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Gefangen im froschgrünen Sandwich: MSI Radeon RX 5500 XT Gaming X im Test – der Preis wird über den Erfolg entscheiden

Zusammenfassung

Ich wünschte, die Antwort wäre eindeutiger und der Launch als solcher auch optimaler verlaufen. Um der RX 5500 XT gerecht zu werden, muss man schon ordentlich Zeit in die Details investieren, um die Idee dahinter zu verstehen. Die Umsetzung der Boardpartner als fertiges Produkt ist dabei eine zweite, komplett unabhängige Beurteilung, wenn es darum geht, aus den zur Verfügung stehenden Produkten ein möglichst schmackhaftes Menü zu bereiten und später auch an den Mann (oder die Frau bzw. auch Es) zu bringen.

Fangen wir mal mit dem Positiven an und bleiben zunächst in der Familie Rot. Die Radeon RX 5500 XT kann Polaris vollumfänglich ersetzen, ja sie sollte und muss es sogar. Man erspart sich (und der Umwelt) bis zu 100 Watt an Leistungsaufnahme, als Folge dessen die entstehende Abwärme und damit auch die nun überflüssige Geräuschemission bei der Kühlung der ganzen Geschichte. Die Performance liegt dabei, Treiber- und Spiele-abhängig, mal über, auf oder knapp unter dem Niveau der ab Werk am stärksten übertakteten Radeon RX 590. Das neue GUI des Treibers ist wirklich gut gelungen und viele der neuen Features können überzeugen, auch wenn nicht alles wirklich neu ist und auf Anhieb so funktioniert wie gewünscht.

Wo sich AMD aber selbst ein Bein stellt, ist das eingegangene Bündnis mit Apple, welches als Folge dessen dem normalen Consumer-Markt den Vollausbau der Navi-14-Karte vorenthält. Natürlich kann (und sollte) man als Außenstehender nicht beurteilen, welche (sicher auch finanziellen) Gründe zu dieser Verbandelung geführt haben, aber als potentieller Kunde käme ich mir dann schon etwas in die Economy-Bestuhlung zurückgestuft vor. Mit den lediglich 22 CU dieser Karte jedoch begibt sich AMD in die unbequeme Position, zwischen zwei Nvidia-Karten zu geraten und man muss aufpassen, dass man genau dort nicht zerrieben wird.

Lassen wir noch einmal ganz kurz den Preis beiseite, der sich ja noch weiter entwickeln wird bzw. muss und bleiben zunächst bei der Perfomance. Das Vorhaben, sich die GeForce GTX 1650 Super als Gegenpart auszusuchen ist zwar löblich, aber eigentlich der Kampf zwischen Biene und Hummel, wenn es um die Leistungsaufnahme und damit auch im die Effizienz geht.  Die riesige Lücke ist deutlich kleiner geworden, aber sie klafft immer noch recht ordentlich. Der sehr späte Launch könnte am Ende auch dem Anliegen geschuldet sein, eine möglichst schnelle Karte zu verkaufen, egal wie weit man sich vom Sweet-Spot entfernt. Hauptsache, der Mitbewerber oder der eigene Polaris-Counterpart wird gegrillt. Das ist trotz allem nur teilweise gelungen, aber auch kein Grund zur Verzweiflung, solange der Preis stimmt.

Und genau da wird es für AMD eng, wenn man sich die aktuellen Straßenpreise von Jensens Pixel-Gemischtwarenladen so ansieht. Dort gibt es nämlich mittlerweile eine derart breite Streuung an Produkten und sich überlappenden Preisen zwischen den einzelnen Leistungsklassen, dass das Finden des richtigen Stellplatzes im Regal verflixt schwierig werden könnte. Denn hier liegen auch schon einmal diverse GeForce GTX 1660 im Angebotsregal, während manche GTX 1650 als Super Susi Edelfräulein in die Apotheken-Listung aufgenommen wird. Um hier jetzt den richtigen Platz für die RX 5500 XT zu finden, bräuchte man dann schon ein echtes Navi oder Ralf Dümmel.

MSI RX 5500 XT Gaming X 8G

Gute Platine, noch bessere Kühlung und ein sehr souveränes Auftreten. Viel mehr muss man dazu gar nicht schreiben, denn die Karte erlaubt sich keine Fehler. Mit einer von MSI kommunizierten UVP vom 219 Euro liegt man deutlich unter dem Straßenpreis der MSI GTX 1660 Gaming X 6GB und den 205 Euro für die MSI GTX 1650 Super Gaming X 4GB. Vergleicht man nun Feature-Set, Umsetzung und Performance, würde sich der Kauf der neuen Navi-Karte innerhalb des MSI-Universums also durchaus anbieten. Aber definitiv nur als 8-GB-Variante.

Leider gibt es Mitbewerber und auch deutlich einfacher gestrickte Karten, wo eine GeForce GTX 1660 auch schon einmal unter 200 Euro zu haben ist. Doch was will der Kunde am Ende? Einen verlockend schnellen Asphaltpickel mit röhrendem Kühler oder eine solide, nahezu unhörbare Reisekutsche, die auf der Gesamtdistanz kaum schlechter performt, aber beim Überholen etwas träger reagiert? MSI hat sich mit der RX 5500 Gaming XT für die kuschelige Sofa-Ecke entschieden, inklusive der Wellness für die Ohren. Damit kann man kommod leben und es ist auch der Grund, warum ich mir dann doch den Kauftipp aus dem Kreuz geleiert habe. Es ist die bessere RX 590, deutlich sparsamer und dazu leise, dass man mehrmals hinschauen muss, ob sie wirklich läuft.

Wer nur auf die reine Performance pro Euro schielt, ist hier definitiv am falschen Stand, das muss man fairerweise noch hinzufügen. Doch Vielfalt ist immer noch besser als Einfalt und am Ende sollte jeder nach seinem Geschmack glücklich werden. Nvidia ist, wie schon mehrmals erwähnt, in der der komfortable Lage, Karten für jede Lebenslage in einer geradezu inflationären Fragmentierung anbieten zu können. Das muss man auch erst einmal schaffen. Zeit genug hatten sie allerdings.

MSI GTX 1650 Gaming X 4G

Man merkt, dass hier etwas gespart wurde. Ohne Backplate und mit nur halb so großem Speicherausbau sind die knapp 15 Euro, die zwischen dieser Karte und der UVP für die neue RX 5500 XT von MSI liegen, nicht zu rechtfertigen. Der nur geringe Aufpreis wird sich in jedem Fall lohnen, solange es eine solche MSI-Karte sein soll. Die Karte selbst macht nichts falsch, ist grundsolide und vor allem sehr sparsam sowie auch flüsterleise. Das macht sie äußerst interessant, verteuert sie allerdings auch. Der aktuelle Straßenpreis liegt schon um mehr als 30 Euro über dem günstigsten Modell im lieferbaren Angebot.

Damit hat sie im ganz Speziellen eigentlich das gleiche Problem wie schon die RX 5500 XT im Allgemeinen: zu viele Chips in zu vielen Modellen sowie Ausführungen und am Ende ist sie wohl auch vielen einfach zu teuer für das Gebotene.

Fazit

Die große Gala mit Überraschungsgast und knallrotem Schampus fällt heute leider aus, dafür gibt es aber von Lisas Chip-Catering ein schönes und grundsolides Sättigungspaket, das man sich, je nach Anspruch und Vorliebe, auch mehr oder weniger aufwändig verpacken lassen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auch das kann zur Begeisterung der Zielgruppe führen, wenn auch nicht so überschwänglich. Manchmal reicht es eben nicht, richtig gut zu sein, wenn es in der Klasse auch einen Besseren gibt. Doch wer am Ende die Mädels und das große Geld haben will, muss nicht unbedingt der Klassenprimus sein. Schicke Klamotten und eine geschickte Selbstvermarktung waren schon immer die bessere Idee. Das nur mal so nebenbei, auch wenn es ums Launchen geht. Jensen weiß das nur zu gut.

Navi 14 ist ein netter Chip, der eine echte Weiterentwicklung darstellt, das darf man nicht wegdiskutieren. Zum Sieg hat es heute allerdings nicht gerecht, dazu sind die Karten einfach (noch) zu teuer. Wenn man sich schon die Super-Chance wahren will, dann auch mit einem Super-Preis. Naja, schaun wir mal in ein paar Wochen.

 

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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