Grafikkarten Testberichte VGA

Gefangen im froschgrünen Sandwich: MSI Radeon RX 5500 XT Gaming X im Test – der Preis wird über den Erfolg entscheiden

Jetzt kommt quasi die Stunde der Wahrheit, wenn wir uns der Leistungsaufnahme zuwenden. Zahltag ist wie immer an der Zapfsäule und da habe ich diesmal ganz genau hingeschaut. Beginnen wir mal im Idle und im Niedriglast-bereich. Da hat AMD ordentlich aufholen können und es ist wirklich lange her, dass eine AMD-Grafikkarte so deutlich wenig im Idle an Leistung aufgenommen hat, wenn sie sich nicht gerade trickreich abgeschaltet hat. Das kann also schon einmal gefallen.

Sobald aber etwas mehr 3D-Last anliegt, geht (mal wieder) die elektrische Post ab. Die in den Folien ausgewiesene TBP (Typical Board Power) entfällt dann komplett auf den Chip und als TBP, wenn man es noch so nennen kann, werden es 145 Watt beim Gaming. Diesen Wert habe ich sowohl in Metro Exodus als auch in Total War messen können. Leichtere Übungen, wie z.B. WoT, schlagen noch mit moderateren 121 Watt zu Buche. Vergleichen wir dazu die MSI GTX 1650 Super Gaming X 4GB, sind das beim Gaming trotzdem noch bis zu 40 Watt mehr!  AMD benötigt also um die 30% mehr elektrische Leistung für bis zu 10 Prozent Performance-Vorteil in den herausgepickten Spielen, wo man vorn liegt. Die anderen Spiele haben gegenüber der Nvidia-Karte eine noch ungünstigere Bilanz. Das ist, trotz aller Hingabe und Euphorie, dann doch ernüchternd, da sogar die zum Teil deutlich schnellere GeForce GTX mit 125 Watt noch 20 Watt darunter liegt.

Aber – das muss man zur Ehrenrettung von Navi 14 auch bescheinigen – es sind bis zu 100 Watt weniger als mit einer komplett aufgeblasenen Radeon RX 590 der letzten Polaris-Iteration! Die gehört effizienztechnisch endlich aufs Altenteil, denn das ist nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Man wird also bei Sonderangeboten der RX 590 als Restbestand abwägen müssen, wie extensiv man diese Karte nutzen möchte und wie sich das dann auch an der Steckdose rechnet. Wegen ein paar wenigen Stunden pro Woche muss man in allen Fällen ja kein Fass aufmachen, aber Dauernutzer werden es echt merken.

Die 5 Watt mehr beim Übertakten kann man übrigens als netten Performance-Zugewinn  verbuchen, der sich nicht an der Steckdose explosionsartig manifestiert. Einen Schreck bekommt man dann allerdings beim Torture-Test, der mit knapp 176  Watt so richtig zuschlägt. Das sind fast 71 Watt mehr als bei der GeForce, die brav abregelt. Boost kann das wie aus dem Bilderbuch, Power Tune leider nicht.

GPU-Spannungsverläufe (VDDC)

Wenn wir nun die Spannungen vergleichen, dann sieht man sehr schön, wo vor allem die Leistungsexplosion an der Spannungsversorgung herkommt. Die MSI Karte liefert schon beim Gaming konstante 1.137 Volt, ohne auch nur einmal herunterzuregeln. Das mag an der Vorgabe im BIOS liegen, wobei die dort interlegten 1.1 Volt locker übertroffen werden.  Überhaupt macht die Karte mit dem neuen Treiber Dinge, die ich in den Vorgaben so nicht auslesen konnte. Doch dazu gleich mehr.

Die GeForce GTX 1650 Gaming X 4GB regelt die Spannung deutlich feiner:

Betrachten wir nun die hochauflösenden Messungen von Leistungsaufnahme und Stromstärke/Spannung für beide Karte in den Diagrammen. Man erkennt hier bereits sehr schon die Art der Regelung für Power Tune und Boost:

Normeinhaltung am Motherboard-Slot

Beide Karten liegen bei der Belastung des Motherboard-Slots im grasgrünen Bereich. Auch hier habe ich für beide Karten ein Diagramm angefertigt: Bei der Navi-Karte mit den 6 Phasen erfolgt die Lastverteilung vorbildlich, wobei die zwei aus dem Slot gespeisten Phasen nie zu einer Überlastung führen werden, auch beim Torture-Loop nicht.

 

MSI muss bei der Nvidia-Karte im Balancing hingegen schon etwas tricksen, weil ja eine der insgesamt nur drei GPU-Phasen (VDDC) direkt aus dem Slot gespeist wird. Aber auch das ist gut lösbar:

Netzteilbemessung und gefährliche Lastspitzen

Wie ich in meinem Grundlagenartikel “Der Kampf von Grafikkarte gegen Netzteil – Leistungsaufnahme und Lastspitzen entmystifiziert” bereits ausführlich nachgewiesen habe, existieren durchaus auch kurzzeitig höhere Lasten im Millisekundenbereich, die bei ungünstig entworfenen oder nicht zweckmäßig bestückten Netzteilen bereits zu unerklärlichen Abschaltungen führen können. Da hilft dann allein die vom Grafikkartenhersteller oder den Reviewern gemessene TBP (Typical Board Power) für eine stabile Auslegung des Systems nicht wirklich weiter.

Spitzen mit Intervallen zwischen 1 bis 10 ms können bei sehr schnell reagierenden Schutzschaltungen (OPP, OCP) vor allem bei Multi-Rail-Netzteilen zu Abschaltungen führen, obwohl die durchschnittliche Leistungsaufnahme noch in der Norm liegt. Für die MSI RX 5500 XT Gaming X 8GB würde ich deshalb beim Normal-OC mit 200 bis 250 Watt als Grafikkarten-Last anteilig an der sekundärseitigen Gesamtleistungsaufnahme des Systems kalkulieren und bei der MSI GTX 1650 Super Gaming X 4GB mit ca. 150 bis 180 Watt, um genügend Reserven für den Fall der Fälle zu besitzen. Einen kurzen Auszug mit höher Auflösung zeigen uns nun die jeweiligen 20-ms-Messungen (10 μS Intervalle), wie ich sie automatisiert zur Wertermittlung laufen lasse:

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About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

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