Wir haben das ja schon oft thematisiert: Die Angaben der Wärmeleitfähigkeit von Wärmeleitpasten auf den Verpackungen und Datenblättern ist fast immer viel zu hoch. Das liegt natürlich auch daran, dass man entweder ungeeignete Messverfahren nutzt oder die Bedingungen so abändert, dass viel zu hohe Werte ermittelt werden. Genau das möchte ich heute noch einmal aufgreifen, weil vor allem die Tütchen-Importiere blind glauben, was ihnen der China-OEM da für einen schmalen Taler so abfüllt. Hohe Werte verkaufen sich gut, logisch. Aber der Dumme ist am Ende der Kunde, der das ja gar nicht nachmessen kann. Heute sehen wir uns mal eine Paste mit sagenumwobenen 17 W/m·K an.
Ob bei genau dieser Paste überhaupt etwas gemessen wurde oder der OEM bzw. Tütchenversender sich nur auf einen ausgedruckten Wert fürs Marketing geeinigt haben, kann ich natürlich nicht überprüfen. Aber wir können ja mal überlegen, wie man zu so einem Wert kommt, ohne den Dragster anzuwerfen. Ganz legal und als Ergebnis einer Messung, die zwar ein aus Kundensicht irreführendes Ergebnis liefert, aber wo man noch nicht einmal Vorsatz unterstellen könnte. Ja, auch so etwas gibt es. Und zwar viel zu oft, denn jetzt kommt der von mir immer wieder zitierte Eimer voller Paste ins Spiel.
Die Nachteile der ASTM Hotwire Messung
Der eigentlich recht preisgünstig zu realisierende ASTM Hotwire Test zur Messung der Wärmeleitfähigkeit von Wärmeleitpasten hat gravierende Nachteile, die die Genauigkeit der Ergebnisse ziemlich schnell beeinträchtigen können. Ein Hauptproblem bei diesem Verfahren ist die potenzielle Fehleinschätzung der tatsächlichen Wärmeleitfähigkeit der getesteten Materialien, was oft zu viel zu hohen Werten führt. Einer der wesentlichen Nachteile des ASTM Hotwire Tests ist dabei die Sensibilität des Tests gegenüber den Kontaktwiderständen zwischen der Wärmeleitpaste und den metallischen Platten. Diese Kontaktwiderstände entstehen durch Unebenheiten auf den Oberflächen der Platten und durch die nicht perfekte Verteilung der Paste. Selbst kleine Luftblasen oder ungleichmäßige Schichten können den Wärmefluss beeinträchtigen und somit die Messergebnisse verfälschen. Da der Test auf der Annahme basiert, dass die Paste den Wärmestrom gleichmäßig leitet, können solche Ungleichmäßigkeiten schnell zu systematischen Fehlern führen und tun dies in der Regel bei Materialien oberhalb 1 W/m·K auch.
Dazu kommt unzureichende Berücksichtigung des Einflusses von Temperaturgradienten entlang der metallischen Platten. Wenn die Temperaturverteilung nicht gleichmäßig ist, beeinflusst dies die Temperaturmessungen und führt zu einer ungenauen Berechnung der Wärmeleitfähigkeit. Darüber hinaus kann der Hotwire Test bei hohen Temperaturen durch die thermische Ausdehnung der Materialien zusätzlich verzerrt werden, was ebenfalls zu fehlerhaften Ergebnissen führen kann.
Die oft zu hohen gemessenen Werte resultieren auch aus dem sogenannten “Guarded Hot Plate”-Design des Tests, bei dem die Erwärmung des Drahtes zu einer Überbewertung der Wärmeleitfähigkeit führen kann. In der Praxis bedeutet dies, dass der Test die Wärmeleitfähigkeit der Wärmeleitpaste überschätzt, weil die Methode empfindlich auf die lokale Überhitzung des Drahtes reagiert. Der Draht erzeugt eine punktuelle Wärmequelle, die nicht unbedingt repräsentativ für die gleichmäßige Wärmeübertragung in realen Anwendungen ist. Die Unzulänglichkeiten sind also auf eine Kombination aus Kontaktwiderständen, ungleichmäßiger Temperaturverteilung, und der spezifischen Testanordnung zurückzuführen, die nicht immer die realen Einsatzbedingungen der Wärmeleitpasten korrekt nachbilden. Daher sind diese Messungen bei besser leitenden Pasten weniger zuverlässig und können die tatsächliche Leistung der Wärmeleitmaterialien gehörig überschätzen. Aber sie sind günstig, denn so eine Anlage kostet am Ende nur ein Zehntel eines ordentlichen Testers.
So geht es richtig
Ich messe die Wärmeleitpasten für meine Artikel und die Datenbank generell nach ASTM D5470-17 und ich versuche dabei auch, die meisten negativen Einflüsse vorab zu reduzieren. Genau deshalb arbeite ich nach dem jeweiligen Kalibrieren mit einer initialen Schicht von 500 µm, die ich zunächst ohne großen Druck langsam auf 120 °C erwärme, danach auf 20 °C abkühle, um sie am Schluss auf die konstanten 60 °C meiner Messungen zu erwärmen. Erst danach messe ich bei konstanten 60°C mittlerer Pastentemperatur und von 400 µm an abwärts in Schritten von jeweils 25 µm die Wärmewiderstände bzw. Wärmeleitfähigkeit unter identischen Laborbedingungen.
Das erfolgt standardisiert, wobei alle störenden Faktoren (wie z.B. Die-Verzerrungen oder nicht-koplanare Kontaktflächen) ausgeschlossen werden können. Garantiert werden kontrollierte Oberflächenbedingungen, Unidirektionale Wärmeflussbedingungen, parallele Kontaktflächen und präzise bekannte Klemmkräfte. Es ist also alles andere als die einfache Eimer-methode der üblichen Verdächtigen.
Richtige Messung vs. Simulation einer Fehlmessung
Ich versuche die Messung der Paste jetzt auch erst einmal “falsch”, indem ich unzweckmäßige Bedingungen schaffe (Temperaturen, extrem hoher Druck und damit ein winziger Rth) und nur mit wenigen Messpunkten wie im Hotwire-Test diese sogenannte Bulk-Wärmeleitfähigkeit errechnen lasse. Die störenden Punkte lasse ich hier ebenfalls weg. Das kommt so einem “Eimer-Test” an Ungenauigkeit schon relativ nah. Wir sehen das Protokoll meines Degradations-Tests dieser Paste aus der Verpackung in der Einführung von oben und ich komme auch auf knapp 17 W/m·K. Aber nur deshalb, weil ich das so will. Das Ergebnis könnte ich also locker auf die Packung drucken und mich tierisch freuen, nur ist dieser Wert komplett realitätsfern:
Wenn ich jetzt hingegen mit insgesamt 6 Temperatursensoren und einem für den Heater messe, dann insgesamt 17 Einzelmessungen mit unterschiedlichen Werten für die Bondline Thickness (BLT) durchführe (und auch die beiden Testkörper am Heater bzw. Kühler ausgemessen und kalibriert wurden), dann kommen deutlich exaktere Werte heraus. Denn jede einzelne Messung hat einen Threshold für die Temperaturfenster aller 7 Sensoren, die BLT und den Druck über 100 Samples an Messdaten und muss dieses Fenster für ALLE Werte auch mindestens 2 Sekunden eingehalten haben.
Der effektive Wärmewiderstand ändert sich im Allgemeinen linear zur BLT, so dass ich einige Werte aus der Berechnung herausnehme, die nicht exakt auf der gedachten Linie liegen. Dann erhalte ich bei den verbleibenden 13 Messungen logischerweise auch den richtigen, bereinigten Wert, der sogar noch etwas höher liegen kann:
Diese Paste (Thermal Hero Quantum) hat also eine reale Bulk-Wärmeleitfähigkeit von 3.16 W/m·K und nicht von 17 W/m·K! Und jetzt vergleichen wir doch mal was, so bösartig wie wir sind… Dow Chemical gibt für die DOWSIL TC-5550 mindestens 5 W/m·K an und schreibt intern von bis zu 5.3 W/m·K. Ich messe nach meiner Methode rund 5.28, was sicherlich hinreichend genau sein dürfte. Wenn ich diese Paste jetzt mal falsch bewerten würde, läge ich sogar bei unglaublichen 20 bis 25 W/m·K. Für alle, die das noch einmal in Kurven sehen möchten, hier ist der Vergleich der Wärmewiderstände der Thermal Hero Quantum und der DOWSIL TC-5550:
Und noch einmal für die effektive Wärmeleitfähigkeit unter Einbeziehung der existierenden Interface-Widerstände:
Ich glaube, das reicht jetzt auch an Theorie für einen Freitag, aber ich wollte das unbedingt mal loswerden.
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