Was Ihr immer schon einmal über Wäremeleitpaste wissen wolltet, aber nie belegbar beantwortet wurde: Wie verhält sich so eine Paste unter Erwärmung und was passiert, wenn man sie mehrmals unter dem üblichen Druck aufheizt und abkühlt? Völlig anders, als die meisten denken! Deshalb will ich Euch heute zeigen,welche Fallstricke beim Testen von Paste lauern können und was passieren kann, wenn manche Einflüsse gar nicht bekannt sind. Das war auch für mich ein recht langer Weg zur Erkenntnis, dessen Ergebnisse ich aber gern teile. Denn plötzlich merkt man, dass alles doch viel komplexer ist, als es vielleicht scheint. Und es hält sich ja auch immer noch die Urban Legend, dass die Schichtstärke (Bondline Thickness oder kurz auch BLT) einer Wärmeleitpaste umso dünner wird, je wärmer die Paste ist und dass man nur lange genug heizen muss, um eine Paste quasi einzubrennen.
Das werde ich heute anhand zweier sehr unterschiedlich gebauter Pasten widerlegen. Dabei habe ich noch nicht einmal extreme Pasten herausgesucht, sondern nur einen teuren Blender in Form der Thermal Hero Quantum und einer soliden Budget-Paste in Form der Thermalright TF8. Außerdem werden wir sehen, wie sich billig zusammengemixte Wärmeleitpasten bereits nach wenigen Intervallen des Erwärmens und Abkühlens gravierend verändern und wo dann der gefürchtete Pump-Out-Effekt wirklich herkommt.
Wichtiges Vorwort
Mir geht es heute darum, Effekte zu zeigen, die man ohne Equipment und lange Messreihen in ihrer Entstehung nicht mitverfolgen kann, wohl aber die Folgen als Endergebnis kennt. Dieser Artikel ist als sensibilisierender Hinweis und Hilfestellung dafür gedacht, was man auch mit einfachen Testaufbauten auf einer CPU oder GPU anders und sicher auch besser machen könnte. Ich habe selbst lange so gemessen, allerdings auch vor 7 Jahren schon in mindestens 3 Zyklen, weil mir bestimmte Verhaltensmuster aufgefallen sind, deren Entsteheung ich aber damals nicht beantworten konnte. Aber eine frische Paste nur einmal zu messen muss eigentlich schiefgehen und ich werde heute auch belegen, warum.
Alterung und Degradation entstehen nicht erst nach Wochen, sondern bereits ab dem zweiten Zyklus. Messbar und unterschiedlich ausgeprägt, je nach Qualität der Paste. Und es ist kein Geheimnis, dass man schon ein paar Zyklen benötigt, bevor man ein verwertbares Ergebnis erhält. Die Paste ändert sich nämlich in ihren primären Eigenschaften nicht durch die schiere Länge eines Tests, sondern nur durch das häufige Erwärmen und Abkühlen! Und genau das wird auch die Messergebnisse ändern. Und weil sich nicht jeder so einen Messaufbau auf den Tisch stellen kann, lasse ich Euch einfach einmal an meiner Arbeit teilhaben. Und ich kann schon mal spoilern: es wird spannend!
Testaufbau und Messmethoden
Ich messe die Wärmeleitpasten für meine Artikel und die Datenbank generell nach ASTM D5470-17 und ich versuche dabei auch, die meisten negativen Einflüsse vorab zu reduzieren. Genau deshalb arbeite ich nach dem jeweiligen Kalibrieren mit einer initialen Schicht von 500 µm, die ich zuächst ohne großen Druck langsam auf 120 °C erwärme, danach auf 20 °C abkühle, um sie am Schluss auf die konstanten 60 °C meiner Messungen zu erwärmen. Erst danach messe ich von 400 µm abwärts in Schritten von 25 µm die Wärmewiderstände bzw. Wärmeleitfähigkeit identischen Laborbedingungen. Das erfolgt standardisiert, wobei alle störenden Faktoren (wie z.B. Die-Verzerrungen oder nicht-koplanare Kontaktflächen) ausgeschlossen werden können. Garantiert werden kontrollierte Oberflächenbedingungen, Unidirektionale Wärmeflussbedingungen, parallele Kontaktflächen und präzise bekannte Klemmkräfte.
Ich nutze den TIMA5 von Nanotest, ein kompaktes All-in-One Tischgerät, das den Messaufbau und den benötigten PC in einem Gerät vereint. Es ist ein autarker und vor allem auch automatisierter Messaufbau, den ich auch parallel zu anderen Aufgaben im Hintergrund laufen lassen kann. Denn wer will sich schon 6 Stunden und länger daneben setzen und zuschauen? Manuell ist so eine Testreihe faktisch kaum sinnvoll realisierbar. Die Speicherung aller Daten erfolgt über das Netzwerk direkt auf das NAS. Das Gerät wird vor jeder Messung neu kalibriert (Sensoren für Druck und BLT). Ich messe die Pasten normalerweise bei 60 Grad gemittelter Pastentemperatur und abweichender BLT/Druck, aber heute mache ich einmal abweichende Messungen zwischen 30 und 100 °C, um auch eine mögliche Degradation in den ersten Zyklen für Euch auch in Diagrammform abzubilden.
Da dies für Außenstehende alles etwas komplex wirkt, habe ich die einzelnen Baugruppen gegen das Funktionsdiagramm gestellt, damit man weiß, wo und wie die bereits erklärten Messungen erfolgen. Was da im Hintergrund abläuft und wie das Ganze funktioniert, das habe ich bereits im verlinkten Grundlagenartikel im Detail erläutert. Das muss ich nicht noch einmal alles wiederholen. Trotzdem kann auch hier eine kleine Auffrischung nicht schaden.
Ich verdeutliche das anhand des bereits bekannten Schemas, damit man sich damit den Sinn dieser zu ermittelnden Werte besser vor Augen halten kann. Wir sehen, dass der effektive Wärmewiderstand sowohl das Material als auch die beiden Kontaktflächen betrifft. Ja, es gibt sehr aufwändige Verfahren bis hin zu gepulsten Lasern, die auch den reinen Bulkwert sehr genau evaluieren können, nur haben wir ja in der Praxis IMMER Kontaktflächen. Ich nutze für die Messungen Referenzkörper mit einer genormten (niedrigen) Rauheit, so dass man von diesen auch auf die Praxis schließen kann. Am Ende habe ich dann zwei Werte, die effektive Wärmeleitfähigkeit und einen über alle Messpunkte der unterschiedlichen Schichtdicken BLT gemittelten Wert unter Abzug des hochgerechneten Kontaktwiderstandes.
Die externe Kühlung übernimmt dabei ein Labor-Chiller von IKA, der die Wassertemperatur fast auf die Nachkommastelle genau halten kann und der nicht nur kühlen, sondern notfalls auch nachheizen kann, damit stets die benötigten 20 °C Wassertemperatur strikt eingehalten werden kann. Die Verschlauchung erfolgte über Festo-Kupplungen und speziellen Schlauch. Der Raum ist zudem klimatisiert.
Nach so viel Theorie sollten wir besser anfangen, also umblättern und los geht es!
76 Antworten
Kommentar
Lade neue Kommentare
Veteran
Veteran
Veteran
Urgestein
1
Urgestein
1
Urgestein
Urgestein
1
Veteran
Urgestein
1
Veteran
Urgestein
Urgestein
Urgestein
Mitglied
1
Alle Kommentare lesen unter igor´sLAB Community →