Wärmeleitpasten gibt es viele – gute, schlechte und dann noch die von GD. Heute im Test: zwei Erzeugnisse, die auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten, aber letztlich ein trauriges und gemeinsames Schicksal teilen – sie performen unterirdisch. Die Rede ist von der GD900 und der GD-2, zwei Pasten von „GD High Conductivity Electronics“, die in Online-Shops regelmäßig als „preisgünstige Alternative“ zu Markenprodukten gehandelt werden. Und das stimmt auch – wenn man mit „Alternative“ einen leistungsarmen, instabilen und chemisch fragwürdigen Mix meint, der nur einen Vorteil kennt: den Preis.
Wer oder was steckt nun wirklich hinter GD? Hinter dem kryptisch anmutenden Label „GD“ verbirgt sich die Foshan High Conductivity Electronics Co., Ltd., ein chinesisches Unternehmen, das laut Eigenbeschreibung Wärmeleitmaterialien entwickelt, produziert und weltweit vertreibt. Auf dem Papier ein Hersteller – in der Realität ein Paradebeispiel dafür, wie man mit einfachster Technik, minimaler Prozesskontrolle und einem Maximum an PR eine ganze Flut minderwertiger Produkte über globale Handelsplattformen wie Amazon, AliExpress oder eBay verbreitet. Die Firma betreibt offenbar tatsächlich eigene Fertigungsanlagen – ich sage bewusst „offenbar“, denn beim Stöbern auf der chinesischsprachigen Firmenwebsite bin ich auf ein offizielles Werksvideo gestoßen, das so gut zu den Messergebnissen passt, dass man fast von einem gestalterischen Gesamtkunstwerk sprechen möchte.
Was ich da dann gesehen habe – offenliegende Rührwerke, händisch geführte Abfüllungen, Technik aus dem industriellen Vorruhestand – ließ mich ernsthaft darüber nachdenken, ob GD für „Geringe Dauerleistung“ stehen könnte. Und so wird dieser Test nicht nur eine nüchterne Laboranalyse zweier Produkte sein, die bereits mit ihren technischen Daten für Stirnrunzeln sorgen, sondern auch ein Blick hinter die Kulissen eines Herstellers, der den Begriff Qualitätskontrolle offenbar eher als freundlichen Vorschlag interpretiert.
Eines sollte man nach dem Lesen dieses Artikels mitnehmen: Die GD900 und GD-2 mögen richtig billig sein, aber sie sind es aus gutem Grund. Wer glaubt, mit ein paar Euro Ersparnis clever zu handeln, wird früher oder später feststellen, dass billige Wärmeleitpaste nicht nur Zeit, sondern im schlimmsten Fall auch Hardware kosten kann. Diese Zeilen sind daher nicht nur Testbericht im klassischen Sinne, sondern eine explizite Kaufwarnung. Wer Geiz mit Klugheit verwechselt, tappt hier in eine thermische Falle, und zwar mit glasklarer Ansage.
Werfen wir einen Blick auf die “offiziellen technischen Datenblätter” der GD900 und GD-2 – wobei der Begriff „Datenblatt“ hier mit der gleichen Vorsicht zu genießen ist wie ein Straßengraben bei Nacht. Beide Produkte prahlen dort mit Wärmeleitfähigkeiten, die auf dem Papier erstaunlich ambitioniert wirken. Die GD900 wird mit einem Wert von satten 4,8 W/m·K beworben, während man die GD-2 mit sagenhaften 7,5 W/m·K ins Rennen wirft. Für den unbedarften Leser klingt das solide, aber wer dann erwartet, dass sich diese Zahlen in der Praxis auch nur annähernd bestätigen, wird nach dem ersten Testlauf feststellen: Die Realität ist eine andere – sie ist grausam, klebrig und thermisch ineffizient.
Denn was hier als Wärmeleitfähigkeit verkauft wird, entstammt offenbar einer sehr freien Interpretation der Physik – nennen wir es ruhig Wärmeleitpasten-Lyrik. Es ist die Art von Zahlenwerk, das vermutlich durch das Anlegen eines Multimeters an eine Brokkolisuppe ermittelt wurde. In meinen Tests jedenfalls ließen sich keine derartigen Werte auch nur ansatzweise rekonstruieren. Die Paste wirkt im Einsatz eher wie ein thermisches Isoliermaterial mit Alibifunktion – sie stellt zwar Kontakt her, aber die Wärme bleibt lieber, wo sie ist.
Noch absurder wird es bei der Frage nach der Haltbarkeit. Während seriöse Hersteller heute auf Langzeitstabilität, Polymerisationskontrolle und Diffusionsschutz setzen, agieren GD900 und GD-2 eher nach dem Motto: “Schön, dass du da warst – aber bleib bitte nicht zu lange”. Bereits nach wenigen Wochen oder gar nur Tagen zeigen sich bei beiden Pasten deutliche Veränderungen im Verhalten. Die Konsistenz wird entweder speckig-trocken oder entwickelt das berühmte „Silikonbluten“, bei dem sich die flüchtigen Bestandteile langsam in die Umgebung verabschieden. Man könnte sagen, die Haltbarkeit entspricht der einer Kugel Pistazieneis mittags um halb eins in der Sommersonne von Dubai, serviert auf einer dekorativen Asphaltplatte von Villeroy & Boch.
Kurz gesagt: Die technischen Angaben mögen sich auf den Etiketten gut machen, aber sie haben mit einer seriösen Bewertung von Wärmeleitfähigkeit oder Haltbarkeit in etwa so viel zu tun wie ein Horoskop mit Meteorologie. Wer sich von solchen Angaben zum Kauf verleiten lässt, wird am Ende zwar etwas gelernt haben – leider aber meistens auf die harte Tour. Und dann war da ja noch was…
Hauptsache billig
Die jetzt gezeigten Bilder stammen aus aus einem leicht pixeligen Werksvideo der Foshan High Conductivity Electronics Co., Ltd. und vermitteln trotz allem einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Produktionstechnologie hinter der GD-Serie von Wärmeleitpasten, insbesondere der weit verbreiteten GD900. Die Aufnahmen offenbaren eine Kombination aus halbindustriellem Mischbetrieb, einfach strukturierten Abfülllösungen und einer insgesamt klar auf Kostenoptimierung ausgelegten Prozessgestaltung. Was wir heute sehen, ist kein Rückblick auf eine Fabrik der 80er, sondern die aktuelle Produktionsstätte jener Wärmeleitpaste, die aus dem unteren Regal der Elektronikhändler nicht mehr wegzudenken ist: GD900. Der Star unter den Pasten, wenn es darum geht, den Spagat zwischen „funktioniert schon irgendwie“ und „kostet eben auch fast nichts“ zu meistern.
Im ersten Bild unten ist ein manueller Mischprozess mit zwei Arbeitern zu sehen, die an offenen Mischanlagen arbeiten. Diese Maschinen erinnern konstruktiv an sogenannte Z-Sigma-Kneter oder auch planetarische Rührwerke mit horizontal liegendem Mischbehälter, wie sie klassisch in der Verarbeitung hochviskoser Stoffe eingesetzt werden. Das Öffnen der Schutzhaube während des Betriebs legt nahe, dass der Prozess weder vollautomatisiert noch nach modernen Sicherheitsstandards eingehaust ist. Es fehlt jegliche Absaugtechnik oder Schutzverkleidung gegen Emissionen oder Partikelflug, was bei der Verarbeitung von Füllstoffen wie Aluminiumoxid, Zinkoxid oder Siliziumverbindungen durchaus bedenklich ist. Die Mischung bleibt offen zugänglich, vermutlich damit sich das Aluminiumpulver auch sozial entfalten kann.
Auch Temperaturregelung oder Echtzeitüberwachung durch integrierte Sensorik ist visuell nicht erkennbar, was Rückschlüsse auf eine eher manuell gesteuerte Prozessführung zulässt. Die Maschinen selbst wirken funktional, aber in die Jahre gekommen. Sie entsprechen eher dem unteren industriellen Segment, wie es in Werkstätten mit mittlerem Automatisierungsgrad typisch ist – robust, aber fernab heutiger Standards hinsichtlich Präzision, Effizienz oder Reproduzierbarkeit.
Das zweite Bild zeigt die Peripherie der Rohstofflagerung und -bereitstellung. Zu sehen sind mehrere blaue 200-Liter-Fässer, offenbar zur Bevorratung der fertigen oder teilverarbeiteten Wärmeleitpaste. Daneben stehen mehrere Geräte, die stark an ältere Gastronomie- oder Kleinchargen-Rührwerke erinnern. Diese könnten für Labormuster, die Vormischung von Additiven oder die Herstellung besonders kleiner Produktionsmengen genutzt werden. Die einfache Handpumpe zur Fassentleerung spricht gegen eine automatisierte Chargendokumentation oder chargenreine Entnahme – ein zentraler Aspekt, wenn es um reproduzierbare Qualitätsstandards geht. Die Reinraumtauglichkeit oder chemikalienresistente Ausführung dieser Geräte ist ebenfalls fraglich. Insgesamt lässt sich dieser Bereich als funktional und einfach interpretieren, mit Fokus auf geringen Kosten, manueller Steuerung und minimaler technischer Ausstattung. Hier herrscht optisch wirklich ein Hauch von Chemieunterricht, kombiniert mit der ästhetischen Strenge eines Baumarktlagerraums. Und man fragt sich unweigerlich: Was wiegt mehr – ein Fass GD-900 oder das Vertrauen des Kunden?
Das dritte Bild verdeutlicht den letzten Produktionsschritt: die manuelle Abfüllung in Standard-Kunststoffspritzen. Dabei wird die viskose Paste über ein pneumatisch gesteuertes Nadelventil direkt aus einem Vorratsbehälter in die Spritzen gedrückt. Dieser Prozess ist vollständig manuell und wird durch Sichtkontrolle und manuelle Führung des Bedieners kontrolliert. Automatische Volumenkontrolle, Wiegezellen oder Inline-Entgasungssysteme zur Blasenfreiheit der Füllung fehlen. Auch hier wird deutlich, dass die Produktionslogik auf pragmatische Durchsatzoptimierung und niedrige Stückkosten abzielt, nicht jedoch auf prozesstechnische Exzellenz oder analytisch rückverfolgbare Chargenfertigung. Solche Abfüllprozesse sind insbesondere in Asien typisch für OEM-Produkte im Low-End- bis Mid-Range-Segment. Und es ist auch der Moment, in dem aus Masse Produkt wird. Mit einer Spritze und einem Ventil, wie beim Blutabnehmen – nur dass hier das Risiko nicht eine Nadel ist, sondern die Paste selbst. Jedes Gramm ein kleines thermisches Abenteuer, dosiert nach Augenmaß und Gefühl – man nennt das in der Branche auch „handverlesene Wärmeübertragung“.
Es lässt sich durchaus feststellen, dass die Fertigungseinrichtung von Foshan High Conductivity Electronics Co., Ltd. zweifellos eine eigene Herstellung betreibt und keine bloße Vertriebsmarke ist. Die Anlagen sind in einem gewissen Rahmen funktional und für ein bestimmtes Marktsegment offenbar gerade noch ausreichend, genügen jedoch in keiner Weise modernen Qualitätsmaßstäben, wie sie etwa bei Premiumherstellern wie Shin-Etsu, Dow, Wacker oder Henkel zur Anwendung kommen. In diesen Konzernen wird mit automatisierten Knet-Reaktoren, Inline-Prozessanalyse (z. B. Viskositätskontrolle, IR-Spektroskopie) und rückverfolgbarer Seriennummernproduktion gearbeitet. Die hier gezeigte Produktionsweise ist vielmehr typisch für einen chinesischen Auftragsfertiger mit direkter Kostenfokussierung und minimaler technischer Raffinesse. Sie erklärt auch die starke Preisspreizung und die gelegentlich stark schwankenden Qualitätsberichte zu Produkten wie GD-900. Willkommen im Hinterhof.
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