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Grafikkarte gegen Netzteil – Grundlagen, Fehlerursachen und richtige Netzteilbemessung

Das Thema ist fast so alt wie Braunkohle und ich habe in den letzten Jahren nicht nur einen Artikel dazu verfasst. Allerdings häuft sich immer wieder das Feedback derer, die Hilfe suchen und gern alles noch einmal übersichtlich zusammengefasst und aktualisiert sehen möchten. Dem werde ich mich natürlich nicht verschließen und die gesamte Thematik neu gliedern und auch allgemeinverständlicher überarbeiten. Etwas Theorie kann ich jedoch nicht vermeiden, auch wenn ich versuche, dies alles auf ein erträgliches Minimum zu reduzieren.

Natürlich werden hier und da auch einige Details verloren gehen, aber oft verwirrt vieles nur, von dem man selbst glaubt, dass es unabdingbar sei. Doch basierend auf all den Fragen, die mich per Mail und Messenger immer wieder von Lesern und YouTube-Konsumenten erreichen, habe ich nach einem gangbaren Kompromiss aus Tiefe und Verständlichkeit gesucht und hoffe, das einigermaßen gut getroffen zu haben.

Lastwechsel-Weltmeister: Kepler-Chips von Nvidia

Denn man kennt und hasst ihn, den geliebten Moment, wo ein Netzteil mitten im Spiel plötzlich abschaltet, obwohl es neu ist und auch sonst keine Auffälligkeiten zeigt. Der Ärger der Anwender wird dann noch umso größer, wenn man glaubt, die Netzteilgröße auch richtig berechnet zu haben. Doch reicht das, was die Hersteller von Grafikkarten oder Netzteilen als Leistungswert angeben? Bei Netzteilen kann man sich da schon relativ sicher sein, aber was ist eigentlich mit den Grafikkarten?

Schaltet deutlich verhaltener als Kepler und Pascal: Nvidias aktuelle Turing-Karten

Und man amüsiert sich im Gegenzug auch immer über die Netzteilrechner der Grafikkartenanbieter, die oft genug viel höhere Werte als das ausspucken, was man in den normalen Messungen so findet. Wer meine Grafikkarten-Tests kennt, der weiß allerdings auch, dass ich immer auch die sogenannten Spikes (<20 ms) mit angebe, diese deutlich höheren Werte aber auch gern relativiere. Denn moderne Netzteile sollten solche sehr kurzen Lastspitzen eigentlich locker wegstecken können. Sollten.  Doch können sie das wirklich?

AMDs Navi-Karten- wie die Sapphire RX 5700 XT Nitro Plus- erzeugen ebenfalls dicke, fette Spikes

Und vor allem berührt uns ja eine Frage: wie lange ? Und was bitte unterscheidet jetzt ein Spiel von einer Dauerlast wie z.B. Berechnungen oder ein Stresstest? Genau dieser Frage gehe ich jetzt nach, da sich scheinbar und leider sonst niemand wirklich im Detail darum kümmert. Und was ist eigentlich mit den in den Netzteilen verbauten Schutzschaltungen?

Die Telemetrie aktueller Grafikkarten

Nvidias Boost und AMDs Power Tune sind hochkomplexe Gebilde, die es ermöglichen sollen, die maximale Grafikperformance bei möglichst minimaler Leistungsaufnahme und der entstehenden Nebenwirkungen wie z.B. die Abwärme zu erreichen. Auch wenn es bei den Details und der technischen Umsetzung zum Teil doch erhebliche Unterschiede gibt, sind sich beide Mechanismen doch im schematischen Aufbau doch recht ähnlich. Denn die Grafikkarten sind leider nicht mehr die geduldigen “Verbraucher”, die sie vor wenigen Jahren noch waren.

Das Hauptanliegen besteht bei beiden Anbietern darin, die Kernspannung der GPU in Echtzeit möglichst so anzupassen, dass nur so viel Leistung zugeführt wird, wie man für die aktuelle Auslastung der GPU und das Erreichen der optimalen Taktrate auch wirklich benötigt. Nennen wir einfach einmal Spannungskurve. Bei Nvidias Boost haben wir die einzelnen Boost-Steps  samt Vorgabespannung hinterlegt, wobei der Takt der untersten Boost-Stufe durch einen sogenannten Offset verschoben bzw. festgelegt wird und sich der Rest dann aus den Berechnungen des Arbitrators ergibt. Bei AMD legt man die Taktraten und Spannungen für einige vorgegebene DPM-States fest, was deutlich ungenauer ist, aber am Ende so ähnlich funktioniert.

Die Firmware schätzt in sehr kurzen Intervallen ständig den Energieverbrauch (quasi in Echtzeit), fragt gleichzeitig die ganzen Sensoren sowie die GPU-Vorhersage ab und bezieht die Telemetrie-Daten des Spannungsreglers mit ein. Diese Werte werden an den vorprogrammierten DPM (digitales Power-Management) Arbitrator (Mittler) gesendet. Dieser Regelkomplex kennt auch die Power-, thermischen und Stromstärken-Limits der GPU (BIOS, Treiber), die er aus den jeweiligen Registern auslesen kann. Innerhalb dieser Grenzen kontrolliert er nun also alle Spannungen, Taktfrequenzen sowie die Lüftergeschwindigkeiten und versucht dabei stets, die maximale Performance aus der Karte herauszuholen. Wenn auch nur eine der Eingangsgrößen überschritten wird, kann der Mittler Spannung oder Takt zurücknehmen.

Dreh- und Angelpunkt: die Spannungswandler und deren Steuerung

Jetzt will ich mich natürlich nicht genüsslich in technischen Details festfressen, die die meisten wohl eh langweilen würden, aber ein wenig abtauchen müssen wir zum besseren Verständnis dann wohl doch. Aber keine Angst, es bleibt verständlich genug. Kommen wir deshalb jetzt direkt zu den so wichtigen Spannungswandlern (Schema oben, rechts)! Egal, wie viele Phasen erst einmal angesteuert und vielleicht auch intelligent ausbalanciert werden müssen, einen Wert braucht so ein PWM-Controller als Rückmeldung von jedem einzelnen Regelkreis (jeder Phase): den aktuellen Stromfluss (current).

Ein Schlagwort hatte ich mit Balancing schon angeteasert, das zweite kommt jetzt: DCR (Direct Current Resistance). Am Ende weist jedes Bauelement diesbezüglich ja ganz bestimmte Charakteristika auf. Um es aber einmal abzukürzen. DCR ist die Basis, um Temperaturen und Ströme zu kalkulieren. Doch wie erfährt der Controller nun genau, welche Ströme in welchem Regelkreis fließen? Das Monitoring kann unterschiedlich sein, denn es gibt – wen wundert es – verschiedene Methoden dafür. Da liest man auch oft etwas von den sogenannten Smart Power Stages (SPS) und der sogenannten MOSFET DCR.

Das Bild unten zeigt das typische Layout mit den intelligenten SPS, die für jeden einzelnen Regelkreis mit IMON den Wert für die Stromstärke (current) liefern, den man für das perfekte Balancing, also das Gleichgewicht zwischen den Phasen, so dringend braucht. Wie die SPS diesen Wert ermitteln? Es werden die Drain-Ströme der MOSFETS in Echtzeit gemessen und diese Werte sind zudem auch extrem genau (im Beispiel oben 5 μA/A Signal).

Diese sehr kostenintensive Lösung ersetzt die deutlich günstigere Inductor DCR, also eine Strommessung über den induktiven Widerstand der jeweiligen Filterspulen im Ausgangsbereich. So eine Lösung verwendet Nvidia zum Beispiel für preiswerte Karten (Symbolbild unten), wo es etwas gemächlicher beim Stromfluss zugeht. Die Genauigkeit dieser Lösung ist allerdings deutlich geringer und wird zusätzlich noch durch Schwankungen der Bauelemente-Güte sehr stark beeinflusst.

Für die Interessierten gibt es vorab noch einmal das Messequipment, das mich täglich beim Messen begleitet:

Testsystem und Aufbau

Eleganter Übergang und auch ein Ausblick auf das Testsystem, das noch auf den Sockel 1151 samt Z390 setzt. So gesehen bleibt also alles beim Alten.

Symbolic Picture from igorsLAB: GPU, Motherboard and CPU Testing

Der Ausbau mit 32 GB ist neu und passt zum Gesamtsystem. Dieses habe ich tabellarisch noch einmal im Detail aufgelistet:

Test System and Equipment
Hardware:

Intel Core i9-9900 K
MSI MEG Z390 Godlike

4x 8GB G.Skill FlareX DDR4 3200
1x 2 TByte Aorus (NVMe System SSD, PCIe Gen. 4)
1x Seagate FastSSD Portable USB-C
Seasonic Prime 1200 Watt Titanium PSU

Cooling:
Alphacool Eisblock XPX (1151)
Alphacool Eiswolf (modified)
Thermal Grizzly Kryonaut
Case:
Lian Li T70, Raijintek Paean
Open Benchtable
Monitor: BenQ PD3220U
Power Consumption:

Non-contact direct current measurement on PCIe slot (riser card)
Non-contact direct current measurement at the external PCIe power supply
Direct voltage measurement at the respective connectors and at the power supply unit
2x Rohde & Schwarz HMO 3054, 500 MHz multichannel oscilloscope with memory function
4x Rohde & Schwarz HZO50, current clamp adapter (1 mA to 30 A, 100 KHz, DC)
4x Rohde & Schwarz HZ355, probe (10:1, 500 MHz)
1x Rohde & Schwarz HMC 8012, digital multimeter with memory function

Thermal Imager:
1x Optris PI640 + 2x Xi400 Thermal Imagers
Pix Connect Software
Type K Class 1 thermal sensors (up to 4 channels)
Acoustics:
NTI Audio M2211 (with calibration file)
Steinberg UR12 (with phantom power for the microphones)
Creative X7, Smaart v.7
Own anechoic chamber, 3.5 x 1.8 x 2.2 m (LxTxH)
Axial measurements, perpendicular to the centre of the sound source(s), measuring distance 50 cm
Noise emission in dBA (slow) as RTA measurement
Frequency spectrum as graphic
OS: Windows 10 Pro (1909, all Updates)

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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