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Grundlagen GPUs: Leistungsaufnahme, Netzteilkonflikte & andere Mythen | 2014 und 2020

Kondensator-Frage

Bewegen wir uns nun nach so vielen Äußerlichkeiten ins Innere und betrachten die Gretchenfrage: Welche Kondesatoren sollten oder dürfen es sein und wo liegen noch viele Missverständnisse und Irrtümer?  Und damit hätten wir die Kurve von der GPU, über das PCB, die Anschlüsse und die Versorgungsleitungen bis hin zu den Kondensatoren nun auch ganz gut hinbekommen.

Zwischenfrage: Was bringen Polymer-Kondensatoren?

In einem eigentlich eher aus einer Laune heraus erfolgten Test zweier einfacherer Netzteile mit und ohne Kabelmanagement, die bis auf die KM-Platine eigentlich ziemlich identisch waren, sowie einer ziemlich fiesen HIS R9 290X IceQ, die so richtig viele Spikes erzeugt (Leistungsaufnahme siehe Grafik auf Seite 3), kamen wir zu einem überraschenden Ergebnis: Ich konnte nämlich feststellen, dass die beim modularen Netzteil zusätzlich verwendeten Polymer-Kondensatoren die Spitzen eingangsseitig durchaus recht ordentlich abfedern konnten, wenn sie denn wirklich sinnvoll platziert sind. Zum einen sind die Solids wesentlich flinker als die Elektrolytkondensatoren und zum anderen kann auch die benötigte Kapazität aufgrund der geringen Zeitdauer der extremsten Spitzen sehr viel niedriger sein, um noch Wirkung zu zeigen.  

 

Dies sollte sich mit Sicherheit auch positiv auf die Haltbarkeit der eigentlichen Sekundärkondensatoren (Bild unten) auswirken, auch wenn es meist nur eine indirekte Folge ist. Bei vielen Netzteilen nutzt man diese Polymerkondensatoren in erster Linie, um beispielsweise die bei der Trennung von Haupt- und Kabelmanagement-Platine auftretenden Wechselwirkungen zwischen Haupttrafo und senkrecht stehender Platine zu verhindern.

Dieser von uns beobachtete und sehr nützliche Nebeneffekt wird aber in jedem Falle gern mitgenommen, selbst wenn er mit Sicherheit nicht bei jedem Netzteil so angedacht wurde.Man sieht hier auch ganz gut eine der typischen Mischkalkulationen, wenn es darum geht, die Kosten zu optimieren: Mittelprächtige SamXon auf der Sekundärseite.

Womit auch der Bogen zu dem eigentlichen Elektrolytkondensatoren recht elegant geschlagen wäre, über die immer noch viel zu viel Unklarheit herrscht.

Low ESR, Low Impedance und Ripple

Zunächst machen wir einmal eine Bestandsaufnahme. Also was muss ein guter Sekundärkondesator mindestens können? Er soll sicherstellen, dass das Netzteil kontinuierlich hohe Ströme liefern kann und zudem garantieren, dass Lastschwankungen abgefangen werden können. Soweit, so theoretisch. Doch Elko (Elektrolytkondensator) ist nicht gleich Elko. Und genau an dieser Stelle wird es nämlich interessant, wenn wir über die datenblattbezogene Qualität und die Zweckmäßigkeit der Kondensatorwahl sprechen, die sich nicht zwingend decken müsssen!

Gehen wir jetzt noch einen Schritt weiter und fragen uns, was ein solcher Elko – auch in Hinsicht auf unsere wilden Grafikkarten – nun besonders gut können sollte? Er muss – schon aus Gründen der Haltbarkeit – zunächst erst einmal einen möglichst geringen inneren Verlustwiderstand besitzen (ESR = Equivalent Series Resistance). Deshalb findet man diese sogenannten Low-ESR-Ausführungen auch oft ausgangsseitig in Netzteilen oder auf Mainboards im Bereich der VRM.

Unsere Messungen der Leistungsaufnahme, wo die Intervalle der Lastwechsel sporadisch sogar noch schneller aufeinander folgen als das Schaltnetzteil überhaupt die Kondensatoren wieder aufladen kann, lassen uns hier jedoch etwas ins Grübel kommen. Viele Hersteller wechseln nämlich – mit Sicherheit nicht ohne triftigen Grund – mittlerweile zu ganz speziellen Low-Impedance-Kondensatoren, wo es um geringe Innenwiderstände bei hohen Frequenzen geht, die Standard-Elkos so in Perfektion nicht bieten. So viel zum Thema Zweckmäßigkeit. Doch dazu später noch etwas mehr.

Wir rechnen ein wenig und wundern uns

Wie wir wissen, fließen durch Kondensatoren keine Gleichströme, sondern sogenannte Rippelströme (engl. ripple current), was am Ende nichts anderes ist als der bereits von uns angesprochene pulsierende Gleichstrom. Nehmen wir nun ein Datenblatt von Teapo und vergleichen, welcher Kondensator der zweckmäßigste sein könnte. Um selbst bei einem ausgesprochen langsamen Schaltnetzteil eine ausreichend geringe Restwelligkeit zu garantieren, reichen bei bei Strömen bis 20A (in Bezug auf die erwähnte R9 290X) locker 3300µF pro Schiene, bei 30A sollten es dann 4700µF sein und alles darüber wird durch Parallelschaltung der Elkos erreicht.

Der mittlerweile gern genommene Teapo SY (Low Impedance) mit 3300µF als 16V-Modell besitzt eine Impedanz von 0,02 Ohm bei 100 KHz. Bei 20 Ampère fallen dann inkusive Selbstentladung ca. 0,25 Volt ab, was einer Welligkeit von etwa 2,1 Prozent entspricht und eine Verlustleistung von rund acht Watt ergibt. Laut Datenblatt sind 2,88 Ampère (rms) bei 5000 Stunden vorgesehen. Das passt also bestens, denn man wird solche Maximalwerte im Leben nicht erreichen.

Ein Nippon Chemi-Con der KY-Serie hat exakt die gleichen Daten, verspricht aber doppelte Haltbarkeit von 10.000 Stunden bei den maximalen Rippelströmen. Das liest sich erst einmal wie ein doppelt so guter Elko, aber da diese Belastung bei guten Modellen noch nicht mal ansatzweise erreicht wird, ist auch die Stundenangabe eher theoretischer Natur – denn vorher geht meist der Lüfter oder etwas anderes kaputt.

Selbst die als Billigheimer und „bad cap“ verteufelten CapXon können – wenn man denn bereit ist, für Ausführung und Güteklasse zu bezahlen – durchaus noch gute Ergebnisse erzielen. So besitzt ein CapXon GF (Low Impedance) mit 3300µF als 16V-Modell sogar eine Impedanz von nur 0,018 Ohm bei 100 KHz und schafft sehr ordentliche 3,49 Ampère bei 5.000 Stunden.  Es geht natürlich auch in Richtung Billigst-Schiene. Der Jun Fu WX mit 3300µF 16V schafft zwar immerhin noch 0,022 Ohm, fällt beim Rippelstrom aber auf 2,1 Ampère zurück. Und dann gibt es noch die wirklich schlechten Modelle, über die wir besser gar nichts mehr schreiben.

Seriöse Netzteilfertiger testen die mögliche Haltbarkeit für jedes eingeplante Bauelement

 

Wo liegen bzw. lagen nun die möglichen Qualitätsprobleme?

Die verwendeten Elektrolyte müssen besonders bei Low-ESR- und Low-Impedance Elkos sehr gut leitfähig sein, damit die Rippelströme keinen Schaden anrichten. Um die Leitfähigkeit zu erhöhen, verwendet man diverse Lösungsmittel und Zusatzstoffe, von denen einer meist Wasser ist. Durch das beigemengte Wasser erhöht sich automatisch die Anzahl freier Ionen, was natürlich zu einer wesentlich besseren Leitfähigkeit des Elektrolyten führt. Ohne jetzt den armen Leser mit zu viel Chemie langweilen zu wollen: Selbst nur in Spuren verunreinigtes Wasser greift Aluminium an. In einer exothermischen Reaktion korrodiert dann das Aluminium und es entsteht sowohl ein Hydroxid (AL(OH)3) als auch ein Gas, das dann zu einem Druckanstieg im Kondensator-Gehäuse führt.

Im Bild erkennen wir die Beulen im Becher und die Sollbruchstellen in der Kappe, die sich bei zu viel Druck öffnen soll(t)en. Wenn sie es tun, hat man nach einen Zischen eine feine Sauerei auf der Platine, die auch gern zu Kürzschlüssen führt. Oder sie öffnet sich nicht, dann knallt es und die Sauerei ist spritziger.

Die Hersteller sollten die Aggressivität des Wassers gegenüber dem Aluminium mittlerweile eigentlich voll im Griff haben. Allerdings haben vor allem in der Anfangszeit so manches Herstellers Probleme in der Produktion und Technologie dazu geführt, dass nicht wenige Elkos zur tickenden Zeitbombe wurden. Aus dieser Zeit rühren auch noch viele Vorurteile her, die heutzutage zumindest in großen Teilen so nicht mehr berechtigt sind. Die sogenannte Bad-Caps-Liste ist mittlerweile inhaltlich völlig überholt, da die Fertiger oftmals zwar noch die gleichen Modellreihen produzieren, die Produkte aber nicht mehr die selben sind.

Gleicher Fertiger wie eben – Stresstest einzelner Baugruppen

 

Was sollte man nun kaufen?

Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten weil es auf Details ankommt.

Ein zweckmäßig ausgewählter Sekundär-Elko eines taiwanesischen oder chinesischen Herstellers kann – wenn der Netzteilfertiger eine entsprechend hohe Güteklasse verwendet, die auch größere Fertigungstoleranzen ausschließt – durchaus gleichwertig oder sogar besser sein, als ein einfacheres Nippon-Produkt, das zwar schlechtere technische Spezifikationen besitzt, aber im Gegenzug über den Namen des Herstellers punkten soll.

Man erhält also mittlerweile bei fast jedem Hersteller genau das, für das man bereit ist zu zahlen. Nicht mehr, aber fast immer auch nicht weniger. Dies macht die Beurteilung nicht einfacher und einmal mehr sind auch die Netzteiltester gefordert, mit mehr Abstand und Objektivität nicht nur Firmenlabel zu zelibrieren, sondern auch mal einen Blick auf die verbauten Güteklassen zu werfen. Als Grafikkartentester sagt man dann gern auch schon mal: Nicht meine Baustelle, obwohl man eigentlich die Wechselwirkungen nicht aus den Augen lassen dürfte.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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