Grafikkarten Grundlagenartikel Hardware Netzteile System Tech Testberichte

Grundlagen der Elektrotechnik für den PC-User: Basics leichtverdaulich erklärt (Teil 1)

Mein Name ist Bernhard Baumgartner und manche von Euch kennen mich vielleicht schon aus anderen Grundlagenartikeln. Um Euch das unter Umständen doch recht trockene Thema „Elektrotechnik Grundkurs“ etwas näher zu bringen, hat mich Igor gebeten, einen Artikel bzw. eine Artikelserie für Euch zu schreiben. Der Hintergrund ist klar, denn in ein paar Tagen geht es wieder um Grafikkarten, Lastspitzen und andere Spitzfindigkeiten, die ein gewisseses Basiswissen voraussetzen. Und damit es Euch dann, wenn es soweit ist, auch in voller Breite abholt, gibt es heute vorab ein paar Basics. Natürlich werden Einige jetzt wissend den Kopf schütteln und denken, was soll das denn jetzt? Aber für die forschende Jugend gibt es (hoffentlich) etwas neues Wissen und für den Rest zumindest eine kleine Auffrischung, bevor die dicken bösen Buben kommen und uns wieder stromsaufend mit bunten Pixeln bewerfen.

Mein Ansatz beim Erklären dieses Themas soll locker und einfach verständlich sein, immer gespickt mit Beispielen aus dem realen Leben und bezogen auf Computer, mit denen wir uns ja alle so wohl fühlen. Ich selbst kann mich noch sehr genau an meine erste Stunde Elektrotechnik in der Berufsschule erinnern und ich habe es gehasst. Wirklich! Mit der Zeit wurde diese Disziplin aber doch immer interessanter, sodass ich in der Berufsausbildung sogar meine Fachrichtung zu Elektronik hin geändert habe. Nach drei Jahren hatte ich meinen Gesellenbrief als „Kraftfahrzeugmechatroniker für Fahrzeugkommunikationstechnik“ und von da an ging es in die automotive Entwicklung, inklusive der Ausbildung zum Ausbilder. Was ich zu Beginn gar nicht leiden konnte, hat sich zu echter Leidenschaft entwickelt, sogar zu meinem beruflichen Mittelpunkt. Ich hoffe im Laufe dieses Artikels, vielleicht doch jemanden zu infizieren.

Also dann setzt euch, legt die Füße hoch, nehmt euch einen Keks und habt Euren Spaß am Montag!

Bohrsches Atommodell

Wenn man Menschen fragt, was Elektrik, Elektronik und Strom eigentlich ist und dass man es für Fünfjährige erklären soll, so fällt schnell auf, dass das gar nicht so einfach ist. Ja, Elektrizität ist zu einem guten Teil doch recht abstrakt. Man riecht keine Elektronen, man kann sie in der Regel auch nicht sehen und hören, dem Homo Sapiens fehlt schlichtweg die Sensorik dafür. Maximal, wenn man en Finger in die Steckdose steckt. Dies ist auch der Grund, wieso Elektrizität wirklich gefährlich ist! Solltet ihr also mal Basteln oder euch für das Thema interessieren, so macht euch vorher unbedingt mit den fünf Sicherheitsregeln und den Auswirkungen des elektrischen Stroms auf die Gesundheit vertraut!

Wollen wir Elektrizität verstehen, können wir uns eines beindruckenden Gedankenexperiments bedienen: Stellt euch vor, ihr sitzt in einem elektrotechnischen Labor und vor euch liegt ein Stück Kabel auf dem Tisch. Würden wir immer näher mit unseren Augen an das Kabel zoomen sehen wir bald, dass das Kabel kein einzelner, massiver Leiter ist, sondern aus kleinen, einzelnen Litzen besteht. Diese Kupferlitzen weisen bei noch näherer Betrachtung eine texturierte Oberfläche auf, mit scharf begrenzten Bereichen. Manche Teile davon sind heller und manche dunkler, wir sind jetzt auf der Kornebene angekommen. Zoomen wir weiter rein, so sehen wir ein 3D-Gitternetz, wobei jeder Verbindungspunkt ein Kupferatom ist. Wir sind jetzt auf der Atomebene und genau dort müssen wir sein, um zu verstehen, was Elektrizität eigentlich ist und wie sie funktioniert.

Wenn wir uns das Bild ansehen, so sehen wir den Atomkern (Nucleus, Rot und Grün), dieser besteht aus einer gleichen Anzahl von Neutronen (Neutrale Ladung, Grün) und Protonen (positive Ladung, Rot). Sieht man den Kern isoliert vom Rest des Atoms, ist seine Gesamtladung positiv. Als negative Ladung dienen die Elektronen (Blau), die den Atomkern auf Orbitalbahnen umkreisen. Die Orbits sind keine festen Bahnen, wie z.B. bei einem Satelliten, sondern eher als „Aufenthaltswahrscheinlichkeitsräume“ zu sehen. Nehmen wir zum positiven Atomkern die negativen Elektronen hinzu, erhalten wir ein neutrales Atom, weil die Ladungen ausgeglichen sind. Auffallend ist, dass es einige Elektronen gibt, die ihre Bahnen näher am Kern ziehen und andere weiter vom Kern entfernt.

Das hat mit der Energieaufnahme- und Abgabe zu tun. Hat ein Elektron eine hohe Energie (eV / Elektronenvolt), kann es den Kern weiter außen umkreisen. Hat es weniger Energie, rückt es näher an den Atomkern. Als Eselsbrücke kann man sich das wie mit Raumschiffen im Erdorbit vorstellen: Ein Raumschiff mit starkem Antrieb kann das Gravitationsfeld der Erde ferner verlassen als ein Pupsschiff, dass nur einen Chinaböller hinten dran hat. Das Wichtigste an dieser Erkenntnis ist für uns: Elektronikinteressierte brauchen sich eigentlich nur merken, dass es freie Elektronen (FE, Blau) gibt, auf der äußersten Bahn und deswegen zwischen benachbarten Atomkernen hin- und herspringen können. Man konnte sagen, dass eine kleine Energieaufnahme reicht, damit diese freien, nicht gebundenen Elektronen zum nächsten Atomkern wandern können. Weit haben sie es ja nicht mehr, sind sowieso schon ganz außen…

Betrachten wir nun eine Reihe von Würfeln, deren Ecken jeweils ein Kupferatom sind. Legen wir nun ein elektrisches Potential von 0V an das eine Ende und ein Potential von 12 Volt an das Andere, so fangen die freien Elektronen an, in eine gerichtete Bewegung überzugehen (Rote Pfeile). Genau das ist Elektrizität: Die gerichtete Bewegung von Elektronen. BRUTAL!

Hirn-Download: Elektrischer Strom ist die gerichtete Bewegung von freien Elektronen in leitenden Materialien! Elektronen haben immer ein negatives Potential, während der Atomkern positiv geladen ist!

 

 

Kommentar

Lade neue Kommentare

s
strolch1969

Neuling

8 Kommentare 8 Likes

Gut und verständlich. Gefällt mir, auch als Elektroniker, richtig gut.
Einen Rechner zusammenschrauben können die meisten. Jedoch das ganze auch sinnvoll und mit möglichst hoher Effizienz zu tun, da trennt sich die Spreu vom Weizen. Da ist u.a. solches Wissen unerlässlich. Bitte mehr davon.

Antwort 4 Likes

grimm

Urgestein

3,440 Kommentare 2,396 Likes

Ich sage es mal so: Du hast mit diesen Erklärungen meine Physik-Defizite komplett beseitigt. Hätte mir mehrere Jahre bei didaktisch überforderten Lehrkräften sparen können, wenn ich den Artikel damals gehabt hätte. Wird sicher bei meinen Kids zum Einsatz kommen. Sehr gut!

Antwort 5 Likes

e
eastcoast_pete

Urgestein

2,200 Kommentare 1,405 Likes

@Bernhard: Schließe mich @strolch1969 und @grimm an! Solche Hintergrunds Artikel sind immer wieder gut zu haben!
Eine Anregung, wenn's nach dem Teil 2 auch einen Teil 3 geben wird: die Kapitelüberschriften eines etwaigen Teiles 3 im Abschluss von Teil 2 anteasern. So weiß man als Leser bereits, was als nächstes kommt, und hält die Augen offen dafür.
Völlig OT: verfolgt sonst noch jemand die Live Übertragung des (hoffentlich) ersten Starts von Blue Origins New Glenn von Cape Canaveral ? Vielleicht sehe ich ja, was meine ganzen Bestellungen auf Amazon auch mit finanziert haben 🚀.

Antwort 3 Likes

D
Dezor

Urgestein

506 Kommentare 226 Likes

Sehr schöner Artikel mit gutem Kompromiss aus Verständlichkeit, Informationsdichte und wissenschaftlicher Korrektheit. Für mich als studierter Physiker war bis auf die Wortherkunft von "Kondensator" allerdings nichts neues dabei. ;)

2 Kleinigkeiten habe ich aber noch anzumerken:

  • Auf Seite 2 solltest du noch die Querschnittsfläche erwähnen und eventuell die Einheiten für den spezifischen Widerstand ergänzen.
  • Auf Seite 5 bei "Mathematische Darstellung" hast du anscheinend einen Fehler beim Latex-Code mit der Mathe-Umgebung. Das sieht so etwas wild aus ...

Antwort 4 Likes

Tesetilaro

1

575 Kommentare 251 Likes

DANKE!!!! anders kann man es nicht formulieren... direkt "abgespeichert" - auch bei mir eher für die Söhne, weil mein Physiklehrer ähnlich gut erklären konnte... Btw. wenn Igor meinen alten SSD Grundlagenartikel wieder findet und Interesse besteht, den kannst Du gerne mal aufpeppen ;)

Antwort 2 Likes

Igor Wallossek

1

11,672 Kommentare 22,606 Likes
T
Tom42

Mitglied

55 Kommentare 36 Likes

Danke für die Auffrischung meines Wissens!

Bitte mehr davon.

Hatte einen sehr guten Physiklehrer in der 12./13. Klasse, Dr. Franz Bader.

Hier der Nachruf von 2018: https://www.stuttgarter-nachrichten...gte.ac3c6d6f-6134-4c63-a2a3-c04946d6f2dd.html

Antwort 2 Likes

e
eastcoast_pete

Urgestein

2,200 Kommentare 1,405 Likes

Der Experimentalphysik Prof, den ich im Grundstudium hatte, war auch so einer - ausgezeichnet, konnte die Materie toll vermitteln. War eine der Vorlesungen, die ich - wenn irgend möglich - wirklich nicht verpassen wollte. Bei einigen anderen hingegen...na ja.

Antwort Gefällt mir

Midnight Angel

Veteran

167 Kommentare 134 Likes

Is it just me, oder fehlt die gewöhnliche Diode (die mit ohne Leuchten) in der Aufstellung der Bauteile?

Antwort 1 Like

R
RazielNoir

Urgestein

553 Kommentare 261 Likes

Wenn sich Westinghouse damals nicht durchgesetzt hätte, wie würde unsere Elektrowelt wohl heute aussehen...

Danke für die tolle Erklärung!

Antwort Gefällt mir

nobbes

Mitglied

64 Kommentare 41 Likes

hm, ja die Infos sind gut, aber teilweise falsch.
Seite 5:
dort steht, "da fließen 230V Wechselstrom", V ist die Spannung und die liegt an und fließt nicht, das macht A der Strom.
Auch die Darstellung der 230V Wechselspannung ist falsch, es sind +115 V und -115 V, die die 230 V Wechselspannung ergeben. ;)

/klugscheißmodus :D

Antwort 2 Likes

B
Bernhard

Mitglied

16 Kommentare 26 Likes

Huch! Da hast du recht, das habe ich falsch erzählt! Der Messwert ist ja Spitze-Spitze und nicht Amplitude. Vielen Dank für den Hinweis und Entschuldigung!

Antwort 4 Likes

B
Bernhard

Mitglied

16 Kommentare 26 Likes

Da fehlen so einige Bauteile in beiden Kategorien :) Ich habe manche weggelassen, sonst wäre die Liste so lange. Vielen Dank aber für den Hinweis!

Antwort 2 Likes

D
Dezor

Urgestein

506 Kommentare 226 Likes

@nobbes Bei der unglücklichen Formulierung bin ich bei dir.

Bei der Spannung gibt es aber meines Wissens nach nur in Amerika zwei Phasen die gegenläufig arbeiten. In Deutschland hast du 3 Phasen, die um 120° Phasenverschoben sind und untereinander jeweils Ueff = 400 V haben. Eine einzelne Phase davon schwankt um ca. 320 V (glaube ich, da Ueff = Û / √2 wenn ich mich richtig erinnere) gegen dem Neutralleiter. Oder mache ich gerade einen Denkfehler?

Edit Û / √2 natürlich ... Ich brauche erstmal einen neuen Kaffee ...

Antwort Gefällt mir

nobbes

Mitglied

64 Kommentare 41 Likes

Kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es in Amiland keinen drei Phasen Strom (Drehstrom) gibt.
Vllt. in den Haushalten dort, aber große E-Motoren oder Mashcinen brauchen das fast immer und sowas wird dort ja auch betrieben.
Bei uns kommen immer drei Phasen + 0 an und die teilt man dann auf, wie man es braucht bzw. für Durchlauferhitzer oder E-Herde wird Drehstrom verwendet, wegen der hohen Leistung, die Herde ziehen.
jepp und so wären es 460 V, das würde schön knallen.

Antwort Gefällt mir

PeppCorl

Neuling

9 Kommentare 5 Likes

Super verständliche Anleitung! Finde die Skizzen toll, so kann man solche abstrakten Vorgänge gut visualisieren.

Als Materialwissenschaftler hätte ich durch grobes Drüberfliegen bei Seite 1 wenige Anmerkungen:

- die freien Elektronen einer metallischen Bindung führen zu einem Elektronengas. Metallische Bindungen haben weniger als 4 Elektronen auf der äußersten Schale, wodurch man keine kovalente oder ionische Bindung mehr bekommt. Deshalb wird versucht die Edelgaskonfiguration (gesättigte Schale) durch Abgabe der Valenzelektronen an ein gemeinsames Elektronengas herzustellen. Die Elektronen sind in dem Fall quasi keinem Atom mehr zugeordnet und unlokalisiert. Diese Bindung ist deshalb auch schwächer als andere Bindungsarten, weshalb man u.a. Metalle auch recht gut verformen kann.

- die Gitterstruktur von Cu ist kubisch-flächenzentriert wodurch auch an allen Seitenflächen ein Cu Atom sitzt. Abgebildet ist das kubisch primitive Gitter.

Hier auch eine Darstellung wie man sich ein Elektronengas (blau) vorstellen müsste.

View image at the forums

Quelle: https://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/bindung/metallbindung.html

Danke für den tollen Artikel!

Antwort 3 Likes

Klicke zum Ausklappem
S
SpiritWolf448

Veteran

131 Kommentare 51 Likes

Sieht irgendwie aus wie Sommerschlußverkauf aus der Vogelperspektive.... ;)

Und für den hervorragenden Artikel ein sehr dickes "Dankeschön!" und einen (y)

Antwort Gefällt mir

Martin Gut

Urgestein

8,493 Kommentare 4,108 Likes

Ich denke, das kann man schon so schreiben. Der Wechselstrom fliesst. Die Angabe 230 V ist eine zusätzliche Spezifikation, eine Eigenschaft des Wechselchstroms und nicht das Hauptwort.

400 V / √ 3 = 230 V
Versorgt werden die Gebäude mit dreiphasigem Wechselstrom mit 400 V. Dieser wird direkt für stärkere Maschinen, Kochherde und so verwendet. Davon nimmt man 2 Phasen und bekommt zweiphasigen Wechselstrom mit 230 V für die Haushaltssteckdosen.

Ich kenne die Installationen in USA nicht, aber es dürfte das selbe sein, nur jeweils mit der halben Spannung. Der Nachteil ist, dass bei der halben Spannung für die selbe Leistung der doppelte Strom fliessen muss und damit die Leitungsverluste doppelt so hoch sind. Dadurch können von der Trafostation bis zu den Haushalten weniger grosse Distanzen überwunden werden. Man muss die Stromversorgung also engmaschiger mit mehr (dafür kleineren) Transformatoren aufbauen damit die Verluste nicht zu gross werden und die Spannung zu stark abfällt.

Antwort 1 Like

D
Dezor

Urgestein

506 Kommentare 226 Likes

Man braucht nur eine Phase, die hat zurm Nullleiter 230 V effektive Spannung. Zwei beliebige Phasen haben zueinander 400 V Differenz als effektive Spannung. Und tatsächlich lag ich mit meinen ca. 320 V für die maximale Spannung Û fast richtig:

Laut Wikipedia werden Häuser bis 100 kW in den USA wohl normalerweise per "Einphasen Dreileiternetz" versorgt. https://de.wikipedia.org/wiki/Einphasen-Dreileiternetz Für größere Verbraucher gibt es dort aber auch etwas ähnliches ...

Antwort 3 Likes

Danke für die Spende



Du fandest, der Beitrag war interessant und möchtest uns unterstützen? Klasse!

Hier erfährst Du, wie: Hier spenden.

Hier kannst Du per PayPal spenden.

About the author

Bernhard Baumgartner

Werbung

Werbung