Nichts ist besser als noch mehr Pixel
Wenn man sich vor Augen hält, wie hoch (oder besser niedrig) die Auflösung herkömmlicher Infrarot-Kameras eigentlich ist und wie groß die zu überwachende Fläche samt vieler, oft sehr winziger Details (z.B. Pins), dann wird man sehr schnell begreifen, das viele Messungen gar nicht genau sein können – auch wenn man guten Glaubens ist, es wäre so. Genau diesem Irrglauben ist der Kollege auf dem Introbild erlegen, der einen Infrarot-Aufsatz mit einem kleinen, winzigen Bolometer nutzt.
FLIR bietet mittlerweile recht günstige Bolometer an, die aber mit 80 x 60 Pixeln jedoch keine wirklich brauchbare Auflösung bieten, aber immer dann verbaut werden, wenn es möglichst preiswert und klein sein muss (siehe Bild oben). Da muss dann, wie im ersten Slider nachgestellt, sehr extrem interpoliert werden, will man eine größere Fläche darstellen. Die Übergangsstellen und fehlenden Pixel werden ganz einfach hochgerechnet, wobei fast alle Details auf der Strecke bleiben. Das ist weder brauchbar, noch ehrlich, aber dazu komme ich gleich noch. Exemplarisch für den extremen Informationsverlust ist z.B. links der Hotspot beim Shunt der Spannungsversorgung. Aber wenn man hier mal genauer hinschaut, dann merkt man schon, dass so etwas nicht mehr als Messung durchgehen kann.
Doch die Hersteller der Geräte mit den winzigen Bolometern sind clever, denn mit so einem „Bild“ kann man keine Käufer anlocken und abzocken. Deshalb verwenden viele der Anbieter neben einer anderen, viel bunteren Farbskala vor allem den Trick mit der sogenannten Superposition. Hier wird sehr oft das Bild einer normalen und günstigen Schwarz-Weiß-Kamera mit VGA-Auflösung (640 x 480 Pixel) mit dem interpolierten Resultat des kleinen Bolometers (80 x 60 Pixel) überlagert. Mit einfachen Algorithmen rechnet der Bildprozessor die Konturen des VGA-Bildes heraus und mischt beide Bilder. Der nachfolgende Slider zeigt, wie plötzlich ein vermeintlich detailreiches Bild entsteht, das aber nur auf 80 x 60 echten Messpunkten basiert, die dann aber im Resultat allesamt ungenau sind:
Wir sehen, es ist immer noch der gleiche Unfug, aber es sieht gleich 1000 Euro teurer aus und soll die Kunden beeindrucken. Viel Lärm um nichts, aber gern verwendet, leider. Der nächste Slider zeigt uns abschließend, wie genau so ein 480p-Bolometer die Daten erfassen kann, denn selbst die kleinen Lötpunkte (Metall) sind deckungsgleich zur VGA-Grafik, die man hier überhaupt nicht benötigt!
Extreme Messfehler durch zu niedrige Auflösung
Leider kann man mit niedrigauflösenden Kameras nicht so weit an das zu messende Objekt herangehen, wie man es eigentlich gern hätte, um trotzdem bestimmte Details besser erfassen zu können. Hier sind durch die jeweilige Optik sehr harte physikalische Grenzen gesetzt. Wir nutzen bei unseren Messungen je nach Messobjekt, Detailgrad und Objektiv Abstände zwischen 10 und 150 cm. Selbst mit Kameras, die lediglich eine 320p-Auflösung bieten, kann man noch einigermaßen exakt messen, solange die Optik und der Abstand stimmen. Das Rechteck zeigt den erfassten Bereich, für den so eine Kamera noch einen brauchbaren Mittelwert errechnet und ausgibt.
Bei noch viel kleineren Auflösungen wird es allerdings kritisch. Will man die gesamte Karte erfassen, dann erfasst man ungewollt auch deutlich kältere Bereiche (Pins und Lötaugen mit merklich niedrigerem Emissionsgrad), so dass die ausgegebene Durchschnittstemperatur stets deutlich zu niedrig ausfällt. Nur merkt es der Messende gar nicht! Die so gewonnenen Werte sind so ungenau, dass es keine Messung mehr ist, sondern maximal noch eine Art Schätzung.
Im direkten Vergleich zwischen einem Handheld mit briefmarkengroßem Bild und der hochauflösenden Kamera können trotz Emissionsgrad-Vorgabe bei den VRM locker schon mal bis zu 10 °C Messunterschied (und mehr) herauskommen, wenn man keine wirklich zielsichere Hand hat. Ich habe ja oft genug bereits beschrieben, wie so eine Infrarotkamera funktioniert und wie die verbaute Matrix auf Wärmestrahlung reagiert. Deshalb sparen wir uns diesen Teil an dieser Stelle.
Auf der nächsten Seite wollen wir uns aber generellen Fehlern widmen, die man immer wieder bei Messungen sieht und die zu sehr ungenauen oder nicht verwertbaren Ergebnissen führen können. Ich schrieb ja bereits über Brechung, Beugung und andere Dinge und bat Euch auch, sich das einmal zu merken.
- 1 - Grundlagen und etwas vereinfachte Theorie
- 2 - Messen statt schätzen: die hochauflösende Wärmebild-Kamera
- 3 - Eine gute Auflösung ist die halbe Miete
- 4 - Mirroring, Winkel und Raumtemperatur
- 5 - Unterschätzt oder missachtet: Emissionsgrade in der Praxis
- 6 - Durchblick durch Transmission
- 7 - Testsystem und Zusammenfassung
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