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Huawei HarmonyOS Next – der Desktop-Gefährte, den niemand bestellt hat

Huawei legt nach. Nach Smartphones, die sich längst aus westlichen Märkten verabschiedet haben, folgt nun der große Desktop-Wurf: HarmonyOS Next. Klingt wie ein Versprechen auf die Zukunft, bringt aber vor allem einen sauberen Schnitt mit der Vergangenheit. Denn alte Geräte werden konsequent ausgesperrt, ebenso wie Apps, die sich nicht in Huaweis eigener App Gallery tummeln wollen. Offenheit? Fehlanzeige. Man schafft sich lieber eine nette kleine Käseglocke mit Dock und hübschem UI, lässt aber die Frischluft gleich draußen.

Ein Betriebssystem unter Quarantäne

Man kann Huawei keinen Mangel an Konsequenz vorwerfen. Wenn schon ein eigenes Betriebssystem, dann aber auch bitte gleich mit allen Konsequenzen: kein Sideloading, kein Altgerät, kein Problem – zumindest aus Sicht des Herstellers. Nutzerfreundlichkeit? Die wird eher neu definiert. Wer fremde Software braucht, ist hier ganz offensichtlich fehl am Platz. Die Zeiten, in denen ein Desktop-OS noch durch Flexibilität glänzte, sind bei Huawei ohnehin passé. Stattdessen setzt man auf ein geschlossenes System – ganz im Stil der mobilen Strategie. Die App Gallery dient als Nadelöhr, Kontrolle scheint das übergeordnete Ziel.

Hardwarebindung wie aus dem Lehrbuch

HarmonyOS Next bleibt exklusiv den neuesten Huawei-Laptops vorbehalten. Ältere Modelle, auch solche aus der eigenen Produktlinie, dürfen draußen bleiben. Der technische Grund? Unklar. Wahrscheinlicher: Es geht um Absatzförderung. Wer das neue OS will, muss neu kaufen. Fertig. Das erinnert an Apples Philosophie, ohne deren Software-Reife oder langfristige Update-Strategie. Immerhin wird das Ganze hübsch verpackt – mit einem Dock, das fast schon verdächtig nach macOS aussieht, und einer Benutzerführung, die ebenfalls weniger an Windows 11 als an Apple erinnert. Man kopiert also lieber bei denen, die den Markt seit Jahren dominieren, anstatt eigene Wege zu gehen.

AI-Assistenz mit Systembindung

Source: MyDrivers

Mit dabei: „Celia“, der KI-Assistent mit Ambitionen. Der soll dem Nutzer Aufgaben abnehmen – Präsentationen erstellen, Befehle ausführen, vielleicht auch ein paar Daten übermitteln. Natürlich ganz im Dienste des Nutzers. Aber bitte nur innerhalb des Systems. Offene Schnittstellen oder erweiterbare Features sind nicht vorgesehen. Man bleibt lieber unter sich.

Marktfokus: China statt Welt

Huawei zielt mit HarmonyOS Next ganz bewusst auf den chinesischen Binnenmarkt. Dort ist ein geschlossenes System ohne westliche Softwareabhängigkeiten durchaus politisch gewollt. Die Einschränkungen sind kein Unfall, sondern ein Feature. Für internationale Märkte bedeutet das aber: HarmonyOS bleibt ein Nischenprodukt mit klarer Limitierung. Technisch ließe sich mehr machen – gewollt ist es offenbar nicht.

Technische Einordnung: Zwischen UI-Glamour und Systemisolation

Die Benutzeroberfläche von HarmonyOS Next ist glatt und aufgeräumt, durchaus ansprechend gestaltet. Im Hintergrund werkeln offenbar solide Komponenten, vieles dürfte auf dem Linux-Kernel basieren, auch wenn Huawei hier keine offenen Karten spielt. Die Performance auf aktuellen Geräten ist – wenig überraschend – flüssig. Schließlich wurde das OS genau für diese Hardware gebaut. Aber das reicht eben nicht. Ohne die Möglichkeit, eigene Software zu installieren, bleibt der Rechner ein reiner Abspielplatz für App-Gallery-Inhalte.

Schöne Hülle, fester Käfig

Huawei liefert mit HarmonyOS Next ein visuell ansprechendes, aber funktional limitiertes Betriebssystem ab. Die klare Absage an Sideloading und Abwärtskompatibilität macht deutlich: Man setzt auf Kontrolle statt Offenheit. Für westliche Märkte bleibt das OS damit weitgehend irrelevant – es sei denn, man lebt freiwillig im digitalen Biotop.

Source: MyDrivers

Kommentar

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RX480

Urgestein

2,129 Kommentare 1,029 Likes

Wenn man die gängigen Office Dateien importieren kann, sollte das OS+Apps kein Problem sein.
Läuft YT+Netflix auch unter Harmony?, ... evtl. im privaten Bereich wichtig.

interessanter ist der Preis: ... ist Huawei damit konkurrenzfähig?
(wenn jetzt keine fremde Hardware mehr benötigt wird, müsste H doch einen guten Preis machen können)

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cunhell

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686 Kommentare 709 Likes

Als ob Apple von anfang an die entsprechende Softwarereife gehabt hätte. Und Böcke schießen die auch immer gerne Mal wieder, die aber oft nur dann auffallen, wenn man sich aus der Apple Bubble herauswagt.

Letztlich ist es der konsequente Schritt aus der Abhängigkeit westlicher und insbesondere US-Amerikanischer Abhängigkeiten.
Muss man nicht gut finden, ist aber ein logischer Schritt.

Die Zeit wird zeigen, ob es gelingt.

Cunhell

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eastcoast_pete

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2,543 Kommentare 1,678 Likes

Gerade Huawei (und ihr CPU/SoC Arm, HiSilicon) ist für China die Speerspitze der Kampagne, sich bei Hardware und Software so unabhängig von US Firmen zu machen wie irgend möglich. Huawei hat laut eigenen Angaben mehrere Tausend Leute eingesetzt, um Harmony OS weiter zu entwickeln, und das OS ist jetzt vollständig separat von zB Android, und trotz Wurzeln in Linux nicht Open Source. Huawei bewirbt Harmony OS nicht nur als ein von Grund auf Chinesisches OS, sondern auch als OS, das ein integriertes Ökosystem für Geräte von Smartphones und Smartwatches bis (jetzt ) hin zu PCs aller Art ( Laptops, Tablets, 2-in-1s) bereitstellt. Am ehesten noch vergleichbar mit dem, was Microsoft einmal vor über 10 Jahren mit Windows Phone halbherzig probiert hat, und deutlich stärker integriert als das, was Apple mit iOS, iPadOS und MacOS hat. Denn iPhones oder iPads laufen eben nicht auf MacOS, obwohl sie das von der Hardware her durchaus könnten.

Einer der Gründe, warum zB Huawei Smartphones wie die Puras trotz zumindest zur Zeit noch etwas schwächeren SoCs und trotzdem hoher Preise in China sehr populär sind ist u.a. auch, daß sie als wirklich 100% Chinesische Smartphones (patriotisch) gesehen werden. iPhones verkaufen sich in China auch deshalb nicht mehr so gut. Und auch sehr gute Kameras und Kamerafunktionen haben.
Die CPU/SoC Designs von HiSilicon sind zwar auf ARM Basis entwickelt worden, aber vollständig eigene Entwicklungen (u.a. mit Multithreading, sonst selten implementiert bei ARM Kernen), werden bei SMIC in China gefertigt, und kommen auch schon länger in Server und Supercomputer zum Einsatz.

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Annatasta(tur)

Veteran

486 Kommentare 216 Likes

Das erinnert mich an (gaaanz)alte AOL Zeiten. Da war man auch nur in der Bubble. Ich glaube, ich habe damals (Anfang 90er mit Gummiohr-Modem) ein halbes Jahr gebraucht, bis ich den "Ausgang" ins normale WWW gefunden hatte. Ich denke mit der Zeit werden die Nutzer, die es wollen, auch einen Weg in die Internationale Welt finden. Auch auf den ersten Macs konnte man ziemlich schnell win 3 Programme zum laufen bringen.

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eastcoast_pete

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2,543 Kommentare 1,678 Likes

Das mit dem in die internationale Welt finden ist allerdings ziemlich schwierig wenn man sich hinter dem "Great Firewall of China" befindet, bzw auch mit Risiken behaftet. Das wird schon schwer, wenn man als Besucher/Geschäftsreisender versucht, in ein VPN außerhalb Chinas zu tunneln, obwohl es laut Berichten noch irgendwie machbar ist. Als Bürger/Staatsangehöriger der Volksrepublik nicht mehr ganz so einfach.
Allerdings scheint die deutliche Mehrheit der Bevölkerung durchaus hinter ihrer Regierung (Xi) und deren Politik zu stehen, gerade auch wenn's darum geht, bei Software und Hardware nicht mehr vom den Westen (lies: USA) abhängig zu sein.

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d
dawit

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31 Kommentare 19 Likes

Müsste man den Titel nicht anpassen in "den China bestellt und die USA heraufbeschworen hat"? Über eine Mrd. Leutchens würde ich jetzt
nicht gerade als niemand bezeichnen :P

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OldMan

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443 Kommentare 207 Likes

Grds. finde ich ja dass Konkurrenz den Markt belebt, aber hier muss ich leider dankend ablehnen. Ist es ja bei MS, Apple und Google schon extrem schwierig bis unmöglich festzustellen welche Daten von meinem Gerät in Richtung der Firmen abfließen (Ja, auch bei Apple!, auch wenn die sich immer als Musterknabe hinstellen) so ist es bei chinesischen Firmen noch viel undurchsichtiger. Und in eine Bubble will ich auch nicht. Somit: Nett, aber nicht mehr.
Na da muss man ja inzwischen vorsichtig sein. Es soll ja Untersuchungen geben die sagen dass Chine keine Mrd mehr hat und die Zahlen nur künstlich hoch gehalten werden um die Entwicklungshilfe als Schwellenland nicht zu verlieren :rolleyes:

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Annatasta(tur)

Veteran

486 Kommentare 216 Likes

China ist ein Schwellenland? :oops:

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OldMan

Veteran

443 Kommentare 207 Likes

Ja klar. Die bekommen immer noch Entwicklungshilfe, auch von Deutschland. 2022 waren das noch rund 500Mio. Die Einstufung erfolgt anhand des pro Kopf Einkommen und da machen natürlich ein paar 100Mio Einwohner mehr oder weniger schon was aus.

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ipat66

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1,644 Kommentare 1,802 Likes

Könnte mMn trotzdem langsam eingestellt werden ...
Wer so agressive Industriespionage betreibt und gleichzeitig ganze Industriezweige mit Milliarden-Subventionen unterstützt,
braucht keine Hilfe aus Deutschland.
Damit könnte man 10 Schulen und zwei oder 3 Brücken renovieren ... :)

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OldMan

Veteran

443 Kommentare 207 Likes

Wird ja bereits kontinuierlich heruntergefahren. Wird ja durch die OSZE gesteuert. Und es sind ja nicht wirklich Zahlungen an das Land selbst. Ein Großteil der Gelder floss z.B. in die Unterstützung chinesischer Studenten in Deutschland.
Aber grds. bin ich auch deiner Meinung dass China als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt keine Unterstützung mehr benötigt.

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M
Mudsee

Mitglied

83 Kommentare 60 Likes

Nun hat China Industriespionage betrieben oder haben x Firmen es in den Kooperationsverträgen usw eher sogar noch freiwillig getan. Da zeigt sich wieder Gier macht Blind.

Und ja China ist was Unabhängigkeit betrifft sehr zielstrebig, Siehe sein abgeschottetes Internet usw. Da passt es mit dem BS dazu. War es vielleicht anfangs noch eine Notlösung wegen den Saktionen der USA / Google

Aber unter der Oberfläche in china gärt es, siehe Protesste bei Corona usw. Den die Jugend steht ziemlich schlecht da bei einer Arbeistlosenquote von ca 25%.

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d
dawit

Mitglied

31 Kommentare 19 Likes

Nur als Nachtrag: das ist nicht nur richtig, man sollte auch sich grundsätzlich von dem Gedanken trennen, dass "Entwicklungshilfe" einfach geschenkes Geld bedeuten würde, nicht nur China gegenüber. War noch nie so. Das kann man höchstens so sehen bei SPenden von einzelnen Bürgern, die etwa für Brot für die Welt o.ä. spenden.
Alles was hier an Geld rausgeht, geht auch nur raus weil Deutschland sich einen gewissen Eigennutz erhofft oder dies tatsächlich der Fall ist.
Und ich glaube kaum dass
China das nötig hätte. Ein paar hundert Millionen € sind wirklich kein frisierte Zahlen wert, das geschieht wenn überhaupt dann höchstens aus innenpolitischen Gründen.

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b
bitracer

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749 Kommentare 336 Likes

Ist doch zum Hohen Anteil auch Staatspropaganda!
"Schaut her, das können wir jetzt alleine!" - sollte man mehr als Werbung nach innen verstehen imho.
welches war nochmal das Land, in dem der sagen wir mal "lizenzfreie Einsatz von Software" am weitesten verbreitet und von rechtsstaatlicher Seite großzügig geduldet wurde und wird? Ach ja...
Gleichzeitig zeigt es auf, welches potential in freier Software steckt, die wirklich jeder für sich heranziehen und weiterentwickeln kann, nicht nur "die Guten".

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Samir Bashir

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