Nach den Tests von über 100 verschiedenen Wärmeleitpasten, von denen bereits knapp 80 in meiner Online-Datenbank verfügbar sind, konnte ich umfangreiche Erfahrungen sammeln, die einige gängige Annahmen in diesem Bereich infrage stellen. Besonders interessant war dabei die Analyse von Widersprüchen zwischen meinen verallgemeinerten Messdaten, den häufig angegebenen Pauschalwerten zur Wärmeleitfähigkeit der Pasten und den tatsächlich gemessenen Ergebnissen unter praxisnahen Bedingungen. Diese Diskrepanzen traten vor allem bei sehr dünnen Schichtstärken unter 100 µm auf, wobei sich die Abweichungen im Bereich unter 30 µm besonders deutlich zeigten.
Die in vielen Datenblättern angegebenen Wärmeleitfähigkeitswerte suggerieren oft eine lineare Übertragbarkeit auf die Praxis, was jedoch in meinen Tests nicht bestätigt werden konnte. Während bestimmte Pasten in standardisierten Labormessungen durchaus hohe Wärmeleitfähigkeiten aufweisen, erreichen sie diese Werte in realen Anwendungen, insbesondere bei sehr dünnen Schichtstärken, nicht immer. Dies liegt unter anderem an der Wechselwirkung zwischen der Oberflächenbeschaffenheit der zu kühlenden Bauteile und der spezifischen Viskosität sowie Füllstoffstruktur der jeweiligen Paste. Gerade bei Schichtstärken unter 30 µm zeigt sich, dass die Oberflächenrauheit und Mikrounregelmäßigkeiten der Kontaktflächen einen erheblichen Einfluss auf die tatsächliche Wärmeübertragung haben, was in den Pauschalangaben oft nicht berücksichtigt wird.
In meinem heutigen Artikel werde ich daher auf die am häufigsten auftretenden Oberflächen und deren Beschaffenheit eingehen. Dabei zeige ich auf, wie sich unterschiedliche Strukturen – von polierten Heatspreadern bis hin zu gröberen, maschinell bearbeiteten Oberflächen – auf die Wirksamkeit der Wärmeleitpaste auswirken. Anschließend werde ich mich den getesteten Pasten selbst zuwenden, wobei der Fokus darauf liegt, wie man erkennt, ob eine bestimmte Paste für den angedachten Verwendungszweck ausreicht. Hierbei spielen nicht nur die nominellen Wärmeleitfähigkeitswerte eine Rolle, sondern auch Aspekte wie die Verarbeitungseigenschaften, das Fließverhalten unter Druck und das Verhalten bei minimalen Schichtdicken.

Besonderes Augenmerk werde ich auf die tatsächlich benötigte maximale Schichtstärke legen. Es hat sich gezeigt, dass viele Anwender die Dicke der Schicht entweder überschätzen oder unterschätzen, was zu suboptimalen Ergebnissen führen kann. In meinen Messungen konnte ich klar definieren, bei welchen Anwendungen dünnere Schichten ausreichen und wo möglicherweise Probleme auftreten könnten – sei es durch unzureichende Benetzung, Lufteinschlüsse oder durch das Versagen der Paste bei extrem dünnen Aufträgen. Diese Erkenntnisse sollen Anwendern helfen, die richtige Paste für ihre spezifischen Anforderungen auszuwählen und gleichzeitig die Applikationstechniken zu optimieren, um die bestmögliche thermische Performance zu erzielen. Die Datenbank wird kontinuierlich mit neuen Erkenntnissen und weiteren Produkten ergänzt, um eine fundierte und praxisnahe Entscheidungsgrundlage zu bieten und was am wichtigsten ist: Ich habe sie noch einmal bei der Bewertung und den Suchkriterien abgeändert.
Die notwendigen Änderungen in der Wärmeleitpastendatenbank
Nach umfangreichen Tests und detaillierten Messungen habe ich die Dreiteilung der Suchkriterien und die Bewertung der Wärmeleitpasten neu definiert und gegliedert. Ziel dieser Anpassung ist es, die reale Performance insbesondere bei sehr dünnen Schichtstärken unter 30 µm besser abzubilden, da dieser Bereich in der Praxis die größte Relevanz besitzt. In den bisherigen Datenbanken und Herstellerangaben wurde dieser kritische Bereich oft nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl er maßgeblich darüber entscheidet, wie effizient eine Wärmeleitpaste in realen Anwendungsszenarien tatsächlich arbeitet. Meine Untersuchungsergebnisse werden später noch eindeutig belegen, warum genau dieser Bereich so wichtig ist.
Als Sortierkriterium verwende ich die effektive Wärmeleitfähigkeit als Mittelwert für die gewählte Schichtdicke, da sie sowohl den Wärmewiderstand der Paste als auch den Kontaktwiderstand der beiden Kontaktflächen berücksichtigt und somit die Realität genau widerspiegelt. Ich habe mich gegen eine Sortierung nach Temperatur entschieden, da die bei sehr geringen Schichtdicken gemessenen Unterschiede aufgrund von Ungenauigkeiten und Messtoleranzen in manchen Fällen nicht mehr eindeutig sind. Die Errmittling der effektiven Wärmewiderstände und der effektiven Wärmeleitfähigkeit beinhaltet hingegen sechs unabhängige Temperaturwerte und die Betrachtung über einen Gradienten und ist damit um ein Vielfaches genauer.
Die erste Gruppe innerhalb meiner neuen Kategorisierung (“Smooth and even surface”) konzentriert sich daher ausschließlich auf die Performance bei Schichtstärken unter 30 µm. Hier zeigt sich besonders deutlich, welche Pasten auch bei extrem dünnem Auftrag noch eine hohe Wärmeleitfähigkeit und zuverlässige Benetzung gewährleisten. In diesem Bereich treten viele Widersprüche zwischen nominellen Wärmeleitfähigkeitswerten und realen Messungen auf, da Füllstoffverteilung, Viskosität und Oberflächenanpassung der Paste eine entscheidende Rolle spielen. Die meisten Hersteller liefern für diesen Bereich keine spezifischen Angaben, obwohl gerade hier die thermische Effizienz eines Kühlsystems maßgeblich beeinflusst wird.
Die zweite Gruppe (“Rough and uneven surface”) bezieht sich auf eher raue, gebogene oder ungleichmäßige Oberflächen, wie sie insbesondere bei bestimmten CPU- und GPU-Varianten auftreten. Hierzu gehören unter anderem die CPUs im Sockel LGA1700, die durch ihre charakteristische Wölbung besondere Anforderungen an die Wärmeleitpaste stellen, sowie sehr große monolithische GPU-Chips, deren Oberflächenstruktur ebenfalls eine angepasste Bewertung erfordert. In diesem Segment wird erfasst, wie gut eine Paste in der Lage ist, trotz solcher Unebenheiten eine durchgehend effektive Wärmeübertragung sicherzustellen, ohne dass sich ungewollte Lufteinschlüsse oder übermäßige Verdickungen bilden.
Die dritte Gruppe (“Gap filler”) bildet schließlich einen Performance-Mittelwert der effektiven Wärmeleitfähigkeit über alle möglichen Schichtstärken einer Paste bis zur Obergrenze von 400 µm. Während die meisten Anwendungen sich in einem deutlich geringeren Bereich bewegen, ermöglicht diese Gruppe eine ganzheitliche Bewertung der Pastenperformance, insbesondere für Szenarien, in denen aufgrund größerer Unebenheiten oder mechanischer Kompression eine dickere Schicht erforderlich wird. Sie dient als ergänzende Vergleichsgröße und erlaubt es, auch für außergewöhnliche Anwendungen eine fundierte Auswahl zu treffen.
Diese überarbeitete Dreiteilung stelle ich mit entsprechender Übersicht den weiteren Seiten meiner Analyse voran, sodass ich mich bei den nachfolgenden Untersuchungen zur Oberflächenbeschaffenheit direkt darauf beziehen kann. Diese Neustrukturierung sorgt nicht nur für eine differenziertere Bewertung, sondern ermöglicht es auch, Widersprüche zwischen theoretischen Herstellerangaben und praktischen Messergebnissen gezielt herauszuarbeiten. Gerade im relevanten Bereich der dünnen Schichtstärken wird so deutlich, welche Pasten tatsächlich halten, was sie versprechen, und welche lediglich durch hohe nominelle Wärmeleitfähigkeitswerte auf dem Papier überzeugen, in der Praxis aber nicht die erwartete Leistung liefern.
Ich muss auch noch einen Fehler erwähnen, den wir bei dieser Gelegenheit gleich noch mit behoben haben. Sehr viskose Pasten, wie z.B. die Thermalright TFX, deren minimale BLT bei 35 µm liegt, werden in den Diagrammen jetzt richtig angezeigt und tauchen nach der Beseitigung der Zuordnungsprobleme auch nicht mehr in den 25-µm-Charts auf. Damit sind auch die Einordnung und Bewertung dieser Paste wieder korrekt. Da bitte ich um Entschuldigung.
Warum ich die Wölbung separat betrachte
CPUs und GPUs weisen im eingebauten Zustand in der Regel eine geringere Wölbung auf als im unmontierten Zustand, was auf mehrere mechanische und thermische Faktoren zurückzuführen ist. Der wichtigste Grund liegt im Anpressdruck, der durch den CPU-Kühler und die Halterung auf den Prozessor ausgeübt wird. Moderne Sockelmechanismen, wie der LGA1851 bei Intel oder der AM5-Sockel bei AMD, sind so konstruiert, dass sie eine gleichmäßige Kraftverteilung auf den Heatspreader der CPU sicherstellen. Dieser Anpressdruck führt dazu, dass leichte Verformungen, die im unmontierten Zustand sichtbar sind, durch die mechanische Spannung ausgeglichen werden. Eine unrühmliche Ausnahme stellte dabei Intels Sockel LGA1700 dar, aber dafür gibt es ja Workarounds und Abhilfe.
Ein weiterer Faktor ist die Spannungsverteilung im Material des Heatspreaders und des Substrats. Während des Herstellungsprozesses können interne Spannungen entstehen, die sich nach dem Einbau durch den Druck des Kühlers und die Fixierung im Sockel teilweise abbauen. Der Kühler übt nicht nur eine vertikale Kraft aus, sondern kann durch seine Montage auch eine gewisse „Planarisierung“ bewirken, indem er die Kontaktfläche zwischen Heatspreader und Kühler maximiert. Dies führt zu einer Reduktion der Wölbung und einer besseren thermischen Kopplung.
Zusätzlich spielt die Wärmeentwicklung während des Betriebs eine Rolle. Durch die Erwärmung der CPU dehnen sich die verschiedenen Materialien (wie Kupfer, Nickel und das Silizium-Substrat) unterschiedlich aus. Diese thermische Ausdehnung kann dazu beitragen, dass sich der Heatspreader besser an den Kühler anlegt, insbesondere wenn die Materialien so gewählt sind, dass ihre Ausdehnungskoeffizienten aufeinander abgestimmt sind. Der Betriebstemperaturbereich moderner CPUs wurde in der Regel bereits in der Entwicklungsphase berücksichtigt, sodass die thermischen Verformungen im eingebauten Zustand minimiert werden.
Schließlich beeinflusst auch die Verteilung der Wärmeleitpaste zwischen CPU und Kühler die Wölbung. Die Paste füllt mikroskopische Unebenheiten und kann durch ihre Viskosität dazu beitragen, dass kleinere Verformungen ausgeglichen werden. Dies verbessert nicht nur die Wärmeübertragung, sondern trägt auch zu einer gleichmäßigeren Kontaktfläche bei. Somit ergibt sich aus der Kombination von mechanischem Anpressdruck, Spannungsverteilung, thermischer Ausdehnung und der Verwendung von Wärmeleitpasten eine Reduktion der Wölbung im eingebauten Zustand, was für die Optimierung der Wärmeübertragung zwischen CPU und Kühler von entscheidender Bedeutung ist. Wer den Faktor Wölbung für seinen konkreten Aufbau als wichtig erachtet, sollte sicherheitshalber das Such- und Auswahlkriterium “Rough and uneven surface” nutzen. Der Rest ignoriert diesen Faktor einfach.
Testsetup, Messmethoden und Grundlagen
Unsere Datenbank basiert auf echten Laborwerten, die von uns aufwändig nach Industriestandard ermittelt wurden. Viele dieser Ergebnisse widersprechen allerdings den Marketingangaben der Hersteller und legen Widersprüche und Lügen schonungslos offen, sind aber alle fundiert begründet, reproduzierbar und rechtlich belastbar. Diese Messungen spiegeln nicht nur die pauschalen Performance-Werte der Pasten wider, sondern ermöglichen auch eine Abschätzung der Zweckmäßigkeit für einen bestimmten Anwendungsbereich (Schichtstärken, Oberflächen) sowie die Eignung unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Anwenders. Darüber hinaus ist die Materialanalyse samt Digital-Mikroskopie geeignet, eine eigene Abschätzung über die mögliche Haltbarkeit einer Paste zu treffen, auch wenn ich hierfür keine Gewähr übernehmen will und kann. Eine Messung über 3000 Zyklen pro Paste ist vom Aufwand her leider nicht zu stemmen. Wichtig sind dafür auch Aussagen zur Matrix und den verwendeten Partikeln samt deren Größe. Dafür verweise ich auch auf meine weiterführenden Artikel und alle Einzeltests zu Pasten, die gewisse Auffälligkeiten gezeigt haben.
Anregungen und Hinweise könnt Ihr gern im Forum, per PN oder Mail hinterlassen. Wer darüber hinaus zum Projekt beitragen und Wärmeleitpaste als Muster zuschicken möchte, die noch nicht in der Datenbank erfasst wurde, darf sich gern mit mir per Mail abstimmen. Die Mailadresse steht im Impressum. Das betrifft natürlich auch die Hersteller, deren Produkte wir gern testen, egal von welchem Kontinent das Erzeugnis stammt. Der Umfang der Datenbank ist de facto unbegrenzt und da die Methoden und das Equipment immer gleich sind, kann das auch über Jahre ergänzt werden und doch untereinander vergleichbar bleiben.
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