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Grundlagen GPUs: Leistungsaufnahme, Netzteilkonflikte & andere Mythen | 2014 und 2020

Erkenne die Grenzen: Wo liegt die Tolerenzgrenze?

Nachdem wir nun wissen, warum bei aktuellen Grafikkarten so extreme Lastspitzen entstehen, wollen wir uns mit den möglichen Folgen beschäftigen. Wer erinnert sich nicht an die ganzen Diskussionen parallel zum Launch der R9 295X2, welches Kabel an welche Rail des Netzteils anzuschließen wäre, wie haltbar Stecker und Kabel sind sowie der Frage, wo die wirklichen Grenzen liegen? Stecker, Kabel, Netzteil – wer ist eigentlich Schuld, wenn es doch mal mit einem Knall oder Zischen dunkel wird?

Dass AMD mit dieser Karte den Killer jeglicher Standards schlechthin geschaffen habe, wurde gern und ausgiebig kolportiert und auch Nvidias Titan Z bekam später gehörig was auf die Nüsse – nur dass sie nicht sonderlich viele Redakteure im Selbstversuch testen konnten. Genau hier wollen wir ansetzen und zunächst die Frage beantworten, ob diese ganze Aufregung nicht vielleicht viel zu übertrieben war, nur weil die meisten von den Umständen überrascht wurden.

Wie AMD uns mitteilte, ist die TDP der Karte mit maximal 450 Watt spezifiziert – und wenn wir uns die zweite Seite mit Power Tune und der Theorie Erinnerung rufen, dann wissen wir auch, dass diese Angabe nicht nur ein schnöder Schätzwert ist, sondern eine echte Grenze. Beim Gaming messen wir noch knapp unter 430 Watt, so wie von AMD kommuniziert und nicht über 500, wie oft verbreitet:

Beim Stresstest, den wir als Nächstes auch mit einer guten Infrarotkamera (Optris PI450) dokumentieren werden, sind es ebenfalls nur knapp unter 450 Watt. Das beweist, dass man nur schnell genug messen muss, um sich bei der Wertermittlung nicht meilenweit vom tatsächlichen Durchschnittswert zu entfernen.

Infrarot-Video der R9 295X2 unter Maximallast

Ih abe bereits 2014  für die möglichst perfekte und übersichtliche Aunahme eine PI450 von Optris genutzt, die für diese Belange bestens geeignet ist und den gesamten Prozess als Video in Echtzeit aufzeichnen und auswerten kann, wobei ich mittlerweile über noch höher auflösende Kameras mit diversen Optiken verfügen kann:

Wir wollen uns in diesem Artikel nun endlich der Frage annehmen, ob denn die Kabel unseres Netzteils sowie die Stecker und Buchsen des PCIe-Anschlusses die Geschichte schadlos überstehen können und wo die Wärme eigentlich herkommt. Übergangswiderstand, schlechte Kontakte, miese Kabel? Kann man alles getrost in die vielzitierte Tonne befördern, denn es kommt völlig anders. Wir lassen die ersten 10 Minuten im Zeitraffer laufen und fassen alles in fünf Minuten zusammen:

 

Ausgangspunkt und Mutter aller Temperaturkollapse ist also die Platine! Wie das Video eindrucksvoll beweist, heizt sich zunächst die Platine ordentlich auf. Die Temperaturen der Spannungswandler sind dafür, dass sie aktiv belüftete Kühlkürper besitzen, jenseits aller Akzeptanz. Dies trägt, zusammen mit den zwei GPUs, zur kontinuierlichen Erwärmung der Platine bei, der auch die Backplate nicht mehr helfen kann. Wobei es ohne diese Plate sogar kühler lief, da die Luft frei zirkulieren konnte!

Letztendlich breitet sich die Wärme über die verlöteten Anschlussstifte in die PCI-Express-Anschlussbuchsen (die später auch bis zu 59°C warm wurden) und dann erst über die Steckkontakte in die Kabel aus.

Man darf also beruhigt sein, denn die Kabel und Anschlüsse der Stromversorgung leiden durch diese Karte nicht, solange sie den üblichen Qualitätsstandards entsprechen! Was aber ist nun mit dem Netzteil?

Versorgungsengpässe? Nicht wirklich, wenn…

Um das Ganze noch etwas spannender zu machen, testen wir zunächst eine und später dann sogar zwei solcher Karten im Quad-Crossfire bei brütender Hitze (knapp 30°C Raumtemperatur). Zunächst benutzen wir ein ordentliches 500-Watt-Netzteil (be quiet! Straight Power E10), das erst bei ca. 20 Prozent Überlast sauber abschaltet. Stimmen unsere Messwerte für die R9 295X2 aus dem Launch-Artikel von durchschnittlich 430 Watt im Gaming-Loop, dann sollten die damit maximal verfügbaren 600 Watt auch für die Grafikkarte, ein Mittelklasse-Mainboard und einen nicht übertakteten Core i7-4770K sowie acht GByte RAM und eine SSD locker ausreichen.

Und das tun sie auch, denn die Chroma zeigt primärseitig im Maximum nie mehr als 610 Watt an, sondern meist deutlich weniger – und so gehen wir sogar gemütlich zwischendurch eine Pizza essen. Der Loop läuft stabil und wir wundern uns das erste Mal über die Ausfälle der großen Boliden bei den Launch-Artikeln. Aber warum sollten wir nur kleckern? Einmal mutig geworden, hängen wir nun sogar zwei R9 295X2 an ein nicht mehr ganz taufrisches 1000-Watt-Netzteil (be quiet! Power Zone), das lediglich mit 80+ Bronze zertifiziert ist. Jetzt sollten die Leistungsaufnahme beider Karten und die des Testsystems zusammen bei ca. 1000 Watt auf der Sekundärseite liegen und das Netzteil müsste diese Last seinerseits locker stemmen können.

Beim erneuten, einstündigen Gaming-Loop und nahezu 100-prozentiger Auslastung messen wir an der Chroma primärseitig eine Leistungsaufnahme von bis zu 1100 Watt. Damit liegt unser Gesamtsystem in jedem Fall deutlich unter 1000 Watt, was zunächst erst einmal beweist, das unsere Messungen der Leistungsaufnahme exakt der Realität entsprechen. Warum aber schalten deutlich großzügiger bemessene Systeme trotzdem ab? Schauen wir uns auch diese Belastungsprobe im Video an. Zur Information: Die Lautstärke setzt sich aus den röhrenden Chromas und den zwei Grafikkarten zusammen; das Netzteil ging in diesem akustischen Inferno glatt unter:

 

Netzteil und Grafikkarte sollten zueinander passen. Nicht die pure Wattangabe der Gesamtleistung ist für ein Gelingen entscheidend, sondern Faktoren wie Single- oder Multi-Rail und die verfügbaren und wirklich erreichbaren Stromstärken, die auch bei sehr kurzen, heftigen Lastpitzen („Spikes“) konstant geliefert werden können, ohne dass die Spannungswerte kurzfristig einknicken. Die Frage beantwortet am Ende das Netzteil.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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