Kopfhörer Testberichte

Feiner Sound mit leichter Delle: Meze 99 Neo im Test

Wir wollen jetzt nicht die Firmengeschichte und -Philosophie auswalzen, das kann sich jeder Interessierte selbst anlesen, wenn er die Homepage von Meze  besucht. Zumindst ist der 99 Neo eine logische Fortführung dessen, was man mit den 99 Classics vor...Das Mikrofon ist ein stinknormaler, omnidirektionaler Schallwandler ohne Allüren und Zicken, jedoch auch keinen Deut mehr. Für ein Telefonat reicht es, als Teamspeak-Quelle ist es eher ungeeignet. Gamer werden also eher weinen, es sei denn, man zockt ...

Das Mikrofon ist ein stinknormaler, omnidirektionaler Schallwandler ohne Allüren und Zicken, jedoch auch keinen Deut mehr. Für ein Telefonat reicht es, als Teamspeak-Quelle ist es eher ungeeignet. Gamer werden also eher weinen, es sei denn, man zockt lieber allein. Dann braucht man es auch nicht. Klanglich ist es noch nicht einmal schlecht, aber Clipping und ANC sucht man vergebens. Und wenn Kevin-Klaus nebenan schreit, weil der Brei nicht schmeckt, hört es gleich die ganze TS-Community mit. Richtwirkung gleich Niull.  Womit wir es in die Kategorie nette Dreingabe für unterwegs einordnen. Dann passt es, solange kein allzu fetter Wind weht. Sonst rumpelt es im Karton.

Messungen und Sound-Check

Es ist bei weitem keine wabbelige Sound-Cellulite an den Oberschenkeln einer akustischen Diva und auch die zwei sichtbaren Beulchen in ihren sonst fast makellosen Kurven sind eigentlich auch noch im Bereich dessen, was man sich nicht gleich panisch von Dr. Mang wegoperieren lassen müsste. Wäre da eben nicht der Preis und dass man es eben doch hören kann. Bei 250 Euro müssen wir dann natürlich schon etwas genauer hinsehen und hinhören, sowie die milde Stimmung im Giftschrank wegschließen. Schauen wir also noch einmal kurz auf die Messkurve und sehen dann, was sich hinter der kleinen Talfahrt im Detail so verbirgt.

Erst einmal kann man voranstellen, dass der 99 Neo eher warm abgestimmt ist, was wohl auch am etwas zu fetten Oberbass liegt. Womit wir noch einmal an die optionale Dämpfung erinnern wollen. Der Tiefstbass ist gut bis sehr gut, wenn auch etwas zu schwammig, wenn sich Instrumente aus Subkontra- und Kontraoktave treffen. Was einzeln noch wirklich exzellent klappt, wird im Zusammenspiel bei höheren Pegeln auch schon einmal etwas schwammiger. Das mehroktavige Bassspiel zwischen ca. 40 und 160 Hz wird somit auch schon mal zum akustischen Glücksspiel.

Es ist aber bei weitem nicht matschig, Gott bewahre. Nur wirkt es im oberen Bereich einfach etwas zu voluminös und aufgesetzt. Die Orgel des Gewandhauses zu Leipzig kommt in Bachs Toccata und Fuge D-Moll gut und zielsicher bis in die schwärzesten Tiefen und kann sich dort auch solide behaupten, da es an tief positionierten Gegenspielern fehlt. Allerdings drückt die große Basstrommel einen Elektrobass partiell schnell an die Wand, wenn mal tiefer gegriffen wird. Doch wer spielt schon leere Saiten? So gesehen ist dies alles Jammern auf allerhöchstem Niveau.

Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals. Hier prüfen wir vor allem die Wiedergabe guter männlicher Vocals sowie das Harmonieren unterschiedlicher Stimmlagen einschließlich der Ortung einzelner Quellen (Gruppengesang). Genau da aber kommt es beim 99 Neo zu einer leichten Überbetonung der tieferen, männlichen Vocals.

Womit wir auch fast schon bei unserer ersten Delle bei 400 Hz angekommen wären. Die sogenannten unteren Mitten (Grundtonbereich), die genau dort enden, spielen zusammen mit dem Oberbass nämlich eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes vieler Instrumente. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist ebenfalls in diesem Bereich zu finden, so dass wir sowohl einzelne, weibliche Vocals als auch den Chor als Summe werten, um uns ein Urteil über das räumliche Abbildungsvermögen zu verschaffen. Genau da patzt der 99 Neo aber etwas, denn der Oberbass dominiert die unteren Mitten hörbar.

Wie können wir uns das nun vorstellen? Nehmen wir beispielsweise mal eine Tuba. Obwohl sie unterhalb der unteren Mitten spielt, liegen die Harmonischen genau im Endbereich der unteren und dem Beginn der oberen Mitten. Also so richtig schön mittendrin. Da aber gerade die Obertöne, die ja eher ein vielseitiges Klangemisch sind, die Wiedererkennung und den Charakter eines Instrumentes ausmachen, ändert sich auch der eher spratzige Klang der Tuba in einen viel zu warmen Grundton ohne Obertöne. Nichts gegen eine eher warme Abstimmung, aber das ist dann einfach too much (nicht Matsch), weil man das Überblasen nicht mehr so prägnant wahrnimmt wie gewünscht.

Wir vermuten hinter all diesen Makeln die eher uninspiert wirkenden, schlaffen  Ohrpolster, die für unseren Geschmack etwas zu schwammig sind und auch nicht genügen Abstand zwischen Treiber und Ohr schaffen. Gerade der Bassverlauf und die beginnende Beulenpest innerhalb der Mitten dürften die Ursache für diese kleinen, tonalen Nachlässigkeiten sein. Hier wäre Meze gut beraten, mit Messungen und Blindtests noch einmal nachzubessern und gegebenenfalls sogar optional noch anders gefüllte Polster als Alternative anzubieten oder gleich beizulegen.

Ansonsten bieten die oberen Mitten bis ca. zwei KHz alles, was das Herz begehrt – bis hin zu einer fast schon grandiosen räumlichen Auflösung. Egal ob Kammermusik oder schwülstige Monumental-Klassik mit voller Besetzung, es passt perfekt und man staunt immer wieder, wo die eher kleinen Treiber die Kraft für die sauber erreichten Pegel hernehmen. Sehr gut gefallen auch die eher leisen Töne bis hinauf zu den unteren Höhen.

In diesem Bereich zwischen ca. zwei und 3,5 KHz ist das menschliche Gehör ja bekanntermaßen am empfindlichsten, zumal die unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig sind. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder vieler Instrumente, so dass man in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe sprechen kann.Das klappt auch beim 99 Neo ausgesprochen gut.

Bei den mittleren Höhen bis ca. sechs KHz entscheidet es sich über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Viele Saiten- und Blasinstrumente stehen und fallen in ihrer Brillanz mit der möglichst guten Abbildung in diesem Bereich. Denn wenn es zu Überspitzungen kommt, entsteht sehr schnell ein metallischer oder kratziger Eindruck. Oder es ist das Gegenteil der Fall, wo sich beim 99 Neo bei ca. sechs KHz ein gewisses Loch auftut. Gut, es ist nicht so tief wie der Bodensee, aber der geübte Zuhöhrer vermisst etwas, garantiert.

Der darauf folgende Bereich der oberen Höhen ab sechs bis ca. 10 KHz ist wichtig für die möglichst breitbandige Abbildung entstehender Obertöne vieler Instrumente und auch der Luftgeräusche (Atemgeräusche, Abriss- und Ausblasgeräusche), sowie diverser Schlaginstrumente. Beliebtes Objekt ist in diesem Bereich der gern zitierte Jazzbesen, der als muffiger Putzlappen untergehen kann. Und während eine Gitarre bei schlechter Ausprägung weniger leidet, wird aus einer Violine im Extremfall schnell eine Flöte. Nicht so beim 99 Neo, der hier aber fast schon zu crispy aufspielt und irgendwie all das übermotiviert nachholen möchte, was bei den mittleren Höhen eben noch fehlte. Man kann diese Abstimmung mögen, vor allem dann, wenn man ansonsten Klipsch-Boxen mit Aluminium-Hochtönern und Hornstrahlern gewohnt ist.

Zusammenfassung und Fazit

Der Meze 99 Neo ist ein an sich recht guter Kopfhörer, der sehr warm abgestimmt ist und alles andere als trocken und analytisch klingt. Damit kann man leben, muss es aber nicht, denn in diesem Preissegment gibt es auch noch viele gute Gegenspieler. Die Stärken des 99 Neo sind seine gute Räumlichkeit. die tolle Bühne und der fast schon zu dominante Start in den Superhochton, während die Schwächen vor allem bei den unteren Mitten, aber auch den mittleren Höhen zu suchen sind, die beide gleichermaßen etwas schwächer ausfallen als erwünscht. Trotzdem spielt der 99 Neo auf sehr hohem Niveau, keine Frage.

Die Verarbeitung ist gut bis sehr gut und auch der Materialmix geht so in Ordnung. Lediglich die Ohrpolster irritieren etwas und stören den sehr positiven Gesamteindruck ein wenig. Wer hier auf Nachbesserung hofft und warten kann, oder nicht gar so kleinlich hinhört, der bekommt einen grundsoliden und auch pegelfesten Kopfhörer, der kaum Wünsche offen lässt. Gut, besser geht bekanntermaßen immer. Das ist nichts Neues. Einen Kauftipp würden wir aber auf Grund der aktuellen Schwächen nicht aussprechen, denn dafür ist der Preis einfach etwas zu selbstbewusst angesetzt.

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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