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Gehört, zerlegt und mit Bravour bestanden: Beyerdynamic A20 als (nahezu) perfekter Kopfhörerverstärker

Tear down und Schaltungsanalyse

Zunächst löse ich die vier Schrauben in den Füßen des A20, so dass man den Deckel abnehmen kann. Die Erdung, bei der man die interne Verschraubung am Gehäuse auch smarter hätte lösen können, indem man die Schraube von innen nach außen führen und dort noch eine externe Erdungsschelle hätte anbieten können, umfasst den Anschluss am Erdleiterkontakt der Kaltgerätebuchse, das Gehäuse samt Aluminium-Unibody und den separat ansteckbaren Kontakt am Deckel. Der Netzeingangsbereich ist sauber auf einer separaten, braunen Platine gelöst, die gleichzeitig auch den analogen Ein- und Ausgang mit den insgesamt vier Cinch-Buchsen trägt. Doch dazu gleich mehr.

Beyerdynamic setzt im Eingangsbereich der Spannungsversorgung auf das klassische LC-Glied aus Spule und Kondensator zur Filterung netzseitiger Spitzen. Eine physikalische Netztrennung existiert jedoch nicht. Als Sandwich sitzt dann auf diese Platine ein dediziertes, Full-Range-Schaltnetzteil (110 bis 220V, 50 bis 60 Hz), das ein OEM-Zukauf von Cincon Electronic Co. LTD ist. Die leere Platine dieses Netzteils selbst kommt übrigens von Dongguan Shenchuang Electronic Technology Co Ltd. gleich nebenan. Insgesamt werden im A20 drei Schienen genutzt: 5 Volt für den Schaltbereich und symmetrische +15/-15Volt für die Speisung des eigentlichen Verstärkerteils.

 

Nun wird es etwas tricky, den die Standby-Schaltung auf der grünen Verstärkerplatine setzt mit dem LM393 auf einen Dual-Komparator, den man immer gern dann nutzt, wenn irgendwelche Impulse einen Schaltvorgang auslösen sollen. Mit dem HC4040M geht man ebenfalls einen interessanten Weg, denn einen 12-Stage Binary Counter habe ich bisher auch noch nicht im Spannungsversorgungsbereich eines Verstärkers gesehen. Beide Chips stammen übrigens von Texas Instruments. Beim A20 kommt zudem ein Relais von Omron zum Einsatz, um die Kopfhörer verzögert zu- und sofort abzuschalten, wenn sich der Betriebszustand ändert. Damit verhindert man das typische „Knallen“ beim Ein- und Ausschalten.

 

Das analoge Signal gelangt von der Eingangsplatine (siehe oben) zur eigentlichen Verstärkerplatine. Dort sorgt zunächst ein sehr ordentlicher MC33078 (ebenfalls von Texas Instruments) für ausreichend „Vortrieb“. Dabei handelt es sich um einen bipolaren Dual-Operationsverstärker für den bevorzugten Einsatz in hochwertigen Audio- und Datensignalanwendungen.

Er bietet niedrige Rauschwerte, eine hohe Verstärkungsbandbreite und zudem auch eine hohe Slew-Rate, also die maximale Anstiegs- oder Abfallgeschwindigkeit der Ausgangsspannung. Er überzeugt durch geringe harmonische Verzerrungen, eine hohe Verstärkung sowie einen großen Ausgangsspannungsbereich ohne spürbare Deadband-Crossover-Verzerrung. Diese entsteht übrigens immer dann, wenn die Signalspannung so gering ist, dass in Gegentaktendstufen keiner der Transistoren mehr leitfähig ist. Dieses typische Problem bei der Konzipierung solcher Schaltungen sollte nie außer Acht gelassen werden.

Apropos Endstufe… Beyerdynamic setzt beim A20 auf eine sehr klassische AB-Gegentaktendstufe in diskreter Bauweise. Mit zwei SMD-Transistoren (ich vermute da sogar die klassische Komplementär-Endstufe) pro Kanal bringt man es im Anschluss an den MC33078  auf eine ordentliche Ausgangsleistung, die mit 170 mW an 250 Ohm bzw. 100 mW and 600 Ohm noch so hoch ist, dass einem bedarfsweise das Kleinhirn wegschmilzt. Die Reserven sind jedenfalls grandios und von Verzerrungen hört man weit und breit nichts. Man hat zudem auch nicht mit Dioden gespart, wobei es sich überwiegend um die BAV99 handeln dürfte, den Klassiker in Dual-Design schlechthin (Bild unten links).

Diese Allzweckwaffe erzeugt z.B. den Ruhestrom beider Transistoren zur Verringerung der nichtlinearen Verzerrungen im AB-Betrieb und dient zusammen mit den Emitterwiderständen auch der thermischen Kompensation (positive Gegenkopplung, Absinken der Verstärkerleistung bei Erhitzung). Es gilt wie bei jeder AB-Endstufe natürlich auch noch das Gesetz der Kette mit dem schwächsten Glied. Der Transistor mit der etwas niedrigeren Stromverstärkung erzeugt nämlich den etwas niedrigeren Kollektorstrom und bestimmt somit die Größe des Ruhestromes durch beide Transistoren. Diese Asymmetrie wäre dann zusätzlich der hörbare Auslöser für nichtlineare Verzerrungen (Klirrfaktor), wäre da eben nicht die sehr hohe Gegenkopplung, die dies alles wieder richtig gut kompensiert.

 

Im Ausgangszweig zwischen Endstufe und Kopfhöreranschluss befindet sich in jedem der Kanäle noch ein 100-Ohm-Längswiderstand. Damit wird die Geschichte auch bei vollem Pegel absolut kurzschlusssicher und es harmoniert zudem gut mit der thermischen Kompensation in der Beschaltung mit den sehr niederohmigen Emitterwiderständen (siehe oben), zumal man mit einer für Kopfhörerverstärker auch sehr hohen Betriebsspannung arbeitet.

Für die Lautstärkeregelung setzt man im Vorverstärker auf ein Modell mit sehr guten Gleichlauf-Eigenschaften über den gesamten Regelumfang hin. Das sollte vor allem den „Leisehörern“ entgegenkommen. Eine Balance-Regelung gibt es hingegen nicht. Insgesamt kann die Platine nicht nur bei der Bestückung, sondern beim Layout und der Nutzung der freien Flächen zur Abschirmung überzeugen. Ein Übersprechen findet faktisch nicht statt und auch der Fremdspannungsabstand setzt hier definitiv Maßstäbe. Und ein Grundrauschen? Vergesst es, es gibt keins.

Womit wir hier fürs Erste durch wären und ich das Teil wieder zusammenschrauben kann. Kommen wir nun als Nächstes noch zum Hörtest, denn irgendworan (außer an diesen appetitlichen technischen Details) muss sich der Gegenwert ja dann auch noch festmachen lassen.

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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