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Grafikkarte gegen Netzteil – Grundlagen, Fehlerursachen und richtige Netzteilbemessung

Wie man die Grafikkarte richtig berechnet

Wozu ich jedoch raten würde, ist eine emotionslose und in der Praxis auch deutlich differenzierte Betrachtung der möglichen Leistungsaufnahme bzw. das Fließen von Strömen an den einzelnen Rails. Die reine TBP (Typical Board Power) als Grundlage für eine Netzteilberechnung zu nehmen, wäre reichlich blauäugig und es zeigt sich plötzlich, warum Grafikkartenhersteller oft deutlich höhere Werte veranschlagen. Das ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Netzteilindustrie, sondern reine Vorsicht.

Man kann ohne ein wirklich detailliertes Review auf diesem Gebiet natürlich sehr schlecht abschätzen, wo die Leistungsspitzen liegen und wie lang die Intervalle der Spitzenwerte überhaupt sind. Die Einbeziehung der Transienten ist aber unerlässlich für den sicheren Betrieb, denn wenn die Hersteller von Netzteilen eines mit spitzem Stift kalkulieren, dann sind es die teuren Kondensatoren. In der nachfolgenden Übersicht, wie ich sie in meinen Grafikkarten-Reviews verwende, erfasse ich die Lastwechsel nach Länge und Maximalwert. Hier einmal exemplarisch für eine aktuelle AMD-Grafikkarte:

Für die oben im Gaming-Loop mit dem BIOS 1 ermittelten ca. 256 Watt ergeben sich die folgenden Lastspitzen (je nach Dauer):

Spitzen mit Intervallen zwischen 1 bis 10 ms können bei sehr schnell reagierenden Schutzschaltungen (OPP, OCP) vor allem bei Multi-Rail-Netzteilen zu Abschaltungen führen, obwohl die durchschnittliche Leistungsaufnahme noch in der Norm liegt. Für diese Karte würde ich deshalb mit knapp 350 Watt für die Grafikkarte als solche kalkulieren, um genügend Reserven für den Fall der Fälle zu besitzen. Einen kurzen Auszug mit höher Auflösung zeigen uns nun die 20-ms-Intervalle, wie ich sie automatisiert zur Wertermittlung laufen lasse:

13 Gaming Power Consumption Zoom

 

Fazit

Die ganz kurzen Lastspitzen kann man getrost beiseite legen und man sollte sich wirklich nur über Werte Gedanken machen, die über ein bis zwei Millisekunden liegen. Übrigens nicht nur wegen der möglichen Abschaltung des Netzteils durch einen Schutzmechanismus, sondern auch wegen der Haltbarkeit. Je hektischer so ein Grafikbeschleuniger am Netzteil saugt, umso schneller kommen die Sekundärkondensatoren in den Bereich der Pflegeversicherung. Wer dann am Ende spart, ist falsch beraten.

So etwas wie 100% japanische Kondensatoren ist natürlich auch Humbug, denn selbst die großen Japaner fertigen mittlerweile meist auch in China. Man sollte sich also erst einmal ein wirklich gutes Netzteilreview anschauen, wo auch auf die Spezifikationen der Sekundärbeschaltung eingegangen wird. Komponenten machen den Unterschied, nicht irgendwelche (geschönten) Messkurven. Schlecht beraten ist, wer knapp auf Kante kalkuliert und hofft, es würde schon irgendwie gutgehen.

Ich würde also empfehlen, bei Leistungsaufnahmebereichen der Grafikkarte zwischen  150 und 200 Watt TBP um die 50 Watt mehr Spielraum mit einzukalkulierten und darüber bei High-End-Systemen ab ca. 200 Watt einfach noch zur Sicherheit stets 100 Watt Reserve draufzuschlagen. Damit sollten die Eigenheiten von AMD- und Nvidia-Karten gut abgedeckt werden und man muss sich nicht stundenlang mit Komponentenkontrolle beschäftigen. Hier sind perspektivisch eigentlich auch die Kollegen gefordert, die Grafikkarten testen, denn die Erfassung derart wichtiger Werte ist ja nun wahrlich kein Hexenwerk.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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