Machen wir nun etwas, was vor mir definitiv noch keiner der Kollegen getan hat: Ich prüfe das Versprechen mit der ausgelobten Wärmeleitpaste. Denn wir ahnen es ja schon: Angaben sind wie immer ohne Gewähr (und realistischen Hintergrund). Natürlich muss man jetzt auch den Grad der Verpressung und des tatsächlich ausgeübten Drucks mit einbeziehen, denn die Pads werden umso besser, je mehr man sie zusammendrückt. Das ist eine uralte Weisheit und deshalb messe ich zwar am Ende auch noch die Bulk-Wärmeleitfähigkeit mit den korrigierten Messkurven, aber zunächst interessiert und natürlich die effektive Wärmeleitfähigkeit für die tatsächlichen Schichtstärken. Und weil ich es interessant finde, nehme ich die Pads für die Spulen gleich noch mit in den Test, denn der Sinn dieser Pads ist ein völlig anderer. Kühlen ja, aber da war doch auch noch etwas anderes? Genau: Fiep, fiep… (bzw. eben nicht)
Effektiver Wärmewiderstand
Kommen wir zunächst zu den Messungen der beiden Pads, wobei die Werbeaussage ja allein den VRM-Pads gelten dürfte, denn auf den Pads für die Spulen liegt etwas Anderes, sehr Festes. Das Messen benutzter Pads ist so eine Sache, deshalb habe ich sie vorsichtig abgehoben, vor der Messung wieder “hochgedrückt” und bei den VRM-Pads sogar die Pads nebeneinander legen müssen, damit ich auch die 100 mm² Messfläche erreiche.
Die Anfangshöhe von 1750 µm habe ich aber wegen der möglichen Messfehler nicht mit erfasst, sondern steige bei beiden Pads mit 1500 µm ein, was in etwa auch der Dicke zwischen MOSFET und Kühlerboden entspricht. Wirklich sinnvoll für den Vergleich zum ebenfalls getesteten Thermal Putty Hardwareliebe Extreme64 (Tputty 607) sind also nur die Bereiche zwischen 1000 µm und 1500 µm. Das umgelabelte Tputty 607 habe ich deshalb als Vergleich genommen, weil es echte 7.5 W/m·K Bulkwärmeleitfähigkeit besitzt und vom Hersteller mit mindestens 6.4 W/m·K angegeben wurde (was stimmt).
Starten wir mit dem Wärmewiderstand. Wir sehen, dass das Pad auf den VRM deutlich besser performt als das Pad auf den Spulen. Aber auch das bessere Pad kommt an das Thermal Putty nicht heran. Wir sehen auch, dass der relevante Bereich oberhalb von 1000 µm deutlich nachlässt.
Ich habe nun noch einmal die relevanten Schichtstärken von 800 bis 1500 µm als Balkendiagramm für Rth im Vergleich, da sieht man es noch deutlicher:
Effektive Wärmeleitfähigkeit
Betrachten wir nun die effektive Wärmeleitfähigkeit. Wir sehen erneut, wie sich die Werte über die BLT ändern, wobei man hier wegen der inkludierten Fläche und BLT keine lineare Kurve mehr erwarten kann.
Das Ganze natürlich auch noch einmal als Balkendiagramm für die wichtigsten Schichtstärken:
Doch während das flexible und gut verteilbare Thermal Putty recht konstant performt, sehen wir auch hier, dass die Angaben beim VRM-Pad extrem geschönt wurden. Es sind nun einmal keine 7 W/m·K, das muss man einfach so festhalten. Ich habe keine Ahnung, unter welchen idealisierten Bedingungen man diesen Wert ermittelt haben will, aber ehrliche Hersteller messen so wie ich (und Laird beim Tputty). Ich habe versucht, die Messungen auf die am besten performenden BLT zu reduzieren und die praktisch genutzten BLT sogar ausgeblendet.
Mit rund 5 W/m·K unter idealisierten Bedingungen und rund 2.9 W/m·K stellt man hier keine Rekorde auf, aber zumindest das Pad auf den VRM ist gut, denn die ausgelobten 7 W/m·K sind praktisch für die Galerie. Normale Pads haben meist 3 bis 4 W/m·K, so dass man MSI durchaus bescheinigen muss, hier etwas Besseres als den üblichen Durchschnitt verbaut zu haben. Nur war das Marketing mal wieder viel zu euphorisch, aber das ist ja nichts Neues, leider. Das Pad auf den Spulen ist bretthart und weniger leitend, dafür besser klebend. Warum und wofür lesen wir gleich bei der Materialanalyse.
Mikroskopie und Materialanalyse
Betrachten wir zunächst die Pads. Das Pad für die VRM ist etwas softer als das für die Spulen, aber trotzdem sind beide Pads eher als hart zu bezeichnen. Das Pads für die Spulen klebt extrem und lässt sich auch nicht so gut zusammenpressen. Damit eignet es sich hervorragend zur Dämpfung möglicher Vibrationen der Spulengehäuse, was sicher auch mit Absicht so gewählt wurde. Denn wir wissen ja, wie es klingt, wenn die Lorentz-Kräfte in den Spulen freigesetzt werden. Hier sind die Spannungswandlergeräusche kaum bis gar nicht wahrnehmbar. Das VRM-Pad weist metallische Oxidpartikel mit bis zu 15 µm auf, die meisten sind jedoch deutlich kleiner (3 bis 8 µm). Beim Coil-Pad sind es hingegen bis zu 25 µm.
Womit wir final bei der Materialanalyse angekommen wären. Weil es immer wieder Nachfragen aus der Community nach dem im Polymer enthaltenen und gebundenen Kohlenstoff gibt, habe ich diesen mit eingeblendet. Und nein: es sind KEINE Kohlenstoffpartikel in Form von Grafit beigemengt worden, das kommt einzig und allein aus der bindenden Matrix. Das gilt auch für den Wasserstoff. Beim VRM-Pad sehen wir als Wärmeleitpartikel Al2O3 und ZnO, also Aluminium- und Zinkoxid…
…während das Coil-Pad mit nur wenigen groben Partikeln aus AL2O3 auskommen muss. Das erklärt dann auch die recht störrische und feste Konsistenz.
Zwischenfazit und Modding auf Thermal Putty
Ja, MSI verwendet auf den Spannungswandlern deutliche bessere Pads, die weit über dem üblichen Durchschnitt liegen, aber die angegebenen 7 W/m·K sind ein schöngerechneter Marketingwert, den man nicht allzu ernst nehmen sollte. Ich gehe aber mal davon aus, dass MSI hier einfach das Datenblatt des OEM genutzt hat und dieses hat nun einmal mit der Realität nichts zu tun. Es gibt ehrliche Hersteller und welche, die unbedingt besser sein wollen als die Mitbewerber, auch wenn sie es gar nicht sind. Aber es ist positiv zu sehen, dass man sich bei MSI Gedanken über die Pads gemacht hat. Das Gebotene ist für eine Werksmontage richtig gut, aber nach der Demontage sind die Pads natürlich nicht mehr zu gebrauchen.
Genau deshalb habe ich das Board NACH allen Tests mit Thermal Putty modifiziert. Ja, das kann man gern tun, aber bitte beachten, dass man hier ggf. die Garantie verliert. Man forme zunächst eine Rolle aus Putty, die wirklich dick genug ist, um nach dem Zusammenpressen auch alle Lücken gut zu füllen.
Über zu viel Druck und mögliche Schäden an den Komponenten braucht man sich bei gutem Putty keine Gedanken zu machen. Hier werden auch alle Zwischenräume gut abgedeckt und gefüllt, die ein festes Pad gar nicht erreicht. Ich habe den Kühler nach dem Verpressen fürs Foto noch einmal runter genommen:
Fertig montiert, quillt alles Überflüssige einfach raus und kann bei Bedarf mit einem Spatel VORSICHTIG abgenommen und entfernt werden. Schaden kann das herausgedrückte Putty allerdings auch nicht, also kann man es eigentlich auch drauflassen. So wie ich, denn Bequemlichkeit geht vor. Apropos, das gilt natürlich auch für diverse Montage-Features, also bitte schnell noch einmal umblättern!
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