Testberichte

Gaming-Headsets: Mythos, Wahrheit und wie wir testen

Von Schall, Wellen und Längen

Im Mittelpunkt steht der Luftschall, also genau das, was sich zwischen Schallquelle und dem menschlichen Ohr abspielt. Wir wollen mit unseren Testobjekten diesen Schall erzeugen und mit unseren eigenen Ohren hören. Da aber auf dem Weg bis dahin (und auch bei der Weiterleitung der Information bis hin zum Gehirn) eine ganze Menge passieren kann, schauen wir uns zunächst einmal die Schallwellen an und gehen dann Schritt für Schritt weiter.

Wir erinnern uns schnell noch einmal an den Physikunterricht und daran, dass der Schall ein rein mechanischer Schwingungsvorgang ist, der je nach dem jeweiligen Medium (in unserem Falle Luft), eine ganz bestimmte Geschwindigkeit besitzt (Luft ca. 330 bis 340 m/s). Diese Schallgeschwindigkeit wird auch noch durch Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur beeinflusst, aber das wollen wir der Einfachheit halber an dieser Stelle nicht weiter berücksichtigen.

Viel interessanter ist für uns der Umstand, dass es sich ja um eine Schwingung handelt, die sich wellenförmig im Raum ausbreitet. Je nach Höhe eines Tones besitzt so eine Schallwelle eine ganz spezielle Wellenlänge. Diese Wellenlänge lässt sich übrigens ganz einfach berechnen, denn wir teilen dafür lediglich die Schallgeschwindigkeit durch die Frequenz. Bei einem Testsignal von einem Kilohertz (also 1000 Schwingungen/s) und der Schallgeschwindigkeit von 330 m/s ergäbe dies 330 m geteilt durch 1000. Die Wellenlänge beträgt somit 33 cm (0,33 m). Bei 100 Hz wären es bereits schon 3,30 m, bei 30 Hz dann fast 10 m!

Wie wir hören: Das Trommelfell

Der Schall trifft auf unser Ohr und dringt durch den Gehörgang bis zum Trommelfell vor. Vereinfachen wir das Ganze mal etwas und erinnern uns an die Testfrequenz von einem Kilohertz. Dieser sinusförmige Schall ist ja nichts anderes als eine Art Druckwelle, die auf das Trommelfell auftrifft. Dabei ändert sich dieser aufs Trommelfell ausgeübte Druck periodisch im Rahmen der jeweiligen Frequenz (siehe obige Kurve), denn der Schall trifft ja nur von einer Seite auf das Trommelfell auf.

Was wir nun „hören“ können ist diese Differenz aus auftretendem Schalldruck und dem ständig wirkenden Luftdruck, der normalerweise auf beiden Seiten des Trommelfells gleich ist und sich aufhebt. Diese Differenzen betragen nur einige Millionstel Bar, während der normale Luftdruck im Schnitt bei normalem Wetter auf Meeresspiegelhöhe 1000 mBar beträgt. Damit merken wir auch, wie empfindlich unser Ohr eigentlich ist.

Leider ist unser Ohr im Frequenzumfang ein wenig begrenzt, wobei man im Durchschnitt von einem hörbaren Bereich von 16 Hz bis etwa 16 kHz ausgehen kann. Altersabhängig kann dieser Bereich – vor allem bei den höheren Tönen – auch etwas niedriger ausfallen.

Die Physiologie des Ohres

Wir müssen jetzt noch kurz auf eine Besonderheit des menschlichen Ohres eingehen. Stellen wir uns vor, wir sitzen in einem Konzertsaal, in dem ein Orchester spielt und hören an den lautesten Stellen mit bis zu 100 Phon (subjektiv empfundene Lautstärke). Gleichzeitig erfolgt eine Tonaufnahme des Konzertes, welche exakt so abgemischt wird, wie wir es in der ersten Reihe auch annähernd wahrnehmen können.

Wir erwerben dann später genau diese Aufnahme als CD und stellen beim Abspielen enttäuscht fest, dass der Klangeindruck in den heimischen vier Wänden und im Kopfhörer ein komplett anderer ist.  Schuld daran ist unser Ohr, welches das subjektive Lautstärkeempfinden je nach Frequenz und tatsächlichem Schallpegel sehr stark beeinflusst. Das menschliche Ohr ist also kein linearer, geschweige denn ein idealer Schallwandler!

Das frequenzabhängige Lautstärkeempfinden würde in den frühen 1933ern von Fletcher-Munson analysiert und erstmals in Kurvenform dargestellt. Man sieht sehr deutlich, dass vor allem bei tiefen Frequenzen mit sinkendem Schallpegel ein stark verminderter Lautstärkeeindruck entsteht. Auch bestimmte Hochtonbereiche sind von dieser natürlichen Eigenart des menschlichen Gehörs betroffen. Als Folge findet man noch heute die „gehörrichtige“ oder „physiologische“ Lautstärkekorrektur (engl. auch Loudness-Funktion) an diversen Verstärkern und aktiven Boxen, wobei so etwas stets mit einem gewissen Misstrauen zu betrachten ist.

Wir halten erst einmal fest, dass es die viel gelobte „Linearität“ im Gesamtablauf nicht ohne einen sehr hohen Schallpegel gibt, da stets das eigene Ohr die schwächste Kette im Glied ist!

Ein weiterer Umstand ist die unterschiedlich starke Dämpfung unterschiedlicher Frequenzen im Verhältnis zum Abstand und Winkel zur Schallquelle. Das was von der Schallquelle auf kürzestem und direktem Weg an unsere Ohren trifft, bezeichnet man als Direktschall. Da sich der Schall aber (ähnlich wie Licht) wellenförmig ausbreitet und die Treiber natürlich auch nicht nur in eine einzige Richtung abstrahlen, kommt es zu sogenannten Reflexionen: Der Schall trifft beispielsweise auf die Ohrmuschel auf und wird ähnlich wie beim Billard wieder (abgeschwächt) zurückgeworfen.

Der Raum zwischen Schallwandler und Ohr ist bei geschlossenen und halboffenen Systemen faktisch unser Abhörraum und wir verstehen nun auch, wie unterschiedliche Materialien, Formen und Polsterungen den Klang sehr spürbar verfälschen können.

Schallereignis und Hörereignis

Ein klein wenig müssen wir den Leser jetzt noch quälen, damit er später auch versteht, warum jeder Mensch bestimmte Schallereignisse unterschiedlich wahrnimmt. Auch wenn eine ganz bestimmte Schallquelle ein immer gleiches Schallereignis produziert (also beispielsweise ein Musikstück in einer Endlosschleife abspielt), dann nimmt es jeder Mensch subjektiv völlig anders wahr.

Im Gegensatz zu diesem sogenannten Schallereignis wird das subjektive Hörereignis räumlich, zeitlich und eigenschaftlich geprägt. Der Zusammenhang von Schallereignis (Reiz) und Hörereignis (Empfindung) ist eine sehr komplexe Materie; beides kann nicht direkt gleichgesetzt werden.

Zu kompliziert? Schauen wir doch mal, was sich im Detail dahinter verbirgt und vergleichen das reale Schallereignis (messbare Werte) mit unserem subjektiv empfundenen Hörereignis (fühlbare Eindrücke):

Schallereignis Hörereignis
Schalldruckpegel Lautheit (Phon)
Frequenz Tonheit (Mel)
Akustisches Spektrum Klang
Position der Schallquelle(n) Lokalisation der Schallquelle bzw. Hörereignisrichtung

Einige dieser Begriffe kennen wir bereits; wir haben uns schon über den Schalldruckpegel, die Frequenz und das akustische Spektrum des komplexen Klangbildes als Gemisch verschiedenster Frequenzen informiert. Bliebe nun noch die Position der Schallquelle und das, was alle vier einzelnen Komponenten in der Summe für eine Auswirkung haben.

Frequenzbereiche und subjektiver Höreindruck

Zunächst wollen wir erklären, wie wir die einzelnen Frequenzbereiche für unsere Bewertung aufteilen und weshalb gerade diese Einzelbewertung wichtiger ist als das bloße Abhören einiger weniger Titel. Dazu kommt dann später noch separat die Bewertung von räumlicher Abbildung, Pegelfestigkeit und technischer Aspekte.

Wenn man genau analysiert, welche Frequenzbereiche auf einem Gerät wie gut oder schlecht wiedergegeben werden können, kann man daraus bereits ziemlich sicher auf dessen allgemeine Performance schließen, die man in der Summe für das gesamte Frequenzspektrum erwarten kann.

Hierfür verlinken wir gern auch auf die interaktive Darstellung von independentrecording.net (IRN), die eine gute Übersicht über die einzelnen Frequenzbereiche und deren wichtigste Vertreter and Schallquellen bietet. Einfach auf das statische Vorschaubild oder den Textlink klicken!

Wir sehen, dass vom Tiefstbass bis hin zum Hochton alle Frequenzbereiche recht ordentlich belegt sind. Im Folgenden stellen wir nun unsere Tabelle der wichtigsten Bereiche vor, nach denen wir unsere Headsets und Kopfhörer subjektiv bewerten.

Kategorie
Frequenzbereich
Beschreibung
Tiefstbass: 16 bis 32 Hz Dieser Bereich der Subkontraoktave wird nur von sehr wenigen Instrumenten erreicht, kann aber vor allem bei klassischer Musik durchaus von Bedeutung sein. Nur die wenigsten der üblicherweise von uns getesteten Lautsprecher sind in der Lage, diesen Bereich komplett oder wenigstens ansatzweise wiederzugeben.
Tiefbass:
32 bis 64 Hz In der Kontraoktave (32,7 bis 65,4 Hz) liegen bereits viele interessante Instrumente sowie die Effektspur sauber abgemischter Dolby-Geräuschkulissen von Filmen (sogenannte Spur 0) und bestimmte Effekte in Spielen. Egal ob extrem tief abgestimmte Bassgitarren, Erdbeben, Detonation oder große Basstrommel  (Kick Drum) für die Tanzwütigen – ohne Tiefbass klingt alles ein wenig flach.
Bass und Oberbass:
64 bis 150 Hz Der Oberbass bis 150 Hz, in dem auch die Große Oktave (65,4 bis 130,8 Hz) liegt, beherbergt die Sprachgrundfrequenz der männlichen Stimme und entscheidet sehr stark über die naturgetreue Wiedergabe männlicher Vocals. Hier prüfen wir vor allem die Wiedergabe guter männlicher Vocals sowie das Harmonieren unterschiedlicher Stimmlagen einschließlich der Ortung einzelner Quellen (Chor).
Untere Mitten:
150 bis 400 Hz Der sogenannte Grundtonbereich spielt zusammen mit dem Oberbass eine sehr wichtige Rolle für die subjektiv empfundene Wärme bzw. Fülle des Klangbildes vieler Instrumente. Die Sprachgrundfrequenz weiblicher Stimmen ist ebenfalls in diesem Bereich zu finden, so dass wir sowohl einzelne, weibliche Vocals als auch den Chor als Summe werten, um uns ein Urteil über das räumliche Abbildungsvermögen zu verschaffen.
Obere Mitten:
400 Hz bis 2 kHz Die oberen Mitten beinhalten bei einem Kilohertz eine Marke, die immer noch als Referenz für viele Messungen gilt. Das merkt man leider oft bei günstigeren Geräten, da die Hersteller gern versuchen, gerade diese Frequenz etwas überzubetonen, um in den technischen Angaben beeindrucken zu können. Allerdings spielt dieser Bereich auch keine unbedeutende Rolle für eine gute, räumliche Auflösung – vor allem bei sehr breitbandigen Geräuschen.
Untere Höhen: 2 kHz bis 3,5 kHz In diesem Bereich ist das menschliche Gehör am empfindlichsten, zumal die unteren Höhen für die gute Oberton-Wiedergabe der menschlichen Stimme zuständig sind. Dieser Frequenzbereich ist nämlich entscheidend für die Wiedererkennung einer Stimme oder eines Instrumentes, so dass man in diesem Zusammenhang auch von der jeweiligen Klangfarbe sprechen kann.
Mittlere Höhen:
3,5 kHz bis 6 kHz Diese Frequenzbereich entscheidet über das Ge- oder Misslingen der Sprachwiedergabe als Gesamtbild, denn die S- und Zischlaute (Sibilanten) fallen in diesen Bereich. Viele Saiten- und Blasinstrumente stehen und fallen in ihrer Brillanz mit der möglichst guten Abbildung in diesem Bereich. Denn wenn es zu Überspitzungen kommt, entsteht sehr schnell ein metallischer oder kratziger Eindruck.
Obere Höhen:
6 kHz bis 10 kHz Dieser Bereich ist wichtig für die möglichst breitbandige Abbildung entstehender Oberwellen vieler Instrumente und der Luftgeräusche (Atemgeräusche, Abrissgeräuche) sowie diverser Schlaginstrumente. Beliebtes Objekt ist in diesem Bereich der gern zitierte Jazzbesen. Während eine Gitarre weniger leidet, wird aus einer Violine im Extremfall schnell eine Flöte.
Superhochton: 10 kHz bis 20 kHz Dieser Bereich wird nur von wenigen Instrumenten abgedeckt, sorgt aber bei gut hörenden Menschen für die endgültige Unterscheidung zwischen schlechter oder guter Wiedergabe. Wer glaubt, noch höher hören zu können, gleitet ins Voodoo ab – und besitz zudem mit Sicherheit auch vergoldete Lautsprecherkabel. Alle Frequenzen ab etwa acht Kilohertz sind zudem in ihrer Obergrenze bereits stark altersabhängig.

Kommentar

Lade neue Kommentare

B
Besterino

Urgestein

6,715 Kommentare 3,314 Likes

Tipptopp! Dann hoffe ich mal, dass Ihr zukünftig auch alle Kopfhörer in die Kammer sperrt! Mit den diversen „hands on/Auspacker-Tests“ aus der jüngeren Vergangenheit ohne die echten Analysen konnte ich jedenfalls nur wenig anfangen.

Antwort Gefällt mir

Igor Wallossek

1

10,182 Kommentare 18,770 Likes

Das ist jedes mal eine echte Zeitfrage und ob das Produkt auch den Aufwand lohnt. Bluetooth geht in der Chamber z.B. gar nicht, da ist soviel Stahl drumrum - Funkstille. Da muss ich tricksen

Antwort Gefällt mir

Danke für die Spende



Du fandest, der Beitrag war interessant und möchtest uns unterstützen? Klasse!

Hier erfährst Du, wie: Hier spenden.

Hier kannst Du per PayPal spenden.

About the author

Igor Wallossek

Chefredakteur und Namensgeber von igor'sLAB als inhaltlichem Nachfolger von Tom's Hardware Deutschland, deren Lizenz im Juni 2019 zurückgegeben wurde, um den qualitativen Ansprüchen der Webinhalte und Herausforderungen der neuen Medien wie z.B. YouTube mit einem eigenen Kanal besser gerecht werden zu können.

Computer-Nerd seit 1983, Audio-Freak seit 1979 und seit über 50 Jahren so ziemlich offen für alles, was einen Stecker oder einen Akku hat.

Folge Igor auf:
YouTube   Facebook    Instagram Twitter

Werbung

Werbung