Der aktuelle Fall einer zurückgesendeten NVIDIA GeForce RTX 4090 dürfte nicht nur technikaffine eBay-Nutzer interessieren, sondern auch auf die zunehmende Professionalisierung im Bereich des Hardware-Recyclings hinweisen – zumindest in seiner weniger legalen Ausprägung. Was auf den ersten Blick nach einem banalen „Kein Bild – Rückgabe“-Fall aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als chirurgisch präziser Raubzug an einem Stück High-End-Silizium. Willkommen im Jahr 2025, wo selbst GPU-Diebstahl auf Platinenebene zur neuen Normalität wird.

Die Vorgeschichte: Alles ganz legal – fast zu legal
Ein Reddit-Nutzer, der unter dem Namen „piscian19“ firmiert, entschloss sich, seine RTX 4090 in gute Hände zu geben – also die Art von „guten Händen“, die bei eBay mit über 30.000 positiven Bewertungen glänzen. Ein Käufer aus Kalifornien – mutmaßlich ein Unternehmen – schlug zu, zahlte ohne zu feilschen den aufgerufenen Marktpreis und schien auf dem Papier seriöser als so mancher Systemhauspartner im B2B-Bereich. Doch misstrauisch wurde der Verkäufer trotzdem. Und das zu Recht. Also wurde die Karte vor dem Versand fotografisch in Szene gesetzt – von vorne, von hinten, mit Seriennummer, ohne Seriennummer, offen, geschlossen, wahrscheinlich auch mit romantischer Hintergrundbeleuchtung. Dazu gab’s eine Versicherung über den Versanddienstleister, ganz nach dem Motto: Vertrauen ist gut, lückenlose Dokumentation besser.
Rückgabegrund: „Kein Bild“ – was sonst?
Einmal verkauft, dauerte es keine 24 Stunden, bis die Rückgabe auf dem digitalen Tisch lag. Die Begründung: „No video output“ – ein Klassiker unter den fadenscheinigen Ausreden. Die GPU kam zurück, allerdings in einem Zustand, den man bestenfalls als „nachbearbeitet“ beschreiben könnte. Das Slotblech verbogen, Schraubenspuren am Kühler, Kratzer auf dem Shroud – die Art von Gebrauchsspuren, die sonst nur Mining-Farmen oder schlechtgelaunte Auszubildende hinterlassen. Die eigentliche Überraschung kam aber erst beim Öffnen: Keine GPU, kein VRAM – nur das nackte PCB, als hätte jemand die Karte in ein Feinstaublabor geschickt, um ihr das letzte Quäntchen Nutzen zu entreißen. Die GPU war schlicht und einfach chirurgisch entfernt worden, samt Speicherchips. Keine groben Gewaltspuren, keine Brandstellen – das war kein Pfusch, sondern Handwerk. Wahrscheinlich sogar mit Vorwärmplatte, Reworkstation und Antistatikmatte. Sozusagen Reverse-Ingenieurwesen mit sehr klaren Absichten.
Die Destination? Irgendwo zwischen Shenzhen und Shenzhen
Was mit der erbeuteten Ware geschieht, lässt sich nur mutmaßen. Die Reddit-Community vermutet, wenig überraschend, eine Repatriierung der wertvollen Komponenten in Richtung Asien. Vermutlich zur Weiterverwendung in AI-optimierten OEM-Karten, zweifelhafter Herkunft und mit fragwürdigen BIOS-Mods. Möglich auch, dass der Chip in einer RTX 4090 mit verdächtig hoher VRAM-Ausstattung wieder auftaucht – natürlich nicht auf dem europäischen Markt, sondern irgendwo da draußen, wo Zollbehörden lieber weggucken. Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein struktureller Betrugsfall vorliegt. Entweder wurde das eBay-Konto kompromittiert – oder es handelt sich schlicht um eine organisierte Masche mit Zugriff auf Accounts mit hoher Glaubwürdigkeit. Mit 30.000 Bewertungen fällt man jedenfalls weniger auf, selbst wenn man heimlich den Chip mit der Heißluftpistole auslötet.
Wer verkauft, muss inzwischen wie ein Versicherungsdetektiv agieren
Der Vorfall ist symptomatisch für den Zustand des GPU-Zweitmarktes: Rückgabebetrug mit chirurgischer Präzision, gepaart mit logistischer Raffinesse. Versicherung hin oder her – der eigentliche Schaden liegt im Vertrauensverlust, denn was heute eine zurückgegebene RTX 4090 ist, kann morgen eine 4080 Super oder eine Radeon 7900 XTX sein. Wer heute noch glaubt, dass Fotos und Versandversicherungen reichen, wird morgen um Videoaufnahmen mit lückenloser Seriennummer-Verfolgung und präventive Rechtsberatung nicht herumkommen. Denn wenn derart hochpreisige Komponenten im freien Umlauf landen und die Rückgabe zur Ausschlachtung mutiert, ist das keine Ausnahme mehr – sondern Business-Modell.
Source: piscian19 via X
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