Testberichte

MSI ertappt: mehr Boost durch absichtlich eingebauten Schaltungsfehler? | Retro

Zusammenfassung

Das, was wir selbst und durch weitere, unabhängigen Quellen messen und in Erfahrung bringen konnten, hat uns allein schon durch die Form nicht nur verwundert, sondern auch arg enttäuscht. Uns ist auch kein ähnlicher Fall bekannt, wo Spezifikationen derart extrem missachtet bzw. umgebogen wurden, nur um ein Quäntchen mehr Leistung herauszupressen, ohne in diesem Falle die Restriktionen von Nvidia offiziell und für alle sichtbar zu übergehen. Die mögliche Tragweite der verstärkten Elektromigration durch extreme Überspannungen in komplexen Schaltkreisen kann von keinem eingeschätzt und exakt vorhergesagt werden, so dass auch Garantieversprechen nur ein schwacher Trost oder Aufschub des Problems sein könnten.

Wir schreiben bewusst im Konjunktiv, da auch wir dies nicht beurteilen können. Wir werden Richtek auf alle Fälle zu diesem Fall kontaktieren, denn nur der Hersteller selbst wird, wenn überhaupt, eine verlässliche Aussage treffen können. Liest man jedoch bereits jetzt dessen Spannungsvorgaben und die Texte im Datenblatt, lässt sich sicher nichts Positives erwarten.

Stellungnahme von MSI und indirekte Antwort

Nachdem man auf eine erste mündliche Anfrage mit den üblichen Allgemeinplätzen reagierte, hat MSI uns gestern als Antwort auf unsere weitergegebenen Details eine offizielle Stellungname des Headquarters gesandt, die wir zunächst im Original und im Stück wiedergeben möchten:

Seit Jahren steht MSI an der Speerspitze des Grafikkarten-Overclockings.

Es kommen nur „Military Class III“ Komponenten der Spitzenkategorie zum Einsatz, und unsere Produkte setzen sich durch sorgfältige Anpassungen von der Konkurrenz ab. Diese spezielle angepassten Grafikkarten kennt man im Markt unter den Namen MSI Lightning, Hawk, Twin Frozr oder Power Edition.

Nvidias Kepler-Architektur ist so ausgelegt, dass die GPU-Performance (Nvidia GPU Boost) durch die Überwachung der Leistungsaufnahme kontrolliert und geregelt wird. Da MSI seine angepassten Produkte von vornherein auf Overclocking auslegt, spendieren wir diesen Karten ab Werk eine zusätzliche Leistungsreserve, weil wir erwarten, dass Enthusiasten sie übertakten werden. Aufgrund dieser Design-Entscheidung und der höheren Qualität der Komponenten sind wir in der Lage, den Boards mehr Leistung zuzuführen. Das ermöglicht ein höheres GPU-Boost-Niveau, das wir zudem länger aufrechterhalten können, ohne dabei die Lebenserwartung der Grafikkarte oder ihre Garantiedauer zu verkürzen. Bei Problemen können sich Kunden innerhalb der 3-jährigen Garantiezeit jederzeit an MSI wenden.

Uns ist derzeit kein anderer Hersteller bekannt, der dieses Performance-Niveau bietet, und wir haben mit Nvidia zusammen gearbeitet um sicherzustellen, dass bei Exemplaren kommender Produktionschargen diese kostenlose zusätzliche Übertaktung geringer als jetzt ausfällt. Die neuen Varianten mit konventionellem GPU Boost werden ab nächstem Monat im Markt erhältlich sein.

Wer nun ganz genau und vor allem zwischen den Zeilen liest, sowie den üblichen Marketing-Sprech herausfiltert, der wird drei bemerkenswerte Schlüsse ziehen können:

Erstens dürfte man mit der deutlichen Betonung des 3-jährigen Garantieversprechens beruhigend wirken und seine ungebrochene Überzeugung über die Haltbarkeit ausdrücken wollen, zweitens dürfte Nvidia sehr deutlich interveniert haben, und drittens wird man kaum freiwillig so kurzfristig die Produktion umstellen und damit einen vermeintlichen Geschwindigkeitsvorteil aufgeben wollen, wenn es nicht doch einen sehr triftigen Grund dafür gäbe. Aus mehreren Quellen wissen wir zudem, dass unsere Analysen des Boost-Taktes im (auch international publizierten) Roundup zur GTX 660 Ti mindestens zwei weitere Boardpartner zu eigenen Analysen und in einem Fall auch zu einem konkreten Einspruch bei Nvidia bewogen haben.

Was kann man betroffenen Anwendern nun raten?

Reine Panik oder die Rückgabe einer funktionierenden Karte zum jetzigen Zeitpunkt sind sicher nicht der richtige Weg, um auf die Problematik angemessen zu reagieren. Man sollte aber diesen Artikel und die detaillierte Begründung notfalls in petto haben, wenn es doch zu Problemen kommen sollte. Notfalls auch nach den 3 Jahren Garantie.

Wie es zudem ab nächsten Monat den Kunden gelingt, die beiden ab dann parallel angebotenen unterschiedlichen Modelle mit und ohne „Fehler“ auseinander zu halten, können wir noch nicht sagen. Wir hoffen aber auf die Fairness von MSI, eine Kennzeichnung vorzunehmen oder wenigstens Informationen zur Verfügung zu stellen. Es ist uns nicht leicht gefallen, diesen Vorgang öffentlich zu machen, da er durchaus ein gewisses Politikum darstellt. Andererseits sollte man im Interesse der Anwender jedoch auch nicht schweigen, denn es ist keine Kleinigkeit, komplexe Regelschaltkreise gegen die Vorgaben des Herstellers mit bis zu 88% Überspannung zu betreiben. Jetzt ist MSI gefragt, wenn es um mögliche Kundenbelange geht.

 

Kommentar

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meilodasreh

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Sehr interessant.
Es gibt leider bestimmt keine öffentlich gemachten belastbaren Zahlen, wie viele Karten da wirklich dran gestorben sind mit den Jahren.

Das Aberwitzige an der Nummer ist:
Ein reichlicher Anteil der Nutzer, die sich eine Karte dieser Leistungsklasse/Preisregion zulegen,
ersetzen vermutlich die Karte schon wieder gegen das nächste highend-Teil der Folgegeneration,
bevor die Karte defekt geht, bzw. vor Garantieende.
...und das kann durchaus - wenn man denn Kalkül unterstellt - Teil eben dessen sein.

Hat da zufällig jemand eine Statistik bzw. eine Zahl, wie lange eine GPU im Schnitt in einem Rechner ist, bevor sie in Rente geht?
Speziell im gaming Sektor natürlich.

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Martin Gut

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7,721 Kommentare 3,538 Likes

Ich glaube, dieser Schnitt ist in den letzten 2 Jahren deutlich gestiegen. Bei der Knappheit an günstigen Grafikkarten (unter 300.-) wird kaum mehr eine Grafikkarte freiwillig in Rente gegangen sein sondern wo möglich eine Weiterverwendung bei jemandem mit kleineren Ansprüchen gefunden haben. Es ist ja schon absurd, dass der Gebrauchtwert nach 2 bis 3 Jahren höher ist als damals der Neupreis.

Bei den Fertig-PCs für "normale Leute" die den grössten Teil der PCs ausmachen, dürfte die Lebensdauer oft der Lebensdauer des PCs entsprechen. Auch wenn man hier im Forum nur Hardwarefreaks antrifft, sind wir doch nur ein kleiner Teil aller PC-Käufer die an unseren Kisten herumbasteln.

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Thy

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Das ist eine Gelegenheit mal wieder auf die Steam Hardware Umfrage hinzuweisen. Dort sind sind die ersten 3 Plätze nach wie vor: GTX 1060, GTX 1650 und GTX 1050 Ti

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meilodasreh

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Da stimmt wohl.
Und selbst wenn's vor 10 Jahren anders war, kann @Igor Wallossek wohl mit Fug und Recht behaupten, einer einigermaßen großen Menge Menschen mit seiner Investigation einigen Ärger erspart zu haben...und die meisten wissen noch nicht mal davon.

Hut ab für das Engagement! Vor allem, weil das in den letzten hitzigen Threads (Thema Flugzeugabsturz) doch etwas untergegangen ist,
was Du da immer leistest.

Daß da bei MSI wohl tatsächlich Absicht im Spiel war, ist wohl leider auch recht eindeutig.
So wie sich das liest, hat man ja doch recht schnell zugegeben, daß das Ganze durch die Korrektur langsamer wird, insofern ist die andere Variante (zu doof) kaum glaubwürdig...und übersehen tut man sowas wie gesagt ja eigentlich auch nicht.

Frage am Rande: Wie lauten denn eigentlich die erwähnten "NVidia Rules" in dem Zusammenhang?
Daß man zwar am Referenzdesign rumbasteln kann, aber bitte keine vorgegebenen Schaltungen durch unsinnige Modifizierungen außer Kraft setzen darf? :D

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Igor Wallossek

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10,104 Kommentare 18,591 Likes

Suche mal nach igorslab und greenlight program :D

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meilodasreh

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gefunden, danke.
Wird ja immer besser.
Ist MSI also nach Freigabe durch NVidia nachträglich dummerweise ein zusätzlicher Kondensator an unglücklicher Stelle aufs Board gefallen.
Oder hatte NVidia das vorher auch übersehen.
Keine Antwort erforderlich ;)

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christoph1717

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37 Kommentare 10 Likes

Vielen Dank für die interesanten Hintergrund Berichte und Nachforschungen. (y)

Im Keller liegt noch eine umgebaute geforce 670 aus dem Siletmax system eines Freudes das glaube ich 2016 an einem heisen Sommertag aufgegeben hat. natürlich nachgeschaut von welcher Firma das ist... Auf der Platine nichts gefunden aber am Slotblech zufällig MSI gesehen. Da er Programierer ist und ich eher der "Schrauber" und IT-Systemelektroniker habe ich geholfen den Fehler zu suchen und beheben. Anders Netzteil hatte nicht geholfen aber eine andere kleine Test Karte schon. Also hat mein Freund mir die vermutlich defekte Karte für meine "GPU-Sammlung" geschenkt.
Die hatte ohne Stromstecker noch ein Bild "power down and plug in GPU-power"
Mit diesem Stom in der Karte ging garnichts mehr, vermutlich Stromversorgung auf der Karte defekt, die zu Notabschaltung am Netzteil führt.

Zur Nutzungsdauer meiner Grafikkarten: ich hatte mal eine schöne folge: GF2,4,6,8 wobei mein eifer oder auch Freizeit später nachgelassen hat und dann auch größere Abstände gab zb. eine Zotac 1060 6GB die ich 5-6 Jahre genutzt habe und vor kurzem einem Arbeitskolegen übergeben hatte der noch eine geforce 660 nutzt die offenbar langlebig ist (vielleicht nicht MSI ;) )

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alexbirdie

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24 Kommentare 6 Likes

Ist wie üblich ein toller Artikel.

Und, juhu, diesmal habe ich's kapiert( im Gegensatz zum letzten Retro-Artikel über die 7970 :)).

Retro---> Erinnerung an alte Zeiten----> bißchen Nostalgie u.s.w.

Gefällt mir, nur so weiter.

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big-maec

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794 Kommentare 461 Likes

Der Artikel gibt mir zu denken ist MSI vielleicht nicht der einzige Hersteller gewesen. :unsure:
Habe hier noch ein Palit GTX 660 TI Jetstream im Besitz die ab 67 Grad nicht vernünftig läuft, ab da gibt es in regelmäßigen Abständen Black Screens. Das hat die Karte auch schon gemacht als sie neu war.

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F
Furda

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663 Kommentare 370 Likes

Die vorher / nachher Bilder mit dem Fluke DMM sind wohl vertauscht...

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D
Denniss

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1,496 Kommentare 543 Likes

irgendwo auf den ersten seiten ist ein link auf ein THG UK forum der natürlich nicht mehr geht.
Ist aber schon eine dreiste Schummelei von MSI die dann zusätzlich auch noch die normale Funktion neeinträchtigen kann. Von der Lebensdauer des Bauteils ganz zu schweigen.

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F
Furda

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663 Kommentare 370 Likes

Das Bild mit der Rennleitung ist der Hammer 👍🏼 wie Nvidia den 3rd-Parties auf die Finger schaut, ist wohl den meisten nicht bekannt.

Muss hier einfach nochmals mit Nachdruck erwähnen, wie wichtig die Arbeit von Leuten wie Igors' ist, für uns alle Konsumenten. Egal ob jetzt Jeanne D'Arc im Airbus "nur" über China abgestürzt ist und die (GPU) Revolution nicht anführen konnte. Auf die Finger schauen und informieren ist eine sehr gute und absolut notwendige Sache! Das Internet ermöglicht dies weltweit. Danke dafür

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T
Thakor

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52 Kommentare 35 Likes

Statistik habe ich keine, aber eine 1060 6GB, die ich kurz nach release für 250,- € erworben habe. Die 20er Serie fand ich uninteressant, eine 3060ti, 3070 oder 6700 hätte ich allerdings gekauft, wenn es die denn zu einem für mich akzeptablen Preis gegeben hätte. Die 1060 schiebt also immer noch ihren Dienst. Die auslaufende Generation nähert sich zwar dem UVP, aber ich bin nachtragend, stur und Familienvater mit im November auslaufender Preisbindung für den Gasvertrag der Heizung des Hauses. 😑

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Kohlkopf

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42 Kommentare 10 Likes

Wow, hatte das damals gar nicht mit bekommen. Auch wenn ich keine der betroffenen Karten gekauft habe. Herzlichen Dank für die Berichterstattung und fürs finden. Find ich gut wenn jemand mit Kenne den Herstellern deren Grenzen aufzeigt. +1

Wollen wir hoffe das diese daraus gelernt und es bis heute nicht ganz vergessen haben.

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Nagah

Veteran

114 Kommentare 93 Likes

Und dann immer dieses Marketing-Gelaber von "Military Class" Komponenten.
Es ist völlig irrelevant was das für Komponenten sind: Außerhalb der Spezifikation bleibt außerhalb der Spezifikation.

Und vor diesem Hintergrund wäre es damals bestimmt interessant zu wissen gewesen von welchen "eingebauten Reserven" MSI sprach, wenn selbst der Hersteller des Chips dieses verneint...

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G
Guest

Sehr interessant. Ich habe das damals gar nicht mitbekommen und mir den Nachfolger, also die MSI 760 GTX Twin Frozr gekauft. Sie läuft immer noch und das täglich im Sofa-PC und bis vor knapp 1J im Haupt-PC. Allerdings habe ich bei dieser Karte ebenfalls nie gesehen, dass der Boost jemals nicht maximal war. Naja gut. Sie läuft auch immer unter 70°.
Vor dem Hintergrund ist das aber irgendwie schon interessant, weil wie gesagt: der Boost meiner 760 GTX von MSI geht auch niemals runter. :unsure:
Zugute halten muss ich aber, dass die Karte halt bisher alles mitgemacht hat. Vielleicht hat sie an der Stelle ja den Fix bekommen, dafür aber einen anderen, damit der Boost dauerhaft aktiv bleibt. :geek:

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FfFCMAD

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663 Kommentare 170 Likes

Ich finde es bemerkenswert, das MSI das Produkt wissentlich mit Verweis auf ein Verfallsdatum in Form einer Garantie verkauft.

Hauptsache deine 500 -1000€ halten drei Jahre. Dann kaufe bitte neu.

Die Karten laufen generell am Limit. habe mit ne 3070 TI Vision OC von Gigabyte geholt. Der Hotspot rennt bei Dauerlast auf ueber 110°C. Dummerweise verliere ich sofort die Garantie, wnen ich da neue Waermeleitpaste drauf machen will, damit die karte rund laeuft.

Bin mir ziemlich sicher das die Karte, wenn ein Jahr rum ist, abraucht. Ne Garantie sehe ich da nciht fuer drei Jahre...

Ich versuche das mal eben nachzubuchen...

Ueber der Grafikkarte dreht zum Glueck ein 20cm Noctua Luefter, der den Rest dieses Grills unter 100°C haelt

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Nagah

Veteran

114 Kommentare 93 Likes

So viel Geld war das damals zum Glück noch nicht. Macht aber das Mindset dahinter natürlich nicht besser.

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FfFCMAD

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663 Kommentare 170 Likes

Ist halt nur komisch das ich ne GTX480 mit nem Aftermarket-Kuehler auf weit unter 80°C halten konnte. Mit dem unterschied das der RAM da noch nicht ganz so warm wurde. Aber die GTX480 hatte weit ueber 300W verbraten, der OC Vision geht bei 300 schon die Schmerzgrenze bei der Kuehlung.

Der Aftermarket-Kuehler fuer die GTX480 war der hier:

Warum kriegen die das nicht mehr auf die reihe bei den Herstellern mit dem Windforce?

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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