News

Intel unter Lip-Bu Tan: Wenn der CEO persönlich Hand anlegt – KI wird zur Chefsache

Dass Intel in den letzten Jahren mehr mit strategischer Orientierungslosigkeit als mit technologischem Pioniergeist glänzte, ist kein Geheimnis. Nach dem Abgang von Pat Gelsinger hat nun Lip-Bu Tan das Ruder übernommen – und der neue CEO scheint nicht der Typ zu sein, der sich in die dritte Reihe setzt und nur PowerPoint-Folien abzeichnet. Stattdessen wird die KI-Sparte zur Chefsache erklärt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Flache Hierarchie, harter Kurs: Tan krempelt um

Laut einem Memo, das bei Reuters aufgetaucht ist, hat Tan die Führungsstruktur „geflättet“. Ein Begriff, der in der Unternehmenskommunikation meist ungefähr das bedeutet: weniger Menschen zwischen Problem und Verantwortung. DC (Data Center) und AI (Artificial Intelligence) berichten jetzt direkt an den CEO. Michelle Johnston Holthaus, bis dato verantwortlich für das Produktportfolio, darf künftig andere Baustellen übernehmen. Details? Später. Viel später. Dazu kommt, Sachin Katti, vormals Netzwerkexperte und mittlerweile bei Intel tief in der Technik verankert, wird CTO und „AI Chief“. Zwei Hüte für einen Kopf – ein klares Zeichen, dass Intel endlich wieder Geschwindigkeit aufnehmen will. Oder muss.

Gaudi statt Gaudi: Warum Intels KI-Chips (noch) kein Spaß sind

Die traurige Wahrheit: Während NVIDIA mit jeder GPU mehr Marge macht als andere mit einem ganzen CPU-Lineup, und AMD zumindest mit MI300-Futter für Rechenzentren liefert, steht Intel ziemlich blass da. Die Gaudi-Beschleuniger – vor Jahren zugekauft über Habana Labs – fristen ihr Dasein irgendwo zwischen „auch verfügbar“ und „niemand fragt danach“. Technisch nicht zwingend schlecht, aber eben ohne nennenswerte Softwarebasis und ohne OEM-Rückenwind. Das Timing war, wie so oft bei Intel, unglücklich. Während andere das „AI-first“-Mantra schon skandierten, wurde in Santa Clara noch fleißig an Meteor Lake geschraubt. Der KI-Zug fuhr schon los, Intel suchte derweil noch nach dem Fahrplan.

Geopolitik als Spielverderber

Als ob das nicht reicht, verbietet die US-Regierung jetzt auch noch den Export der Gaudi-Chips nach China. Begründung: sensible KI-Technologie. Ergebnis: ein weiteres Marktsegment weniger. Für einen Konzern, der auf Skalierung angewiesen ist, keine ideale Ausgangslage. Die schon begrenzte Nachfrage wird durch regulatorische Hürden zusätzlich kastriert. Der Plan, mit Gaudi 3 (Codename „Jaguar Shores“) endlich Anschluss zu finden, dürfte damit noch schwieriger umzusetzen sein – selbst wenn die Technik diesmal tatsächlich konkurrenzfähig sein sollte. Und das bleibt erst noch zu beweisen.

Tans Führungsstil: Ärmel hoch statt Krawatte richten

Tan selbst hat in seiner internen Kommunikation keinen Zweifel daran gelassen, dass er näher ran will: „Ärmel hochkrempeln“ und direkt mit dem Engineering reden. Das klingt nach Startup-Mentalität, trifft aber auf einen Konzern mit 130.000 Mitarbeitern und einer Hierarchie, die eher an Beamtenapparat als an Silicon-Valley-Dynamik erinnert. Ob dieser Ansatz mehr ist als bloßes Symbolhandeln, wird sich zeigen. Immerhin: Wenn der CEO persönlich mit den Entwicklern redet, ist das ein Signal – auch an jene, die bislang ihre Ideen durch fünf Abteilungen schleppen mussten.

Fazit: Jetzt oder nie – aber bitte mit Substanz

Die KI-Neuausrichtung unter Lip-Bu Tan könnte ein wichtiger Schritt sein – oder ein weiteres Kapitel in Intels „Strategie durch Umstrukturierung“-Chronik. Der Markt wird keine Geduld haben. NVIDIA dominiert, AMD schiebt sich in Position, Startups wie Tenstorrent lauern auf jede Lücke. Tan muss liefern – nicht nur neue Titel und Berichtebenen, sondern echte Produkte, echte Performance, echte Relevanz. Sonst wird auch das neue Organigramm nur eins: ein weiteres PDF im Archiv gescheiterter Intel-Versuche. Intel kann KI. Theoretisch. Jetzt muss das Unternehmen zeigen, dass es auch praktisch dazu in der Lage ist.

Source: Reuters

Bisher keine Kommentare

Kommentar

Lade neue Kommentare

Redaktion

Artikel-Butler

2,659 Kommentare 12,555 Likes

Dass Intel in den letzten Jahren mehr mit strategischer Orientierungslosigkeit als mit technologischem Pioniergeist glänzte, ist kein Geheimnis. Nach dem Abgang von Pat Gelsinger hat nun Lip-Bu Tan das Ruder übernommen – und der neue CEO scheint nicht der Typ zu sein, der sich in die dritte Reihe setzt und nur PowerPoint-Folien abzeichnet. Stattdessen wird die KI-Sparte zur Chefsache erklärt – im wahrsten Sinne des Wortes. Flache Hierarchie, harter Kurs: Tan krempelt um Laut einem Memo, das bei Reuters aufgetaucht ist, hat Tan die Führungsstruktur „geflättet“. Ein Begriff, der in der Unternehmenskommunikation meist ungefähr das bedeutet: weniger Menschen zwischen Problem […] (read full article...)

Antwort Gefällt mir

Danke für die Spende



Du fandest, der Beitrag war interessant und möchtest uns unterstützen? Klasse!

Hier erfährst Du, wie: Hier spenden.

Hier kannst Du per PayPal spenden.

About the author

Samir Bashir

Werbung

Werbung