Heute schreibe ich über zwei Pasten, die mir während der Datenbankergänzung wegen ihrer geradezu unverschämten Vermarktung sehr negativ aufgefallen sind und stelle zum Vergleich noch eine Billig-Paste gegenüber, die einen solchen Betrug gar nicht nötig, aber leider andere Schwächen hat. Nur muss man sich schon fragen, für wie blöd einen die Brands halten, wenn sie billig eingekaufte Pasten mit albernem Hochtechnologie-Geschwurbel vermarkten, Hauptsache es klingt kompliziert und impliziert von Meerjunfrauen einhändig durch Diamant-Siebe abgefüllten Nano-Feenstaub. So etwas triggert mich immer wieder immens, denn es ist nachweisbar eine absichtliche Irreführung der Kunden. Hier muss man einfach einmal einen Riegel vorschieben und den Endanwender vor solchen üblen Praktiken schützen. Glauben denn diese Anbieter, dass ihnen keiner auf die Schliche kommt? Oder wissen sie es selbst nicht besser? Dann aber dürften sie diese Sachen ja gar nicht in Deutschland in den Verkehr bringen.
Die dreiste Lüge von Kohlenstoff-Nanotubes und einer sensationellen Wärmeleitfähigkeit
Sowohl die EC360 Ruby (Jaden Technologies) als auch die SYY-157 (Nuomi Chemical) bewerben vollmundig Inhaltsstoffe, die gar nicht drin sind, denn genau das habe ich ja im Labor ausgiebig getestet. Doch was sind die sogenannten Kohlenstoff-Nanoröhren (CNTs) eigentlich? Sie haben aufgrund ihrer außergewöhnlichen thermischen Eigenschaften großes Potenzial als Zusatzstoff in Wärmeleitpasten, denn da Kohlenstoff-Nanoröhren eine extrem hohe Wärmeleitfähigkeit besitzen, die die von traditionellen Materialien wie Silber oder Kupfer übertreffen kann, sind sie besonders geeignet, um die Effizienz dieser Pasten erheblich zu steigern.
Die Integration von CNTs in Wärmeleitpasten, wenn sie denn wirklich drin sind, zielt darauf ab, die thermische Leitfähigkeit zu erhöhen und die Wärmeabfuhr zu verbessern. Die Nanoröhren fungieren in der Wärmeleitpaste als thermisch leitfähige Brücken zwischen den festen Oberflächen der elektronischen Bauteile und dem Kühlkörper. Ein weiterer Vorteil von Kohlenstoff-Nanoröhren in Wärmeleitpasten ist ihre Flexibilität und mechanische Stabilität, die dazu beitragen kann, die strukturelle Integrität der Paste auch unter thermischen Zyklen aufrechtzuerhalten.
Das bedeutet, dass die Wärmeleitpaste auch nach mehreren Heiz- und Kühlzyklen ihre Leistungsfähigkeit beibehält, was für die langfristige Zuverlässigkeit elektronischer Geräte von großer Bedeutung ist. Die Verwendung von CNT in einer Wärmeleitpaste ist aber nicht einfach: Neben dem exorbitanten Preis ist die wohl größte Hürde die gleichmäßige Verteilung der Nanoröhren in der Paste, da sie dazu neigen, sich zu verklumpen. Genau deshalb findet man solche Pasten nämlich bisher kaum, die bei einer Zweitabfüllung nicht besser werden. Nur müsste dann ja auch jede Menge Kohlenstoff im Material nachweisbar sein, was heute zu beweisen wäre. Diesen Nachweis, negativ oder positiv, erbringe ich doch gern. Ich möchte meinen Ausführungen auch noch das jeweilige Zitat aus der Produktbeschreibung dieser zwei legendären, thermischen Wunderwaffen voranstellen:
Die EC360® RUBY Serie steht für maximale Performance. Hightech Kohlenstoff Nanotubes, eins der wärmeleitfähigsten Materialien ermöglichen eine spitzenmäßige Wärmeleitfähigkeit von 13,4 W/mK.
Entwickelt mit einem Fokus auf hohe Performance ist sie die perfekte Wahl für die Kühlung von GPUs und CPUs in extremen Kühlungs-Szenarien wie Overclocking. Kurzum, sorgt sie für eine maximal-effiziente Wärmeableitung in jedem Anwendungsfall.
Gleichzeitig ist die Wärmeleitpaste sicher anzuwenden. Sie ist nicht elektrisch leitfähig, einfach zu verteilen und lange haltbar. Eine niedrige Bleed-Konstante und gute Verdunstungseigenschaften machen sie langlebig und sorgen dafür, dass sie nicht austrocknet.
(zu finden auf der Anbieter-Homepage)
Auch Nuomi (in Deutschland durch die Like Sun GmbH vertrieben) ist da kein Kind von Traurigkeit und man wirbt mit:
BETTER THAN LIQUID METAL:
Thermal Conductivity 15.7W/m-k, it is composed of carbon particles and has extremely high thermal conductivity. It ensures that the heat generated by the CPU or GPU is effectively dissipated.
THERMAL COMPOUND:
SYY thermal paste Edition 2020 formula has excellent component heat dissipation performance and has the stability to push the system to the limit.
EASY TO APPLY:
SYY thermal paste has ideal consistency and is very easy to use even for beginners.
HIGH DURABILITY:
In contrast to metal and silicon thermal conductive adhesives, SYY thermal paste 2020 will not compromise over time. After applying, you do not need to apply again because it will last at least 5 years.
Aha. Da bin ich aber mal gespannt, vor allem auch, wenn es um die ausgelobte Wärmeleitfähigkeit geht, die in meinem Messungen ja exakt mit den Datenblättern der großen Hersteller wie Dow Chemical / Laird, Shin Etsu, Boyd, Parker usw. übereinstimmt. Kunststück, denn wir nutzen ja die gleiche Methode und meist auch dasselbe Equipment. Allerdings sind die für die drei Pasten angegebenen Werte von 13.4 W/(m·K) für die EC360 Ruby, von 15.7 W/(m·K) für die Nuomi SYY-157 und leider auch die 9.5 W/(m·K) der Thermalright TF4 falsch und irreführend. Aber zumindest bewirbt Thermalright keine falschen Inhaltsstoffe wie laktosefreien Feenstaub und vegane Wunderkohle.
Ein wichtiges Vorwort zur “Bulk-Wärmeleitfähigkeit” und falschen Marketing-Versprechen
Ich stelle jetzt bewusst noch zwei Zitate dagegen, die mir nicht nur aus der Seele sprechen, sondern auch mit meinen Labormessungen absolut überein stimmen. Viel mehr als 4 bis 5 W/(m·K), meinetwegen auch noch 6 W/(m·K) bei sehr, sehr guten Pasten, gehen mit konventionellen Mitteln unter den üblichen Bedingungen auf einer GPU oder CPU in Bezug auf Schichtstärke, Temperatur und Druck nämlich überhaupt nicht. Weil diese Zitate ehrlich sind und leider der Realität entsprechen, werde ich diesen Part ab sofort als Standardzitat in allen Pasten-Tests aller Hersteller verwenden und voranstellen. Physik kann man nicht verbiegen.
Wer sich fragt, wie man überhaupt auf Angaben oberhalb dieser Grenze kommt, dem sei gesagt, dass man Testbedingungen durchaus so anpassen kann, dass man in die Nähe astronomisch hoher Zahlen gelangt. Nur hat das Testen im Eimer mit der Realität nichts zu tun, auch wenn man ein bekanntes Messverfahren nutzt. Ohne Kenntnis der genauen Umstände sind solche Wert komplett irreführend und sinnlos. Man könnte zwar vielen Anbietern zugutehalten, dass sie es einfach nicht besser wissen und nur die Datenblätter der OEM abschreiben, aber es macht eine Irreführung der Verbraucher auch nicht besser.
Thermal Grizzly
Die meist theoretisch bestimmten Wärmeleitwerte unterscheiden sich stark je nach Anwendung, da wichtige Faktoren wie Anpressdruck, Temperatur oder Oberfläche nicht einheitlich berücksichtigt werden können. All unsere Kühlprodukte geben daher seit dem 4ten Quartal 2020 keine konkreten Werte zur Wärmeleitfähigkeit mehr an. Wir setzen weiterhin auf die Testergebnisse unabhängiger Tests und Reviews, damit unsere Kunden einen realistischeren Eindruck unter vergleichbaren Umständen von der Leistungsfähigkeit unserer Produkte in der Praxis erhalten können.
Arctic
ARCTIC hat sich bewusst dafür entschieden, keine Werte zur Wärmeleitfähigkeit von Wärmeleitpasten und Wärmeleitpads anzugeben, da viele Hersteller diesen Wert erfinden, künstlich anheben oder beschönigen. Wärmeleitpaste hat eine Wärmeleitfähigkeit von 1 bis 4 W/mK. Werte außerhalb dieses Bereichs, wie zum Beispiel 12,5 W/mK, entsprechen nicht der Wahrheit. Viele Wettbewerber geben Werte über 4 W/mK an, um eine bessere Leistung zu suggerieren. Dies führt oft zu falschen Erwartungen und unzufriedenen Anwendern…
Echte Langzeitsimulationen (3000 Stunden in 1000 Zyklen bis 90°C ) sind vom Aufwand her nicht machbar. Deswegen kann ich nur Prognosen abgeben, die ich aber auch als solche verstanden wissen will. Es ist quasi unmöglich, wissenschaftlich fundierte Aussagen in nur wenigen Tagen zu treffen. Ja, man kann einen Trend feststellen und diesen anhand vorhandener Daten als Prognose skalieren, nur ist dies nichts, was wirklich belastbare Aussagen ermöglicht. Deshalb muss ich, so leid es mir tut, diesen eigentlich so wichtigen Punkt ausklammern. Allerdings werde ich, soweit es die Zeit zulässt, Community-Feedback mit berücksichtigen und die Äußerungen bzw. Langzeiterfahrungen Dritter zu gegebener Zeit als Anmerkung mit in die Datenbank einfügen, falls es nötig erscheint. Im positiven, aber auch negativen Sinne. Nur ist dies ein subjektiver Wert, der in einer Vergleichsdatenbank nichts zu suchen hat.
Jaden Technologies EC360
Mit aktuell rund 9 Euro für 4 Gramm ist diese Paste sicher noch relativ günstig, aber definitiv nicht mit CNT versehen, denn das ginge für diesen Preis gar nicht. Auch die helle Farbe spricht gegen Kohlenstoff, aber den werde ich ja später noch suchen, diesmal sogar mit dem stärksten Laser, der hier Plasma erzeugen kann. Schaun’ wir mal… Die Paste ist sehr flüssig und zieht auch leicht Fäden, was auf einen recht hohen Silikonanteil hindeutet. Da wäre ich beim Pump-Out und der Reliability etwas vorsichtiger. Aber der Test kommt ja noch, deshalb lasse ich heute mal die Herstellerangaben weg. Belügen kann ich mich notfalls selbst. Und ich kann schon mal spoilern, die Paste ist auch nur zugekauft und das “Designed in Germany” eine weitere Pointe.
Nuomi SYY-157
Mit stattlichen 16 Euro für 4 Gramm ist die SYY-157 die teuerste Paste im Test, aber auch hier wirbt man mit Dingen, die in Wirklichkeit nicht drin sind. Es wird interessant sein zu sehen, wo die 15.7 W/(m·K) herkommen sollen und was wirklich drin ist. Und ich spoilere schon mal: auch hier gibt es kein postapokalyptsiches UFO-Granulat aus Kohlenstoff im allerfeinstem Röhren-Gewand. Es ist genau das drin, was immer drin ist, nur in komplett durchschnittlich und auch langweilig.
Thermalright TF4
Ich fülle die heutigen Charts mit einer sehr günstigen Paste auf, die den beiden anderen Pasten in der Performance zwar etwas nachsteht, jedoch mit fast schon erschreckend niedrigen 3 Euro für 4 Gramm zeigt, dass man selbst dann noch eine fast vierstellige Marge erreichen kann. Da wird einem im Umkehrschluss beim Nanogefasel erst recht schlecht, denn die SYY-157 kostet mehr als fünfmal und die EC360 Ruby dreimal so viel! Und in Bezug auf die Langzeithaltbarkeit sollte sich alle drei Pasten nichts nehmen, denn die Abrissbilder nach den Messungen sahen alle sehr ähnlich (bescheiden) aus.
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