Im Rahmen der „Google Cloud Next ’25“-Veranstaltung hat Google mit dem Ironwood AI Accelerator seine neueste Generation spezialisierter Rechenbeschleuniger vorgestellt. Es handelt sich um den ersten TPU-Chip des Konzerns, der von Grund auf für Inferenzaufgaben optimiert wurde. Während Trainingseinheiten bislang das Hauptaugenmerk der Chipentwicklung darstellten, verlagert sich der Fokus zunehmend auf Inferenzprozesse – ein Bereich, den Google als die nächste Entwicklungsstufe der KI-Industrie identifiziert hat.

Technisches Fundament: Von Trillium zu Ironwood
Ironwood basiert auf einer vollständigen Überarbeitung der Architektur. Der Chip bringt im Vergleich zur vorherigen Trillium-Generation eine Reihe tiefgreifender Veränderungen mit. Besonders auffällig ist der massive Ausbau des High Bandwidth Memory (HBM), der pro Chip nun 192 GB beträgt – ein sechsfacher Anstieg im Vergleich zum Vorgänger. Damit verbunden ist eine signifikante Erhöhung der Speicherbandbreite auf 7,2 TB/s, was wiederum eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung großer Modelle und Datenmengen spielt. Der Austausch zwischen den Speicherbänken erfolgt dadurch mit erheblich geringerem Latenzaufwand, was in der Praxis für spürbare Effizienzsteigerungen sorgt. Die Inter-Chip Interconnect (ICI)-Bandbreite wurde auf 1,2 Terabit pro Sekunde verdoppelt. Diese Schnittstelle, intern auch als Rückgrat der verteilten KI-Verarbeitung bezeichnet, ermöglicht eine schnellere Kommunikation zwischen den Chips, was für große Inferenz-Cluster essenziell ist. Die Effizienz pro Watt wurde im Vergleich zur vorherigen TPU-Generation laut Google verdoppelt – eine Angabe, die zumindest auf dem Papier das Energie-zu-Leistungs-Verhältnis drastisch verbessert.

Skalierung und Clusterarchitektur: 9.216 Chips und 42,5 Exaflops
Ironwood soll in zwei Ausbaustufen verfügbar sein: einer Konfiguration mit 256 Chips für kleinere bis mittlere Inferenzaufgaben sowie einer Maximalkonfiguration mit 9.216 Chips. Letztere soll angeblich eine Rechenleistung von 42,5 Exaflops erzielen. Zum Vergleich: Der derzeit leistungsstärkste Supercomputer der Welt, El Capitan, soll laut öffentlich zugänglichen Quellen auf eine Peak-Leistung von knapp 2 Exaflops kommen. Die Ironwood-Cluster wären demnach rein rechnerisch 24-mal schneller, sofern Googles Angaben der Realität standhalten – was bislang allerdings keiner unabhängigen Verifizierung unterzogen wurde. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um einen klassischen Supercomputer im Sinne traditioneller HPC-Anwendungen, sondern um eine strikt auf KI-Inferenz ausgelegte Infrastruktur. Relevanz erhält dieser Vergleich dennoch, da er die zunehmende Dominanz von KI-spezifischer Hardware gegenüber klassischen Allzwecksystemen unterstreicht.
Strategische Bedeutung: Kampfansage an NVIDIA
Mit Ironwood positioniert sich Google deutlich gegen die Vormachtstellung von NVIDIA im KI-Bereich. Während NVIDIA mit seinen H100- und bald erscheinenden B100-GPUs weiterhin den Großteil des Marktes bedient, versuchen Cloudanbieter wie Google, Amazon und Microsoft zunehmend, durch Eigenentwicklungen eine kosteneffizientere und speziellere Alternative zu bieten. Amazon setzt hierbei auf die Graviton- und Trainium-Serien, Microsoft hat jüngst mit dem Maia 100 einen ersten Schritt in Richtung hauseigene KI-Hardware unternommen. Googles Schritt mit Ironwood zeigt, dass der Trend zur vertikalen Integration – also Hard- und Software aus einer Hand – weiter Fahrt aufnimmt. Die Zeiten, in denen sich große Cloudanbieter vollständig auf Drittanbieter-GPUs verlassen haben, scheinen sich ihrem Ende zu nähern.
Ausblick: Inferenz statt Training als neues Paradigma?
Die Entscheidung, Ironwood primär auf Inferenzaufgaben auszurichten, ist nicht zufällig. Während das Training großer Sprachmodelle nach wie vor immense Rechenressourcen erfordert, liegt das zukünftige Volumen der KI-Anwendungen klar im Bereich der Echtzeitauswertung und -antwort – also dort, wo Inferenzchips glänzen. Hier zählt vor allem Energieeffizienz, Durchsatz und Latenz – alles Parameter, die sich mit klassischen GPUs oft nur suboptimal abbilden lassen.Mit Ironwood adressiert Google genau diese Anforderungen – in einer Größenordnung, die auch wirtschaftlich relevant sein dürfte. Ob die Chips allerdings flächendeckend in Googles Cloudangebot integriert werden oder zunächst nur wenigen Großkunden vorbehalten bleiben, ist bislang unklar. Ebenso fehlen derzeit belastbare Informationen zur tatsächlichen Verfügbarkeit, Produktionskapazität und Skalierbarkeit der Plattform. Ironwood markiert einen weiteren Meilenstein in Googles Bemühungen, sich technologisch unabhängiger zu positionieren und gleichzeitig die wachsenden Anforderungen moderner KI-Systeme besser zu bedienen. Ob die versprochenen Leistungswerte in der Praxis gehalten werden können, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Die Zeiten, in denen NVIDIA die alleinige Kontrolle über den Markt der KI-Beschleuniger hatte, sind gezählt – zumindest in der Theorie. In der Praxis steht nun der Härtetest an.
Source: Youtube
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