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How-to-Guide: Grafikkartenkühlung und Wärmeleitpaste optimieren

Wir wollen uns in diesem Artikel nicht nur auf einen Wärmeleitpastenvergleich mit (De-)Montageanleitung beschränken, sondern zeigen, warum manche Karten einfach nicht besser kühlen können und warum man das gesamte Kühlsystem einschließlich der Lüfters...Demontage ohne Depressionen Bevor man schraubt, sollte man beispielsweise mit GPU-Z die Temperaturen im Idle und unter Last über mindestens 30 Minuten hin protokollieren und die Zimmertemepratur notieren. Dies hilft später, das Ergebnis besser einzuo...Testaufbau und Messmethoden Um einen wirklich vergleichbaren Zustand (Umgebungstemperatur, Airflow) zwischen den einzelnen Messungen zu garantieren, verwenden wir im Messraum einen ganz leichten, indirekten Airflow, der die Abwärme am Kartenende un...Wärmeleit-Pads für Fortgeschrittene: Wunder- oder Blendwerk? Kommen wir nun zu dem, was oft genug - auch durch die Industrie - zu Unrecht vernachlässigt wird. Betrachten wir nächst das von XFX auf den Spannungswandlern eingesetzte Tape. Hier handelt...

Demontage ohne Depressionen

Bevor man schraubt, sollte man beispielsweise mit GPU-Z die Temperaturen im Idle und unter Last über mindestens 30 Minuten hin protokollieren und die Zimmertemepratur notieren. Dies hilft später, das Ergebnis besser einzuordnen und mögliche Fehler aufzudecken.

Dinge wie „Ordnung ist das halbe Leben“ verfolgen einen zwar seit Muttis besten Helikopter-Zeiten, aber es ergibt durchaus einen Sinn, seine Schräubchen und abgeschraubten Teile so zu ordnen und abzulegen, dass man die Schlachtkuh später auch wieder gut zusammengeflickt bekommt.

Wir nutzen dafür eine kleine Schraubenkiste mit mehreren Fächern samt Deckel, damit man die Schrauben für außen und innen fein trennen kann. Das hat durchaus einen Grund, denn ab und zu unterscheiden diese sich – wenn auch oft nur unwesentlich, was es letztlich nur schwieriger macht – in Länge oder Durchmesser.

Fast immer ist der eigentliche Kühlkörper mit mindestens vier Schrauben durch die Platine von hinten verschraubt. Enthält dieser noch einen integrierten Heatsink für die Spannungswandler, kommen noch einmal zwei bis drei weitere Schrauben dazu. Es ist wichtig, in diesen Fällen den Kühler erst einmal abzunehmen, bevor man sich weiter der Backplate widmet.

Generell gilt auch für Profis: Alles Schritt für Schritt abfotografieren, wenn man sich nicht zu 100 Prozent sicher ist. Dies hilft auch und vor allem dann, wenn man die Karte nach einem Jahr wegen eines RMA-Falles wieder zuückbauen möchte und mittlerweile fast alle Details vergessen hat. Wer den Kühler wechseln will, tütet alle Originalteile sauber ein und vergisst am besten auch die Beschriftung nicht.

Sind die mit einem Siegel versehenen Schrauben erst einmal ab, gelten die Regeln der jeweiligen Hersteller. Wer lediglich prüfen möchte, ob die Karte ordentlich verschraubt wurde, kann dies dort tun, wo kein Siegel draufklebt. Ist es nicht wirklich fest, dann entweder doch Hand anlegen oder reklamieren – je nach Entscheidungs- bzw. Risikofreudigkeit. Gewarnt haben wir ja.

Die Verschraubung der Backplate ist so eine Sache, denn nicht alle Schrauben sind von der Rückseite zugänglich und entfernbar. Das hat allerdings fast immer technische Gründe und ist keine Schikane des Kunden oder eine speziell ausgedachte Extra-Hürde gegen Schrauber.

Wie man sehen kann, verzichtet XFX in unserem konkreten Fall auf einen inneren Montage- und Kühlrahmen, der als Gewindegegenstück für die Backplate hätte herhalten können. Deshalb sind die Muttern in der Backplatte eingelassen (Bild oben) und verschraubt wird aus Richtung Platinenoberseite (Bild unten). Diese Schrauben sind oftmals kürzer als die für die Spannungswandler auf der Rückseite.

Dies geht natürlich nur, wenn man den ganzen Kühler erst einmal komplett abgenommen hat. Doch auch hier lauern Fallstricke in Form diverser Zuleitungen nebst Steckern. Im Zweifelsfall einfach öfters fotografieren, wenn mehrere ähnliche Kabel nebeneinander eingesteckt wurden. Die sollte man wirklich vorsichtig abziehen, denn die Hersteller machen diese Kabel nie länger als wirklich notwendig und die Stecker sitzen oft sehr straff. Beim späteren Zusammenbau muss man unbedingt darauf achten, dass keine Kabel an den Lüftern schleifen, bevor man die Geschichte wieder verschraubt!

Die meisten Backplates verzichten auf einen thermischen Kontakt zur Platine (was eigentlich bedauerlich ist), sondern besitzen maximal eine isolierende Folierung für den Fall der Fälle, damit es nicht zu möglichen Kurzschlüssen kommt. Doch auch darauf wollen wir später noch eingehen, wenn es darum geht, auch die Komponenten in eine verbesserte Kühlung einzubeziehen.

Merkzettel #4
• Mit z.B. GPU-Z die verschiedenen Temperaturen des Originals protokollieren
• Sicherheitshalber alles und jeden Schritt fotografisch dokumentieren
• Schrauben sortiert und sicher aufbewahren
• Auf alle Verbindungskabel zu Kühlern und LEDs achten
• Keine Gewalt anwenden, wenn einmal etwas festhakt

Warum so pampig? Wir machen erst einmal richtig sauber.

Die Industrie nutzt verschiedene Verfahren, um eine Grafikkarte mit Wärmeleitpaste zu versehen. Oft wird diese bereits vom Kühler-OEM auf den Heatsink aufgebracht (Sieb- bzw. Tampondruck oder weiche Pads von einer Transferfolie) oder aber es wird im Moment der Hochzeit – also dem Aufsetzen den Kühlers auf die Platine – entsprechend portionierte Flüssigpaste verwendet.

Fast immer ist es jedoch zuviel des Guten und im Falle unseres Testobjektes sogar ein wahrer Schmandkuchen! Wir haben für spätere Tests über ein Gramm Wärmeleitpaste aufsammeln können und werden somit auch in der Lage sein, diese bei gleicher Montage und unter identischen Bedingungen mit einem teuren Produkt zu testen und zu vergleichen.

Wie wir sehen können, ist diese Paste so überreichlich verwendet worden, dass der halbe Sockel mit befüllt wurde. Dass dies Nonsens ist, steht außer Frage, gefährlich ist es jedoch nicht. Diese sehr simplen Silikonpasten sind generell nichtleitend und somit ist die Möglichkeit von Kurzschlüssen nicht gegeben.

Trotz allem empfiehlt sich erst einmal eine sehr gründliche Großreinigung, bei der man im ersten Arbeitsgang all das mit einem weichen Tuch abwischt, was sich auch ohne weitere Hilfsmittel entfernen lässt. Beim Heatsink muss man zusätzlich darauf achten, dass hier in diversen Rillen noch Reste der alten Paste verbleiben können, was auch für angeschliffene Heatpipes gilt.

Dies muss definitiv komplett gereinigt werden, da eine Vermischung verschiedener Pasten extrem kontraproduktiv sein kann. Hier helfen verschiedene Reinigungskits aus dem Fachhandel oder im Zweifelsfall sogar der deutlich billigere Isopropylalkohol (2-Propanol), den es beispielsweise bei Amazon oder in Apotheken ab rund vier Euro pro Liter gibt. Auf den verunreinigten, aggressiveren Brennspiritus sollte man dagegen besser verzichten. Gänzlich ungeeignet sind jegliche Azetonreiniger, Nitroverdünnung und der heimische Nagellackentferner, der zwar auch auf 2-Propanol basieren kann, jedoch oft noch weitere Zusätze enthält.

Auch beim Sockel heißt es vorischtig zu sein – vor allem jegliche mechanische Reinigungsaktionen wie Schaben oder Kratzen müssen unterbleiben. Schon das zu starke Reiben mit einem Tuch ist ab einem gewissen Grad bereits gefährlich. Was nicht abgeht, bleibt besser drauf und nur der Chip selbst muss auf Hochglanz poliert werden.

Merkzettel #5
• Alte Paste muss so gut wie möglich ohne Lösungsmittel entfernt werden
• Keine scharfen oder spitzen Gegenstände verwenden, nicht kratzen und schaben
• Geeignete Lösungsmittel sparsam und vorsichtig einsetzen (2-Propanol, Zubehör)
• Keine aggressiven Lösungsmittel verwenden (Nitro, Azeton usw.)
• Im GPU-Sockelbereich Lösungsmittel möglichst vermeiden, keine Pfützen hinterlassen

Perfektes Aufbringen der richtigen Paste

Was ist nun die richtige Paste? Es gibt in den Tiefen des Internet tonnenweise Tests, die sich meist auch noch untereinander deutlich widersprechen. Eigentlich ist jeder dieser Tests, der nicht auch auf die Lüfterdrehzahlen nach der Änderung eingeht bzw. die Temperaturen der anderen Komponenten mit einbezieht, mehr oder weniger wertlos.

Bis auf echte Wasserkühlungen, die ohne Lüfter auskommen, sorgen nämlich die Steuermechanismen aktueller Grafikkarten wie AMDs Power Tune oder Nvidias Boost dafür, dass das Temperaturverhalten der GPU die Lüftersteuerung, die Spannungsregulierung und natürlich auch den Takt maßgeblich mit beeinflusst!

Unterm Strich kann dann bei augenscheinlich gleicher Temperatur plötzlich der Takt länger gehalten werden, oder die Lüfter drehen langsamer oder beides. Außerdem sorgt eine direkte Verringerung der Lüfteraktivität zu einer höheren thermischen Last für andere Komponenten, die dann bei gleicher oder sogar höherer Verlustleistung schlechter gekühlt werden! Gibt’s nicht? Wir zeigen gleich noch, was wirklich passieren kann und was fast alle einfach so mit Nonchalance übergehen.

Die nötige Burn-in-Zeit bis zum Erreichen der besten Performance ist auch so ein Thema, welches fast nie berücksichtigt wird. Wir haben alle Pasten jeweils über eine Gesamtbetriebszeit von 24 Stunden pro Paste erst einmal „einbrennen lassen“, was den Test zwar in die Länge zog, es uns aber wert war. Genau dies würden wir jedem Schrauber ebenfalls ans Herz legen, um die tatsächliche Performance objektiver beurteilen zu können.

Da wir die Klecksmethode und das wechselseitige Festschrauben der vier GPU-Schrauben diagonal über Kreuz generell bevorzugen, ist die Auswahl der zweckmäßigsten Paste eigentlich die wichtigste Aufgabe. Noch einmal: Ein linsengroßer Klecks reicht allemal und es darf an den Seiten auch ein wenig Paste nach dem Festziehen austreten. Besser so, als Leerstellen zu provozieren. Wer den oben beschriebenen Burn-in absolviert hat, sollte dann auch die vier relevanten Schrauben noch einmal prüfen und ggf. nachziehen.

Neben den Grundeigenschaften wie möglichst hoher Wärmeleitfähigkeit (also geringem Wärmewiderstand) spielt nämlich die Konsistenz eine sehr große Rolle. Zähe Pasten mit hoher Viskositiät (z.B. Diamant-Pasten) sind in den Händen von Profis mit viel Erfahrung sicher eine perfekte Nahkampfwaffe für die Abführung der Abwärme, für den Normalanwender sind sie hingegen unkalkulierbar und schwierig in der Handhabung. Um wirklich Erfolg zu haben, müsste man dann eine solche Paste vorwärmen, in ausreichender Menge auf den mit ca. 60 bis 70 Grad vorgeheizten Heatsink aufbringen und sofort alles verschrauben.

Kontrollieren wir uns zwischendurch einmal selbst. Diese beiden Bilder zeigen, dass der weiter oben abgebildete Klecks absolut ausreichend war und kaum etwas über- bzw. ausgetreten ist. Darüber hinaus zeigt er eine sehr dünne und vor allem auch durchgehende WLP-Schicht, was das ganze alberne Gefummel mit Spatel & Co. ad absurdum führt.

Kämen wir zur Gretchenfrage – dem Preis. Nicht alles, was teuer ist und/oder blumig beworben wird, ist wirklich auch geeignet. Die doch relativ geringen Unterschiede im Ergebnis – nämlich dann, wenn man unter angeglichenenen Bedienungen und mit Überprüfung der Lüfteraktivität bewertet – schließen viele Produkte mangels echtem Zugewinn und Mehrwert automatisch aus.

Wir arbeiteten seit Langem (fast drei Jahre) ausschließlich mit der Gelid GC Extreme und haben jede neu getestete Wärmeleitpaste auch auf die Eignung für unsere Testsysteme hin überprüft. Die deutlich teurere Kryonaut von Thermal Grizzly hat die GC Extreme mittlerweile zwar in unseren Grafikkartentestsytemen abgelöst, ist aber eben auch ein kleiner, fieser Preisbolzen.

Da man jedoch für den Umbau einer Grafikkarte deutlich weniger als die in der kleinsten Tube enthaltene Menge benötigt, relativiert sich das allerdings schnell wieder. Die Kryonaut ist beispielsweise etwas dünnflüssiger bzw. geschmeidiger als die GC Extreme, reißt dabei jedoch nicht auf und ist somit auch eine gut geeignete Kandidatin für sehr glatte Kühlerböden. Wir würden sie für alle Arten von Heatsinks und DHT-Böden (direktaufliegende, angeschliffene Heatpipes) guten Gewissens empfehlen, obwohl es mit Sicherheit auch passende Alternativen gäbe.

Merkzettel #6
• Nur nichtleitende, nicht zu zähe Pasten verwenden
• Die Paste sollte eine möglichst kurze Burn-in-Zeit aufweisen
• Werbeaussagen auf Wärmeleitfähigkeit sind oft irreführend – also hinterfragen
• Verschiedene Produkttests lesen und die Qualität der Reviews prüfen
• Nicht alles, was teuer ist, ist auch wirklich gut
• Klecksmethode mit einer nicht zu zähen Paste verwenden
• Diagonales und schrittweises Festschrauben über Kreuz

Montage und Funktionstest

So gerüstet begeben wir uns in exakt umgekehrter Reihenfolge wieder an den Zusammenbau und vergessen vor allem die Lüfterkabel nicht. Nach einer gründlichen Sichtprüfung, für die man auch auf die empfohlenen Fotos zurückgreifen kann, erfolgt der erste elektrische Funktionstest ohne Last. Mit Tools wie GPU-Z lassen sich die Temperaturen zunächst im Idle gut testen und mitprotokollieren.

Wir nutzen unsere Wärmebild-Kamera mit Warnfunktion für auftretende HotspotsWir nutzen unsere Wärmebild-Kamera mit Warnfunktion für auftretende Hotspots

Bei identischer Raumtempratur sollte die GPU-Temperatur nicht schlechter ausfallen. Falls doch, dann hat man etwas falsch gemacht und darf noch einmal zurück auf Null. Wenn nicht, kann man schrittweise die Last steigern und die Temperaturen ebenfalls mit dem Zustand vor der Aktion vergleichen. Wer geringere Lüfterdrehzahlen feststellt, sollte im Zweifelsfall die Lüfterkurve den neuen, niedrigeren Temperaturen anpassen und die Drehzahlen auf den vorigen Wert unter Last anheben. Warum diese Anpassungen so wichtig sind, werden wir gleich noch sehen.

Merkzettel #7
• Ausführlicher Sichttest nach fertiger Montage
• Funktionstests ohne Last
• Nacharbeit bei festgestellten Fehlern oder Mängeln
• Vergleich der protokollierten Temperaturen bei steigenden Lasten bis hin zum Stresstest
• Burn-in über mehrere Stunden
• Nachziehen nach dem Burn-in nicht vegessen!

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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