die programmierbare und dynamische Steuerung der Audioausgabe, Noise Shaping, einen eingebetteten asynchronen Abtastratenwandler und steuert direkt Leistungsstufen mit SNR-Werten >110dB und einem THD+N von <0,01%.

Außerdem schafft die mit diesem DSP realisierte Aktivweiche eine fast schon ideale Phasenangleichung von Hoch-, sowie Mittel-/Tiefton und synchronisiert die kritische Gruppenlaufzeit der Treiber bei Mehrwege-Systemen. Das Sprung- bzw. Impulsverhalten sollte sich damit grundlegend verbessern lassen, was insgesamt eine sehr punktgenaue Spielart zulässt, die man auch hören kann. Außerdem setzt man für die Prozessabwicklung als MCU auf eine relativ schnelle 32-Bit Arm-Cortex-CPU mit bis zu 48 MHz Takt. Die Firmware ist in einem separaten BIOS-Chip gespeichert.

Mit dem XU208-128-TQ64 (XMOS U30870c10) setzt man auf einen in hochwertigen Schaltungen gern genommenen Multi-Core Microcontroller der xCORE-200-Serie. Bis zu 32-Kanal-USB und vernetzte Audio-Anwendungen könnten so realisiert werden. Dazu dienen auch der integrierte High Speed USB 2.0 PHY und 16 logische Kerne, die eine deterministische und reaktionsschnelle Verarbeitungsleistung von bis zu 2000 MIPS liefern können. Unter Ausnutzung der flexiblen Programmierbarkeit der xCORE-200-Architektur kann man maximal 8 Eingangs- und 8 Ausgangs-Audiokanäle gleichzeitig mit bis zu 192 kHz streamen. Das reicht völlig aus.

   

Bei den Endstufen handelt es sich um einen sogenannten UCD-Schaltverstärker (Universal Class D), der die Wirkungsweise eines analogen Schaltverstärkers erheblich verbessert. Mittels dieser Technologie aus den 1980ern schafft man eine sauberere Signalaufbereitung als mit herkömmlichen Class-D-Brückenschaltungen und diversen vorgeschalteten Wandlern und Treibern. Das vom DSP in Echtzeit auf die einzelnen Zweige aufgeteilte, pulsweitenmodulierte Signal (PWM, 384 KHz Taktung) wird ohne Umwege in digitaler Form an die parallel geschalteten PWM-Ausgangsbrücken geschickt. Rausch- und Jitterarmut sind dann der Lohn dieses Kniffes. Um zudem ein ein Phasen-stabiles Verhalten und niedrige TIM- und THD Fehlerwerte zu bekommen, benutzt man mit Sicherheit noch eine Gleichspannungs-Filterung im niedrigen, einstelligen Hertz-Bereich.

Die Endstufen-Chips sind über ein Zwischenstück thermisch mit der Grundplatte verbunden, die gleichzeitig auch als universaler Rippenkühlkörper dient. Die eingesetzten Pads sind allem Anschein nach völlig ausreichend, denn auch ein mehrstündiger Volllast-Test führte nicht zum GAU, auch wenn die Platine und die Platte dann schon recht warm wurden.

Zwischenfazit

Die gesamte elektrische und elektronische Seite ist gut bestückt. Der D2Audio-DSP ist aktuell für diese Preisklasse kaum zu toppen, die verwendete MCU ist zweckmäßig und der XMOS-Chip fast schon etwas drüber. Die gesamte Peripherie mit Drahtlosverbindung und -Anbindung und dem IR-Modul sind in Ordnung. Die direkte A/D-Wandlung der analogen Eingänge ohne weitere analoge Signalverarbeitung und die prompte Übergabe an das DSP-Ökosystem ist gut gelöst, allerdings braucht man für die meisten älteren Phono-Geräte noch einen Vorverstärker. Das Netzteil passt in die Preisklasse und macht genau das, was man von ihm erwartet.

Noch eine kleine Randbemerkung zur Einschätzung der Lötqualität, die natürlich nur eine Momentaunahme sein kann und keinen echten 10-Jahres-Langzeitest mit täglichen Vibrationen ersetzt. Ich habe die Oberflächen und Ränder unter dem Mikroskop geprüft, was sowohl die Reflow-Komponenten, als auch die Lötstellen und -flächen aus dem Wellenlötbad betrifft. Dazu kommen noch die Lötstellen der Kabel und Anschlüsse, sowie die Suche nach eventuellen manuellen Nacharbeiten und die Reinigung der Platinen bzw. Lötstellen. All diese Punkte stimmen mich doch recht optimistisch, dass das Ganze auch etwas länger hält.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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